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Paukenschlag aus Karlsruhe Scholz hat zwei Botschaften, aber noch keinen Plan

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Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen: Bundeskanzler Scholz in der Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag.

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(Foto: REUTERS)

Das Bundesverfassungsgericht erklärt einen nachträglichen Haushalt nicht nur für verfassungswidrig, sondern auch für nichtig - doch der Kanzler gibt sich betont entspannt. Anders sieht es beim CDU-Chef aus. Und auch der Wirtschaftsminister wirkt beunruhigt.

Zwei Botschaften hat Olaf Scholz mitgebracht, als er wenige Stunden nach der Urteilsverkündung im Bundestag auftritt. Am Morgen hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen Paukenschlag getan: Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro für die Folgen der Corona-Pandemie durften nicht in den sogenannten Klima- und Transformationsfonds verschoben werden. Karlsruhe erklärte den entsprechenden Nachtrag zum Haushalt 2021 für nichtig.

Aus Sicht der Unionsfraktion, die vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hatte, ist das Urteil eine historische Entscheidung, eine "Klatsche mit Doppelwumms", wie CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt urteilt. "Das hat es in der Geschichte dieser Republik noch nicht gegeben", sagt auch Fraktionsvize Mathias Middelberg im Bundestag, wo Scholz zur Mittagszeit sich einer Befragung stellen muss - einer regelmäßigen Veranstaltung, der sich Kabinettsmitglieder regelmäßig unterziehen müssen. Dass Scholz am Tag des Urteils an der Reihe ist, ist dem Zufall geschuldet.

Tiefgreifende Änderungen, aber immer mit der Ruhe

Die zwei Botschaften bringt der Kanzler gleich in seinem Eingangsstatement unter. Erstens: Es könne sein, dass das Urteil "eine sehr tiefgreifende Änderung der Haushaltspraxis" von Ländern und Bund zur Folge habe. Soll heißen: Die Union, die in einigen Ländern ja auch regiert, ist mit im Boot, sie hat sich möglicherweise selbst ins Knie geschossen. Nicht nur der Bund, auch die Bundesländer müssen darüber grübeln, was es für sie bedeutet, dass die Schuldenbremse künftig schwieriger zu umgehen ist, denn vergleichbare Regelungen finden sich auch in den meisten Landesverfassungen.

Zweite Botschaft: immer mit der Ruhe. Das geht wohl vor allem an die eigene Fraktion, wo die Aufregung am Morgen groß ist. Scholz dagegen gibt sich betont entspannt. "Ich bin überzeugt davon, dass es der Regierungskoalition gelingen wird, die richtigen Vorschläge zu machen", sagt er auf eine Frage des Grünen-Vizefraktionsvorsitzenden Andreas Audretsch, der letztlich wissen will, woher denn jetzt das Geld für die dringend notwendigen Investitionen kommen soll. Das könnte in der Tat schwierig werden. "Zuflüsse in Höhe von 60 Milliarden Euro aus dem Jahr 2021 stehen nun nicht mehr zur Verfügung", hatte Scholz im Kanzleramt gesagt. Der KTF soll jetzt zwar "zügig" überarbeitet werden. Aber woher soll das Geld kommen? Steuererhöhungen? Undenkbar mit der FDP. Einsparungen? Kaum möglich in dieser Größenordnung.

Alles soll seinen ruhigen Gang gehen

Was die grundsätzlichen Fragen angeht, soll es keinen Schnellschuss geben, sondern eine gründliche Prüfung. In krassem Widerspruch zu dieser Botschaft steht allerdings, dass Scholz unmittelbar vor seinem Auftritt im Bundestag zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner im Bundeskanzleramt vor die Kameras getreten war, um das Karlsruher Urteil zu kommentieren. Dort sagt Scholz im Wesentlichen das Gleiche wie später im Parlament. "Der Deutsche Bundestag wird seine Beratung über den Haushalt 2024 wie geplant fortsetzen", der Haushalt solle "planungsgemäß zur Abstimmung gestellt werden". Auch die Bereinigungssitzung, in der die Haushaltspolitiker des Bundestags letzte Hand an den Etatentwurf legen, soll planmäßig stattfinden. Gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Alles geht seinen ruhigen Gang. Das ist ganz wörtlich zu verstehen: "Jetzt gehen wir zum Bundestag", sagt Scholz im Kanzleramt und lacht dabei ein wenig.

Unmittelbare Konsequenzen gebe es nur für den Klima- und Transformationsfonds, daher müsse der entsprechende Wirtschaftsplan neu aufgestellt werden - eine Aufgabe des Bundesfinanzministers. Lindner hatte im Kanzleramt verkündet, dass er "eine Sperre des Wirtschaftsplans des Klima- und Transformationsfonds vorgenommen" habe. Eine Ausnahme davon gebe es lediglich für Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien im Gebäudebereich.

Wie Scholz betont auch Lindner, dass die Bundesregierung das Urteil selbstverständlich respektieren und es "sehr sorgfältig" auswerten werde. "Denn aus seinen Konsequenzen könnten sich auch Veränderungen für die Länderseite ergeben", betont auch der FDP-Chef. Einen Grund, die Haushaltsberatungen abzusagen, sieht er ebenfalls nicht. "Die Beratung des Etatentwurfs 2024 ist nach unserer aktuellen Einschätzung nicht von dem Urteil betroffen."

Union will Haushaltsberatungen sofort unterbrechen

Der Oppositionsführer sieht das völlig anders, zur Ruhe sieht Friedrich Merz keinerlei Anlass. Das Urteil entziehe der gesamten Haushaltsplanung der Bundesregierung die Grundlage. "Das ist das Ende aller Schattenhaushalte, jedenfalls derer, die schuldenfinanziert sind." Der CDU-Chef fordert die Bundesregierung auf, die Haushaltsberatungen sofort zu unterbrechen, damit der nächste Haushalt verfassungsgemäß werde. Und auch Merz hat eine Botschaft: Einer Lockerung der Schuldenbremse werde die Union keinesfalls zustimmen. Aber das ist heute nur eine Fußnote - mit der FDP wäre das ohnehin nicht möglich.

Darüber hinaus werde die Unionsfraktion prüfen lassen, ob das Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch auf den Wirtschaftsstabilitätsfonds übertragbar sei, droht Merz. Der WSF war 2020 ebenfalls während der Coronakrise aufgelegt worden. Der Topf ist ebenfalls schuldenfinanziert, vor allem die Energiepreisbremsen werden daraus bezahlt.

Das wären weitere schlechte Nachrichten für Habeck. Der grüne Wirtschaftsminister ist der einzige aus dem Ampel-Trio, der beim Auftritt im Kanzleramt beunruhigt wirkt. Er zählt auf, wofür der Klima- und Transformationsfonds eingesetzt wird und was "normale Bürgerinnen und Bürger" davon haben. Er hoffe, dass die Arbeit am neuen Wirtschaftsplan "zeitnah beginnt und beendet wird". Sicher, dass dies gelingt, scheint er nicht zu sein.

Quelle: ntv.de

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