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Nach Urteil zum Haushalt Ökonomen rechnen mit klimapolitischen Kürzungen

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Das Bundesverfassungsgericht hat den Nachtragshaushalt der Ampel-Regierung 2021 für nichtig erklärt.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Nachtragshaushalt der Ampel-Regierung 2021 für nichtig erklärt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Wegen Corona stockt die Bundesregierung den Haushalt 2021 um 60 Milliarden Euro auf. Nicht genutzte Gelder darf sie aber nicht in den Klimafonds verschieben, entscheidet jetzt das Verfassungsgericht. Das Urteil wird nach Ansicht von Ökonomen weitreichende Folgen haben.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Nachtragshaushalt 2021 hat nach den Worten von IFO-Präsident Clemens Fuest weitreichende Folgen für die Finanzpolitik in Deutschland. "Für die Bundeshaushalte der kommenden Jahre ergeben sich erhebliche Einschränkungen, was Ausgaben für die staatliche Unterstützung der Dekarbonisierung angeht", sagte Fuest. Eine Option bestehe darin, nun doch noch für 2023 oder 2024 erneut eine Notlage festzustellen, die Vorgaben der Schuldenbremse für normale Zeiten nicht einzuhalten und die Neuverschuldung zu erhöhen. "Ob das mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, ist nach diesem Urteil allerdings fraglich", sagte Fuest.

Man müsste die Notlage als Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine darstellen, dieser Angriff liege nun aber schon mehr als anderthalb Jahre zurück, erläuterte der Top-Ökonom. "Alternativ bleibt der Bundesregierung nur die Option, Ausgaben zu kürzen und umzuschichten oder die Steuern zu erhöhen." Zumindest die FDP hat Steuererhöhungen in dieser Legislaturperiode allerdings ausgeschlossen. "Jenseits der aktuellen Folgen für den Bundeshaushalt signalisiert das Urteil, dass finanzpolitische Manöver zur Umgehung der Schuldenbremse vom Bundesverfassungsgericht kritisch beobachtet und stark eingeschränkt werden", fügte Fuest hinzu.

DIW-Präsident: "Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß"

DIW-Präsident Marcel Fratzscher sieht in dem Urteil einen Anstoß zur Reform der Schuldenbremse. "Die Versuche der Bundesregierungen in den vergangenen zwölf Jahren, die Schuldenbremse zu umgehen, haben immer absurdere Züge angenommen", sagte Fratzscher. "Die Schuldenbremse ist nicht mehr zeitgemäß, weil sie der Politik notwendigen Spielraum nimmt, um Krisen zu bekämpfen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen." Es sei heute dringender denn je, dass die Bundesregierung eine Investitionsoffensive für Zukunftsinvestitionen starte - in Bildung, Klimaschutz, Innovation und Infrastruktur.

Ökonom Jens Südekum sieht schwere Zeiten für die Ampel-Koalition aufziehen. "Das stellt die Bundesregierung vor das größte wirtschaftspolitische Problem dieser Legislaturperiode", sagte der Professor für internationale Volkswirtschaftslehre des Instituts für Wettbewerbsökonomie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Die 60 Milliarden Euro seien für die kommenden Jahre vollständig verplant, für Fördermaßnahmen im Bereich der Gebäudesanierung und Heizungstausch, für Senkungen der Strompreise, für Subventionen. "All das steht jetzt zur Disposition."

Kurzfristig könne die Bundesregierung auf andere Rücklagen zurückgreifen, die noch im Klima- und Transformationsfonds (KTF) liegen. "Aber das ist nur eine Notoperation und wird nicht lange reichen." Spätestens im kommenden Jahr sei die Rücklage aufgebraucht und "es stellt sich die Grundsatzfrage, wie die Bundesregierung ihre geplante Klimapolitik dann finanzieren will", sagte Südekum.

Das sei eine Mammutaufgabe, eine einfache Lösung dafür nicht in Sicht. Es dürfe jetzt aber nicht zu massiven Kürzungen im Bereich der Klimapolitik kommen. "Das wäre ein Schlag ins Gesicht der kommenden Generationen und des gesamten Wirtschaftsstandorts, der sich ja auf den Weg in Richtung Transformation gemacht und dabei auch auf den KTF vertraut hat." Das Bundesverfassungsgericht hat den umstrittenen Nachtragshaushalt der Ampel-Regierung von Ende 2021 als verfassungswidrig mit seinem Urteil gekippt. Danach durften 60 Milliarden Euro an nicht benötigten Krediten zur Bewältigung der Corona-Krise nicht umgewidmet und in den Klimafonds verschoben werden. Das Vorgehen der Ampel sei insbesondere wegen eines Verstoßes gegen die Schuldenbremse nichtig.

Quelle: ntv.de, lar/rts

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