Politik

Der gute Staat, der böse Protest Scholz wäscht sich die Weste rein

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Olaf Scholz möchte jetzt mit den Hamburgern ins Gespräch kommen.

(Foto: picture alliance / Daniel Bockwo)

Wer trägt Schuld am G20-Debakel? Die Polizei ist es nicht, die Politik sowieso nicht. Hamburgs Bürgermeister Scholz teilt die Welt an der Elbe in Gut und Böse auf.

Mit einer Mischung aus Nachdenklichkeit und Selbstbewusstsein hat sich Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz nach dem katastrophalen G20-Wochenende in der Hansestadt an die Bürgerschaft gewandt. Rücktrittsforderungen hatte der SPD-Politiker ja bereits im Vorfeld seiner mit Spannung erwarteten Regierungserklärung abperlen lassen. Und so blieb bei seiner Ansprache nicht viel Platz für Selbstkritik. Einzig: Scholz bittet um Entschuldigung. Dafür, dass es "nicht durchweg" gelungen sei, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. "Die Sicherheitsbemühungen haben nicht gereicht, um der neuen Dimension von Gewalt Herr zu werden", sagt Scholz. Und damit steht die Linie seiner folgenden Worte fest. Die Vorbereitung des Gipfels: exzellent. Die Polizei: fehlerfrei. Die Schuldigen für die Eskalation: die Demonstranten.

Und verantwortlich sind Scholz zufolge noch andere. Nämlich all jene, die Linksradikale unterstützen und ihnen Logistik bieten. Allen voran die Rote Flora, deren Erhalt er selbst 2014 ermöglichte, als die Stadt das besetzte Gebäude von einem privaten Investor zurückkaufte. Äußerungen von Sprechern des linksautonomen Zentrums nannte er "beschämend, menschenverachtend und einer Demokratie nicht würdig". Und auch die Fraktion der Linken griff er frontal an: "Ich finde es unerträglich, dass sich sogar Mitglieder der Bürgerschaft mit denen unterhaken, die am Abend vorher ganze Straßenzüge verwüstet haben."

Olaf Scholz, der den G20-Gipfel unbedingt in Hamburg haben wollte, ist schwer in die Kritik geraten. Warum musste das Treffen unbedingt inmitten einer Großstadt stattfinden, die für ihre militante linke Szene bekannt ist? Warum nur einen Steinwurf von der linksautonomen Roten Flora entfernt? Fragen, die er während seines Auftritts aufgreift. "War es das wert?", fragt Scholz betroffen. Ein "Ja" bringt er nicht hervor. Aber er zählt die Errungenschaften des Spitzentreffens auf: eine gemeinsame Linie in der Klima-Politik gegen Trump, mehr Freihandel, ein Waffenstillstand in Südwestsyrien (der wohlgemerkt bereits im Vorfeld des Gipfels ausgehandelt wurde), mehr Hilfe für notleidende Staaten in Afrika. "Diese Inhalte wurden als erstes aus der Öffentlichkeit verdrängt."

Der Traum von Weltpolitik an der Elbe

Hamburg als Bühne für Weltpolitik - das war es, was Scholz von Beginn an für den Gipfel begeisterte. Das war es, was viele Hamburger an dem Gipfel begeisterte. Und das war es, was viele Hamburger vor einem solchen Gipfel fürchten ließ. Scholz drückte den Gipfel durch - gegen alle Widerstände. Kritiker warfen der rot-grünen Regierung in Hamburg vor, sich um jeden Preis im Blitzlicht der Weltpolitik sonnen zu wollen. Viele berichteten, dass es statt Dialog und Vorbereitung im Vorfeld vor allem immer darum ging, an der Polizeitaktik zu arbeiten.

Diese Taktik ist inzwischen von vielen Seiten heftig unter Beschuss genommen worden. Scholz aber verteidigt das Vorgehen der Polizei vehement: "Die Wurzeln der Gewalt liegen (...) nicht bei der Polizei, sondern nur bei diesem gewalttätigen Mob." Wenn sich jemand nicht eingestehen möchte, dass er einen Fehler gemacht hat, kann er stattdessen darauf verweisen, dass alles noch schlimmer hätte kommen können. Und so sagt Scholz: "Ich bin froh, dass kein Mensch ums Leben gekommen ist."

Der Hamburger Bürgermeister teilt die Welt des G20-Treffens in Gut und Böse auf. Hier der gute Staat, dort die bösen gewaltbereiten Demonstranten. Und auch wenn es inzwischen mehr als ausreichend Belege dafür gibt, dass die Eskalation im Lager der Linksextremen entstanden ist, so ist es doch naiv davon auszugehen, dass sich 20.000 Polizisten vorbildlich verhalten hätten. Denn auch dafür gibt es inzwischen ausreichend Belege: Zur Eskalation hat punktuell auch Gewalt durch Polizisten beigetragen. Doch für Scholz steht fest: Der größte Polizeieinsatz der Hamburger Nachkriegsgeschichte war vorbildlich, der Gipfel war ein voller Erfolg, an den schlimmen Bildern sind einzig und ausschließlich linksextreme Chaoten schuld, so einfach scheint das. "Verantwortlich sind einzig und allein die kriminellen Straftäter."

Olaf Scholz erzählt am Ende seiner Rede, wie er auf der Schanze Plakate mit der Aufschrift "Herr Scholz, wir müssen reden", gesehen hat. Das wolle er nun tun. Er will mit den Hamburgern ins Gespräch kommen. Jetzt, wo der Gipfel vorbei ist, die Politiker abgereist sind, Entschädigungen für Betroffene fließen sollen, wo all den Hamburgern, die von einem katastrophalen Wochenende entnervt sind, eine Entschuldigung ausgesprochen wurde. Jetzt will Olaf Scholz, der die Aufarbeitung des G20-Gipfels gerne auf eine Unterteilung in Gut und Böse vereinfachen will, reden. Fraglich ist nur, ob die Hamburger das auch noch wollen.

Quelle: ntv.de

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