Die Neuerfindung der FDP "Nur ein Militärputsch kann uns aufhalten"
24.04.2016, 17:01 Uhr
Lindner gibt sich gleichermaßen demütig wie zuversichtlich.
(Foto: imago/Christian Thiel)
Bei der FDP zeigt sich: Buße kann durchaus guttun, eine Krise auch eine Chance sein. Als außerparlamentarische Opposition ist es ihr gelungen, sich grundlegend neu aufzustellen. Dennoch lauern Gefahren.
So ein Deutsch kann sich wohl nur eine PR-Firma ausdenken. "Digital first, Bedenken second", prangt in großen Lettern auf einem Bildschirm beim Parteitag der FDP in der alten Kreuzberger Messehalle Station. Auch die FDP-Helfer huschen in leuchtend gelben T-Shirts mit der Botschaft "Beta Republik Deutschland" und "German Mut" durch die Säle.
So grausig die Sprache ist, so verkörpern die Slogans doch die Kernbotschaften des Parteitags. Nicht nur, dass die FDP die Digitalisierung zu ihrem großen Thema erkoren hat. Auch der Mut ist ein wichtiges Thema für eine Partei, die vor knapp drei Jahren einen verheerenden Absturz erlebte. Ohne Mut hätte sie es kaum geschafft, nach der Zeit ihrer schlimmsten Niederlage wieder auf die Füße zu kommen.
Denn dass mit der FDP wieder zu rechnen ist, dämmert inzwischen auch denen, die sie vor kurzem noch als Splitterpartei abgeschrieben hatten. In Rheinland-Pfalz stellt sie bald zwei Minister, bei den vergangenen fünf Landtagswahlen gelang ihr mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt (wo ihre gerade mal 1700 Stimmen fehlten) überall der Einzug in die Parlamente. Plötzlich treten wieder Unternehmer in die Partei ein, sogar prominente Politiker wie der einstige Piratenchef Bernd Schlömer. Bundesweit sehen die Umfragen sie stabil bei etwa 7 Prozent, und Parteivize Wolfgang Kubicki ruft schon Wahlergebnisse im zweistelligen Bereich aus. Dies ist vielleicht etwas großspurig, doch symptomatisch für die Zuversicht, die ein Delegierter am Rande des Parteitags leicht ironisch so ausdrückt: "Nur ein Militärputsch kann einen Wahlerfolg noch verhindern."
Dass es die FDP so weit gebracht hat, hat sie vor allem der Zeit der Einkehr nach dem Wahldebakel von 2013 zu verdanken, als sie mit 4,8 Prozent den Einzug in den Bundestag verpasste. Personell erneuerte sie sich damals fast komplett, der Bundesvorstand trat geschlossen zurück. Auch wenn es bitter war: Nur durch diese krachende Niederlage hatte sie wohl eine Chance zu einem Neuanfang, wie inzwischen auch so mancher Delegierter einräumt.
Die neue Ein-Mann-Partei
Seit dem Abgang von Rainer Brüderle, Dirk Niebel & Co ist auch ein neuer Stil eingezogen: Die Lust an der Selbstzerfleischung ist der Partei vergangen, die FDP präsentiert sich nun mehr als ein Team, wie es auch Lindner in seiner Parteitagsrede betont. Offenbar weiß er, dass sie nur so eine Chance hat. Dennoch wirkt sie, wie einst unter Guido Westerwelle, zunehmend wie eine Ein-Mann-Partei, was auch manche Gefahren in sich birgt. Versagt dieser eine Mann, hat auch die Partei ein Problem. In der FDP sieht man das aber gelassen: "Lange haben wir daran gearbeitet, um überhaupt als Ein-Mann-Partei wieder wahrgenommen zu werden", so ein Delegierter. Letztlich hätten auch die großen Parteien nicht viel mehr Köpfe vorzuweisen.
Lindner selbst versucht den Eindruck einer Ein-Mann-Show zu vermeiden und verweist auf andere führende Köpfe wie Volker Wissing, den Landesvorsitzenden von Rheinland-Pfalz. Diesen habe bis vor kurzem noch niemand auf dem Schirm gehabt habe, und plötzlich sei er überall gefragt. Überhaupt gibt er sich demütig und entschlossen, die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen zu wollen: "Bei der Bundestagswahl hat uns niemand anderes besiegt als wir selbst. Dazu darf es nie wieder kommen." Auch FDP-Generalsekretärin Nicola Beer warnt zum Abschluss des Parteitages vor zu viel Übermut.
Im Gegensatz zu früher treten die Liberalen tatsächlich weniger großspurig und arrogant auf. Und auch inhaltlich setzen sie auf Veränderung. Der Verlockung, nach der Niederlage mit rechtspopulistischen Forderungen auf Stimmenfang zu gehen, hat die Partei widerstanden. Die Bürgerrechte spielen wieder eine Rolle, das Wort "sozial" wird öfter in den Mund genommen, der "Handwerksmeister aus dem Sauerland" ist plötzlich gefragt. Früher habe man sich zwar auch als Partei des Mittelstands geriert, so ein Delegierter, aber tatsächlich auf die Vorstände geschielt. Von Steuersenkungen wird heute nicht mehr laut geredet, die Westerwelle-Ära scheint mehr eine peinliche Erinnerung.
So präsentiert sich die FDP nun als eine Partei der Mitte. In Zeiten der Großen Koalition, in denen der Verdruss an den Regierungsparteien wächst und diesen die Wähler weglaufen, kann sie als außerparlamentarische Opposition in eine Lücke stoßen und sich als Alternative darstellen. Ihre Botschaft: Wer die fremdenfeindliche AfD für zu suspekt hält, aber dennoch den Kurs der Regierung ablehnt, kann bei den Liberalen eine Heimat finden.
Auch was mögliche Koalitionen angeht, richtet sich die FDP neu aus. Sie dürfe keine Funktionspartei mehr sein, erklärt Lindner auf dem Parteitag. Eine schwarz-gelbe Mehrheit bedeute nicht automatisch eine schwarz-gelbe Regierung. Viele Delegierte sehen das ebenfalls so, weshalb sie die Ampel in Rheinland-Pfalz durchaus positiv bewerten. Schließlich ist ihnen das eine Lehre aus der Vergangenheit: Es reicht nicht, an der Macht zu sein. Man muss sie auch gestalten können.
Quelle: ntv.de