Politik

Luisa Neubauer lobt Scholz "Überrascht, als er das dann wirklich gemacht hat"

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Fridays-for-Future-Aktivistinnen demonstrieren bei der Weltklimakonferenz in Dubai.

Fridays-for-Future-Aktivistinnen demonstrieren bei der Weltklimakonferenz in Dubai.

(Foto: picture alliance/dpa/AP)

Die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer ist nicht gerade bekannt für warme Worte über den Kanzler. Dessen Auftritt bei der Klimakonferenz aber sei "wirklich wichtig" gewesen. Scholz' Forderung nach einem Ausstieg aus fossiler Energie wertet sie auch als eigenen Erfolg. Nun brauche die Ampel "eine Ansage".

Auf den ersten Blick sieht es eher traurig aus: Gut 16 Aktivisten stehen in der sengenden Sonne und halten selbst gebastelte Schilder hoch. Davor versammeln sich mindestens genauso viele Journalisten. Sie alle blockieren den Eingang zum Pavillon Singapurs, der mit der ganzen Sache nichts zu tun hat. Eine verzweifelte Pressevertreterin bittet die anwesenden Kameraleute, die Flagge aus dem Bild zu halten. Aber es führt kein Weg daran vorbei: Nur hier dürfen die Aktivisten überhaupt demonstrieren. Von den großen Protestmärschen von Fridays for Future ist auf dieser Klimakonferenz nicht viel übrig.

Die Vereinten Nationen geben strenge Regeln vor: Jede Demonstration muss angemeldet und genauestens abgestimmt werden. Und trotzdem ist Luisa Neubauer überzeugt davon, dass ihre Anwesenheit einen Unterschied macht: "Wir können Druck ausüben und wir können auch Erfolge erzielen", sagt sie im Interview mit RTL und ntv. Der umstrittenste Punkt auf dieser Klimakonferenz ist die Frage, ob sich die Weltgemeinschaft auf einen Ausstieg aus den fossilen Energien einigen kann. Auch für Deutschland sei diese Formulierung nicht offensichtlich, sagt Neubauer. Und da komme sie ins Spiel: "Jetzt haben wir ja mit Herrn Scholz persönlich darüber sprechen können und ihn explizit aufgefordert, (…), sich einzusetzen für einen globalen Ausstieg aus fossilen Energien. Und ich würde sagen, er hat fast überrascht, als er das dann wirklich gemacht hat."

Der Kanzler habe sich auf großer Bühne für einen Ausstieg eingesetzt. Dem müssten jetzt zwar noch Taten folgen, aber die Ankündigung sei "wirklich wichtig" gewesen.

Riss geht durch Fridays for Future

Parallel zu der kleinen Protestaktion versammeln sich direkt am Eingang der Klimakonferenz medienwirksam deutlich mehr Menschen mit Palästinenser-Schals. Sie verlesen Namen und Alter der palästinensischen Todesopfer in Gaza. Die israelischen Opfer werden nicht erwähnt. Auch das ist ein Grund, warum die Protestaktion von Fridays for Future so viel kleiner ausfällt als sonst. Die deutsche Gruppe hat sich von Fridays for Future International wegen deren teils antisemitischer Aussagen distanziert. Internationale Kooperation gibt es nur noch bedingt. "Was gerade ins Wanken gekommen ist, das kann man schon sagen, ist so eine gemeinsame Geschichte und die Identität, die dahintersteckt", sagte Neubauer. Man wolle sich jetzt erst mal zwei Monate Zeit nehmen, um zu überlegen, wie es weitergehen könne.

"Ich würde schon sagen, dass ich persönlich unterschätzt habe, wie kontrovers anscheinend doch Dinge sind, die in meinem Werteverständnis und in unserem Werteverständnis in Deutschland gesetzt waren", sagt Neubauer. Zugleich setze sich die deutsche Sektion von Fridays for Future seit zwei Jahren auch aktiv gegen Antisemitismus in Deutschland ein. Die Gruppe sei also nicht völlig naiv und blind, sondern habe sich entsprechend vorbereitet. "Und auch das ist der Grund, warum wir jetzt hier sein können als deutsche Bewegung", so Neubauer. "Wir sind hier bei der Klimakonferenz, bei dem Ort, wo gerade bahnbrechend wichtige Entscheidungen getroffen werden, die alle Menschen auf der Welt betreffen. Und wir können das machen, weil wir einen Rückhalt haben, weil uns zu Hause nicht der Laden hinter uns zusammenfällt, wie das zum Beispiel gerade bei der Bundesregierung der Fall ist."

"Wir verschulden uns schon jeden Tag"

Deutschland präsentiert sich auf der Klimakonferenz als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Dabei erschüttert daheim das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse die Klimapolitik der Bundesregierung. Man sehe jetzt, dass das Versprechen "von wegen ein bisschen Klimaschutz und ein bisschen alles andere", nicht aufgehe, sagte Neubauer. Das bedeute auch, dass es für Fridays for Future viel zu tun gebe: "Ein großer Teil davon wird sicherlich auch die Schuldenfrage sein." Es brauche da einen großen Umschwung in der politischen Denke, sagte Neubauer.

Deutschland müsse die Realität anerkennen. "Wir verschulden uns heute schon jeden Tag als Bundesrepublik. Wir verschulden uns an den Lebensgrundlagen, wir verschulden uns an den jungen Generationen, an dem Globalen Süden und an der Zukunft", so Neubauer. Diese Verschuldung finde jeden Tag statt, an dem die Klimaziele nicht eingehalten würden und nicht in den Umbau der Wirtschaft investiert werde.

An mehr Klimaschutz durch die amtierende Regierungskoalition glaubt die Aktivistin kaum noch. Solange sich diese Koalition selbst belüge und glaube, es gebe eine Arbeitsgrundlage, die gerade offensichtlich nicht da sei, solange fände sie es naiv, daraufzusetzen, dass man dieses Land wirklich voranbringen könne, sagte Neubauer. Die Ampel habe sich ein Märchenhaus aus einer scheinbaren Einigkeit aufgebaut, die es dann gar nicht gebe, wenn es hart auf hart komme. "Und in dem Sinne, glaube ich, ist der Kanzler vor allem sehr, sehr gut beraten, sich mal zu überlegen: Wofür macht man denn die Politik und wo braucht es dann auch vielleicht mal eine Ansage?"

Quelle: ntv.de, cpf

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