Vorschlag für Waffenruhe Netanjahu: Krieg endet erst, wenn Hamas zerstört ist
01.06.2024, 01:01 Uhr
In der ersten Phase der Vereinbarung müssten sich die israelischen Streitkräfte aus allen dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens zurückziehen. Die Hamas müsste die ersten Geiseln freilassen.
(Foto: IMAGO/Middle East Images)
Überraschend präsentiert US-Präsident Biden einen Vorschlag für eine Feuerpause im Gaza-Krieg. Dabei fordert er öffentlich alle Mitglieder von Israels Regierung auf, ihren Widerstand gegen eine Waffenruhe aufzugeben. Jetzt äußert sich Netanjahus Büro. Auch die Hamas reagiert.
Nach der Präsentation eines neuen Vorschlags für ein Geisel-Abkommen sowie eine Waffenpause im Gaza-Krieg durch US-Präsident Joe Biden hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf die israelischen Kriegsziele hingewiesen. Der Krieg werde nicht enden, bevor alle Geiseln zurückkehrten und die Führung sowie die militärischen Fähigkeiten der Hamas zerstört seien, teilte Netanjahus Büro am Abend mit. Die Hamas betonte, entscheidend sei, dass der Krieg endgültig ende.
Israels Regierungschef habe dem Verhandlungsteam grünes Licht gegeben, einen Vorschlag vorzulegen, mit dem ebendiese Ziele erreicht werden könnten, hieß es in Netanjahus Mitteilung weiter. Ob damit der Vorschlag gemeint war, den Biden nun präsentiert hat, ging aus der Mitteilung nicht hervor. Israelische Medien werteten Bidens eindringliche Rede als einen Versuch, sich direkt an die israelische Öffentlichkeit zu wenden. Der führende Sender Channel 12 unterbrach seine Nachrichtensendung und blendete Bidens Rede live ein. Dem Sender zufolge hatte Israel zuvor die Veröffentlichung von Details unterbunden.
Hamas steht Vorschlag angeblich "positiv" gegenüber
Der US-Präsident hatte den neuen Vorschlag über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg überraschend vorgestellt, dem Israel unter Vermittlung der USA, Katars und Ägyptens zugestimmt haben soll. Der Plan in drei Phasen sieht einen dauerhaften Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln vor. An Israel gerichtet sagte Biden, das Land könne den Deal eingehen, ohne Angst um die eigene Sicherheit zu haben. Nach mehreren Monaten Krieg sei die islamistische Hamas nicht mehr in der Lage, ein Massaker wie am 7. Oktober anzurichten.
Biden machte dabei auch die Erwartungshaltung gegenüber der israelischen Führung deutlich: "Ich weiß, dass es in Israel einige gibt, die mit diesem Plan nicht einverstanden sind und eine Fortsetzung des Krieges auf unbestimmte Zeit fordern werden", sagte der US-Präsident. "Einige sind sogar in der Regierungskoalition, und sie haben deutlich gemacht, dass sie den Gazastreifen besetzen wollen." Sie wollten jahrelang weiterkämpfen, die Freilassung der Geiseln habe für sie keine Priorität, beklagte er. Biden betonte aber: "Ich habe die israelische Führung aufgerufen, hinter diesem Deal zu stehen" - allem Druck zum Trotz.
Katar hat den Vorschlag laut US-Angaben an die Hamas übermittelt. Er sei in mühevoller Kleinarbeit ausgearbeitet worden, "und er ist fast identisch mit dem, was die Hamas selbst vor ein paar Wochen vorgeschlagen hat", sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter. Die Verantwortung für eine Lösung liege nun bei der Hamas.
Die Islamistenorganisation pochte in einer ersten Reaktion erneut auf ein endgültiges Ende des Krieges. Man sehe die in Bidens Rede vorgebrachten Absichten positiv, darunter das Ziel eines dauerhaften Waffenstillstands. Gleiches gelte für den Plan zum Wiederaufbau des Gazastreifens. Die Hamas sei bereit, konstruktiv auf jeden Vorschlag zu reagieren, der Israels klare Verpflichtung zu diesen Punkten zeige.
Die indirekt geführten Gespräche über ein Abkommen zwischen Israels Regierung und der Hamas waren bislang daran gescheitert, dass die Islamistenorganisation die endgültige Beendigung des Krieges durch Israel zur Bedingung dafür gemacht hatte, weitere Geiseln freizulassen.
Die Einzelheiten sehen nach Angaben der US-Regierung wie folgt aus:
- Die erste Phase würde sechs Wochen dauern. Sie würde Folgendes beinhalten: Eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe und einen Rückzug der israelischen Streitkräfte aus allen dicht besiedelten Gebieten des Gazastreifens. Es würde zunächst eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen - darunter Frauen, Ältere und Verletzte. Im Gegenzug würden Hunderte Palästinenser, die in Israel inhaftiert sind, freikommen. Außerdem müsste die Hamas die sterblichen Überreste einiger getöteter Geiseln an deren Familien zurückgeben. Ziel wäre, sofort nach dem Start der Waffenruhe in großer Zahl humanitäre Hilfe in das Küstengebiet zu bringen und mit Aufräumarbeiten zu beginnen.
- Während der sechswöchigen Phase eins würden Israel und die Hamas die notwendigen Vereinbarungen aushandeln, um zu Phase zwei zu gelangen: zu einem dauerhaften Ende der Kämpfe. In dieser zweiten Phase würden alle restlichen lebenden Geiseln freigelassen, darunter auch männliche Soldaten. Und das israelische Militär müsste sich komplett aus dem Gazastreifen zurückziehen. Auch dieser Prozess würde etwa sechs Wochen dauern.
- In Phase drei würde ein Wiederaufbau im Gazastreifen beginnen - über eine Dauer von drei bis fünf Jahren, unterstützt von den USA und der internationalen Gemeinschaft. Zudem würden die letzten Überreste getöteter israelischer Geiseln an ihre Familien zurückgegeben.
Quelle: ntv.de, ino/dpa/rts