Opposition warnt vor Polizeistaat Türkische Polizisten bekommen mehr Macht
27.03.2015, 14:11 Uhr
Die türkische Polizei steht spätestens seit den Gezi-Protesten im Ruf, übermäßig hart gegen Regierungskritiker vorzugehen.
(Foto: REUTERS)
Die türkische Polizei steht spätestens seit den Gezi-Protesten 2013 wegen ihres gewaltsamen Vorgehens in der Kritik. Ein neues Gesetz gibt den Ordnungshütern künftig noch mehr Vollmachten. Kritiker von Präsident Erdogan befürchten den Weg in einen Polizeistaat.
Vor der anstehenden Parlamentswahl in der Türkei wird die wegen ihres oft brutalen Vorgehens umstrittene Polizei mit deutlich mehr Vollmachten ausgestattet. Das Parlament in Ankara verabschiedete ein Gesetzespaket, das unter anderem das Demonstrationsrecht verschärft, wie die offizielle Nachrichtenagentur Anadolu meldete. Demnach sollen Polizisten künftig in bestimmten Situationen auf gewalttätige Demonstranten schießen dürfen, ohne selber angegriffen worden zu sein. Durchsuchungen und Festnahmen sollen erleichtert werden.

Im Februar hatte die geplante Ausweitung der Polizeibefugnisse mehrfach Prügeleien im türkischen Parlament ausgelöst.
Präsident Recep Tayyip Erdogan, der die Änderungen noch unterzeichnen muss, hatte für das Paket geworben. Die Opposition hatte dagegen vor der Abstimmung vor einem "Polizeistaat" gewarnt. Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP rechtfertigte die Reformen mit Unruhen im Oktober im kurdisch geprägten Südosten der Türkei, bei denen mindestens 40 Menschen starben.
Das Gesetz sieht unter anderem ein Vermummungsverbot bei Kundgebungen vor. Verstöße sollen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden, wenn bei der Demonstration für Terrororganisationen geworben wird. Die Aufsicht unabhängiger Richter und Staatsanwälte über die Polizei soll geschwächt werden. Gleichzeitig sollen die von der Regierung ernannten Gouverneure mehr Einfluss auf die Sicherheitskräfte bekommen. Das Tragen von Molotow-Cocktails, Steinschleudern oder Feuerwerkskörpern bei Demonstrationen soll mit bis zu vier Jahren Haft bestraft werden.
Schlägereien im Parlament
Während der Parlamentsdebatten war es zu Schlägereien zwischen AKP-Abgeordneten und der Opposition gekommen. Die türkische Polizei steht nicht erst seit den regierungskritischen Protesten im Sommer 2013 wegen ihres brutalen Vorgehens immer wieder in die Kritik. Die Proteste wurden ausgelöst von Plänen der Regierung, den Gezi-Park in Istanbul zu bebauen.
Menschenrechtsgruppen waren vor der Parlamentsabstimmung Sturm gegen die Reform gelaufen. Die Organisation Human Rights Watch kritisierte besonders, dass Polizisten bereits auf bewaffnete Demonstranten schießen dürfen, wenn diese versuchen, Gebäude oder Fahrzeuge anzugreifen. Die Regierung beharrte darauf, dass das neue Gesetz mit EU-Vorgaben vereinbar sei. Experten äußerten daran Zweifel.
Aus Sicht der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP gefährden die Reformen den Friedensprozess mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Zuletzt hatte der für den kurdischen Friedensprozess zuständige Vizepremier Yalcin Akdogan die Haltung der HDP bei den Friedensverhandlungen scharf kritisiert. Einige Beobachter in Ankara erwarten, dass die AKP vor der anstehenden Parlamentswahl am 7. Juni einen nationalistischeren Kurs steuern wird, um rechtsgerichtete Wähler anzusprechen.
Quelle: ntv.de, cri/dpa/AFP