Papst-Worte lösen Entsetzen aus Strack-Zimmermann "schämt sich als Katholikin"
10.03.2024, 13:55 Uhr Artikel anhören
Papst Franziskus ruft im Ukraine-Krieg die Regierung in Kiew zum Hissen der "weißen Fahne" auf. Der Aufschrei dagegen ist groß.
(Foto: AP)
Mit seiner Aufforderung zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg sorgt Papst Franziskus für einen Eklat. Aus Deutschland, Polen und der Ukraine kommen scharfe Kritik und erboste Reaktionen. Dem Pontifex wird vorgeworfen, sich mit seinen Aussagen auf die Seite des Aggressors Putin zu stellen.
Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hat den Aufruf von Papst Franziskus zu Verhandlungen nach mehr als zwei Jahren Ukraine-Krieg kritisiert. "Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären", schrieb Sikorski auf X. Polen ist einer der engagiertesten politischen und militärischen Unterstützer der von Russland angegriffenen Ukraine. Das EU- und NATO-Mitglied hat knapp eine Million Flüchtlinge aus dem östlichen Nachbarland aufgenommen.
In der Ukraine wurde der Begriff der "weißen Fahne", den der Papst gebrauchte, als Aufforderung zur Kapitulation verstanden und löste erboste Reaktionen aus. "Es erscheint merkwürdig, dass der Papst nicht zur Verteidigung der Ukraine aufruft, nicht Russland als Aggressor verurteilt, der Zehntausende Menschen tötet", schrieb der frühere Abgeordnete und Vizeinnenminister Anton Heraschtschenko auf X. Der ehemalige ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, nannte den Papst mit einem Bibelwort einen "Kleingläubigen". Offizielle Kiewer Stellen äußerten sich bisher nicht. Schon frühere Papstäußerungen weckten bei den Ukrainern das Gefühl, dass Franziskus mehr Verständnis für Russland aufbringt als für ihr angegriffenes Land.
"Warum in Gottes Namen"?
Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hat dem Appell von Papst Franziskus zu Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg in scharfer Form widersprochen. "Bevor die ukrainischen Opfer die weiße Flagge hissen, sollte der Papst laut und unüberhörbar die brutalen russischen Täter auffordern, ihre Piraten-Fahne - das Symbol für den Tod und den Satan - einzuholen", sagte die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Und warum in Gottes Namen verurteilt er nicht die verbale mörderische Hetze von Kyrill I., Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche und Ex-KGB-Agent, dem ukrainischen Volk gegenüber?", fragte Strack-Zimmermann. Sie fügte hinzu: "Ich schäme mich als Katholikin, dass er das unterlässt.
Auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt widerspricht der Aufforderung von Papst Franziskus, die Ukraine solle die Verteidigung gegen Russland aufgeben und den Mut haben, die "weiße Fahne" zu hissen. "Niemand möchte mehr Frieden als die Ukraine", sagt die Grünen-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Auf ihrem Territorium herrsche seit zehn Jahren Krieg, unzählige Menschen seien getötet worden. Göring-Eckardt fügte jedoch hinzu: "Es ist Wladimir Putin, der den Krieg und das Leid sofort beenden kann - nicht die Ukraine. Wer von der Ukraine verlangt, sich einfach zu ergeben, gibt dem Aggressor, was er sich widerrechtlich geholt hat, und akzeptiert damit die Auslöschung der Ukraine."
Göring-Eckardt betont: "Über Frieden wird und muss verhandelt werden - aber auf Augenhöhe." Denn Frieden könne es nur geben, wenn er gerecht sei, er dürfe die Existenz und Identität der Ukraine nicht infrage stellen. Auch müsse Russland für seine Kriegsverbrechen zur Verantwortung gezogen werden.
"Versagen der Römisch-katholischen Kirche"
"Unglaublich, das Oberhaupt der katholischen Kirche stellt sich auf die Seite des Aggressors", schrieb der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter auf X. Der Papst liefere damit Russlands Präsident Wladimir Putin eine "Blaupause für weiteres Vorgehen". Der CDU-Bundestagsabgeordnete Matthias Heuer schrieb ebenfalls auf X: "Der Papst rät also der Ukraine zu einer Existenz unter russischer Diktatur". Heuer fügte hinzu: "Ich schäme mich als katholischer Christ einmal mehr für das Versagen der Römisch-katholischen Kirche an zentraler Stelle."
Die Präsidentin des Evangelischen Kirchentages 2025 in Hannover, Anja Siegesmund, sagte dem RND: "Die Sehnsucht nach Frieden darf nicht dazu führen, dass das Recht des vermeintlich Stärkeren siegt." Wer die eigene Freiheit verteidige, bedürfe der Unterstützung aller, die jetzt in Freiheit leben. "Wir stehen weiter an der Seite der Ukraine", hob Siegesmund hervor
Der Papst hatte in einem am Wochenende vorab veröffentlichten Interview des Schweizer Fernsehens gesagt: "Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln." Ohne eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen zu nennen, fügte er hinzu, ohne Verhandlungen könne die Situation noch schlimmer werden, weshalb man sich dafür nicht schämen solle.
Vatikan versucht Klarstellung
In dem Interview wird Franziskus auch nach Forderungen aus der Ukraine nach "Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne" gefragt, was andere als Legitimation der stärkeren Seite sähen. Darauf antwortet der Papst allgemein: "Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln."
Indes versucht der Vatikan die Aussage von Papst Franziskus einzufangen. Vatikan-Sprecher Matteo Bruni erklärte später in einem von "Vatican News" veröffentlichten Statement, dass Franziskus von der "weißen Flagge" gesprochen habe, "um eine Einstellung der Feindseligkeiten zu bezeichnen, einen Waffenstillstand, der mit dem Mut zur Verhandlung erreicht wurde". Bruni wiederholte den Aufruf des Papstes zu einer "diplomatischen Lösung auf der Suche nach einem gerechten und anhaltenden Frieden" in der Ukraine.
Quelle: ntv.de, gut/dpa/AFP