"Das ganze Geld für die Asylanten" Pegida mischt Parolen und Weihnachtslieder
23.12.2014, 07:39 Uhr
Manche Teilnehmer geben an, wegen der "guten Stimmung" in Dresden dabei zu sein.
(Foto: REUTERS)
Die Pegida-Veranstaltung in Dresden ist als Weihnachtssingen angekündigt - was ab und zu auch stimmt. Dazu bekommen die 17.500 Menschen fragwürdige Behauptungen und Parolen zu hören. Die deutsche Industrie positioniert sich klar gegen Pegida.
Das islamfeindliche Pegida-Bündnis verbucht in Dresden trotz wachsender Kritik weiter Zulauf. Bei ihrer zehnten Demonstration in Folge mobilisierten die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" am Montagabend rund 17.500 Menschen - 2500 mehr als in der vergangenen Woche und damit mehr denn je. Parallel dazu zogen 4500 Gegendemonstranten durch die Stadt, rund 400 Menschen versammelten sich zu einem ökumenischen Friedensgebet in der Kreuzkirche. Auch in anderen Städten kamen Tausende zu Kundgebungen gegen Rassismus und Ausgrenzung.
Die Stimmung hatte sich im Vergleich zu den Vorwochen deutlich verschärft. Angekündigt war ein gemeinsames Weihnachtssingen vor der Semperoper. Zwar streuten die Veranstalter ab und zu Weihnachtslieder ein, aber tatsächlich wurden Verunglimpfungen von Politikern und Beschimpfungen von Medienvertretern ebenso begeistert bejubelt wie ausländerfeindliche Vorurteile. So wurde etwa von der Bühne herab gefragt, woher das "ganze Geld für die Asylanten" komme und behauptet, 70 Prozent der Ausländer seien unrechtmäßig in Deutschland.
Experten rechnen Teile der Bewegung dem rechtsextremen Spektrum zu. Genährt wird Pegida, die auch Menschen aus dem bürgerlichen Lager auf die Straße lockt, nach Ansicht von Sozialforschern auch von einer diffusen Angst vor sozialem Abstieg und die Wut darüber, dass die Politik ihre Sorgen angeblich nicht ernst nimmt.
Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, die Demonstranten sollten nicht "pauschal als rechter Mob" abgetan werden. "Dass Menschen bei uns auf die Straße gehen und sich zu Themen äußern, die sie beschäftigen, ist nicht nur zulässig, sondern in einer Demokratie normal", sagte der CDU-Politiker der "Welt". Er ermahnte die Teilnehmer aber, genau hinzuschauen, ob sie mit den Parolen der Veranstalter in Verbindung gebracht werden wollten. Grünen-Chef Özdemir hatte vor der Veranstaltung einen Dialog mit den Pegida-Demonstranten abgelehnt und eine "weinerliche Haltung" sowie "Gesülze" bei Politiker-Kollegen ausgemacht. Der Dresdner Politikwissenschafter Werner J. Patzelt empfiehlt Politik und Medien, das aufzugreifen, was hinter der Fassade steckt: "Was als Fremdenfeindlichkeit daherkommt, entpuppt sich so als sozialer Konflikt."
Deutsche Industrie gegen Pegida
Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, kritisierte die wöchentlichen Protestmärsche in Dresden und anderswo: "Von den Neonazis und Ausländerfeinden, die sich in Dresden und anderswo versammeln, distanziere ich mich ganz klar." Die Angst vor islamistischem Terror werde von Pegida instrumentalisiert, um eine ganze Religion zu verunglimpfen. "So etwas halte ich für absolut inakzeptabel. Gegen jede Fremdenfeindlichkeit müssen wir deutlich angehen", sagte der BDI-Chef, der die politischen Interessen von mehr als 100.000 Unternehmen mit gut acht Millionen Beschäftigten vertritt.
Grillo bekannte sich zudem klar zu mehr Zuwanderung und für die Aufnahme von Flüchtlingen: "Wir sind längst ein Einwanderungsland, und das müssen wir auch bleiben." Flüchtlinge sollten willkommen sein, sagte Grillo. "Als Wohlstandsstaat - und auch aus christlicher Nächstenliebe - sollte es sich unser Land leisten, mehr Flüchtlinge aufzunehmen."
Grillo kennt sich mit der Integration von Zuwanderern aus. Der 55-Jährige führt im Duisburger "Problemviertel" Marxloh ein Familienunternehmen, das vor allem Zink und Schwefel verarbeitet. "Bei uns im Unternehmen arbeiten seit Generationen Menschen aus vielen Nationen. Wir engagieren uns in unserem Stadtteil, das klappt."
Europas größte Volkswirtschaft mit einer immer älter werdenden Bevölkerung sei auf qualifizierte Menschen aus dem Ausland angewiesen. "Angesichts unserer demografischen Entwicklung sichern wir mit Zuwanderung Wachstum und Wohlstand." Grillo forderte zugleich die Politik auf, sich intensiver mit "Pegida" zu beschäftigen: "Die Politik muss viel stärker versuchen, den Bürgern diese Chancen zu vermitteln und Ängste zu nehmen."
In westdeutschen Städten blieb der Zulauf zu den islamkritischen Demonstrationen mit einigen Hundert Teilnehmern vergleichsweise gering. Wie in Dresden setzten allerdings auch in anderen Städten Tausende Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Fanatismus. Vor der Münchner Oper versammelten sich nach Angaben der Veranstalter an die 25.000 Menschen, in Kassel stellte eine Gegendemonstration mit 2000 Teilnehmern die Kundgebung einer Gruppe "Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes (Kagida)" in den Schatten.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa