Politik

Person der Woche Vier Fehler: So verspielt Robert Habeck die Kanzlerkandidatur

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Habeck hat spürbar an Zuspruch verloren.

Habeck hat spürbar an Zuspruch verloren.

(Foto: picture alliance/dpa)

Deutschland schaltet in dieser Woche alle Atomkraftwerke ab. Ältere Grüne jubeln, doch zwei Drittel der Deutschen halten das für einen Fehler. Robert Habeck verliert nach Gasumlagen- und Heizverbotsdebakeln damit weiter an Autorität - und vermasselt sein Kanzlerprojekt 2025.

Vor Jahresfrist war Robert Habeck Deutschlands beliebtester Politiker, die Grünen erreichten Umfragewerte von 25 Prozent, weit vor der SPD und erstaunlich nahe an der Union. Habeck wuchs in die Rolle des gefühlten Kanzlerkandidaten, Scholz wirkte schon schwach und Merz noch nicht so stark. "Habeck 2025" klang für viele wie eine Verheißung.

Inzwischen hat sich das Bild umgekehrt. Die Grünen sacken in Umfragen immer weiter ab und liegen nurmehr bei 15 bis 18 Prozent - hinter oder höchstens gleichauf mit der SPD, eine zweistellige Zahl an Prozentpunkten hinter der Union und nur knapp vor der AfD. Das heißt: Die Grünen haben in nur einem Jahr jeden dritten Sympathisanten verloren und damit den Nimbus als neue Volkspartei der linken Mitte. Selbst in ihren städtischen Hochburgen Berlin, Frankfurt, Mainz und Darmstadt fahren sie plötzlich eine Serie von Wahlniederlagen ein.

Der Absturz wird nicht zuletzt mit Robert Habeck in Verbindung gebracht. Während Annalena Baerbock und Cem Özdemir in ihren Ministerämtern recht gute Figuren machen, stolpert Habeck von einem Problem ins nächste. Im Führungskreis der Grünen wird schon geraunt, dass er seine Kanzlerkandidatur 2025 "gerade richtig versemmelt". Es sind vier Dinge, die momentan bei ihm schieflaufen.

Erstens macht Habeck im Ministeramt zu viele grobe handwerkliche Fehler. Von der grotesk gescheiterten Gasumlage bis zu den unausgegorenen Heizungsverboten reicht die Kette von Fehlplanungen im Wirtschaftsministerium. Habecks Initiativen sind regelmäßig schlecht vorbereitet, nicht abgestimmt mit anderen Ministerien, in Gegnerschaft zu Wirtschaft und Mehrheitsmeinung. Im Ministerium misslingt ihm die Mobilisierung erfahrener Sachkompetenz. In der Scharnhorststraße fallen Sätze wie: "Habeck umgibt sich im Führungskreis mit den falschen Leuten." Er habe zwar viele Planstellen in seinem Ministerium teuer und neu besetzt, aber an der Spitze fehle es den Staatssekretären schlichtweg an Professionalität und Wirtschaftssachverstand.

Tatsächlich machte Habeck gleich zwei beinharte, wirtschaftsferne Lobbyisten zu Staatssekretären: Der Attac-Aktivist Sven Giegold avancierte zum Staatssekretär und ebenso Patrick Graichen. Dieser Ex-Direktor der Erneuerbaren-Lobbygruppe Agora soll als rechte Hand Habecks die gesamte Energiewende steuern. Gerade Graichen produziert dabei mehr ideologische Konzepte als mehrheitsfähige Politik. Es fehlt Habeck, als Philosoph selbst eher fachfremd, im Zentrum der Macht an ökonomischem Sachverstand, an politischen Brückenbauern und professionellen Ingenieuren der Macht.

Zweitens sucht sich Habeck die falschen Gegner. So arbeitete er sich im politischen Wettstreit monatelang an der FDP ab. Christian Lindner und Volker Wissing wurden aus seinem Umfeld eifrig als die Sündenböcke einer stockenden Ampelpolitik dargestellt. Doch sein eigentlicher Wettbewerber sind nicht die Liberalen, es sind die Sozialdemokraten. Die SPD hat ein massives Interesse daran, die Grünen nicht zur neuen Volkspartei heranwachsen zu lassen. Und Habeck wird vom Willy-Brandt-Haus gezielt geschwächt, weil man ihn als perspektivischen Konkurrenten für Olaf Scholz wähnt.

Daher rüffelt SPD-Parteichef Lars Klingbeil gerne auch öffentlich die vielen "handwerklichen Fehler" Habecks. Die Genossen stellen den Wirtschaftsminister regelmäßig als Luftikus und Schwätzer dar: "Am Ende zählen in der Politik nicht nur schöne Worte­, es muss vor allem die Substanz stimmen." SPD-Fraktions­vize Dirk Wiese ätzt: "Das Prinzip Habeck geht so: ­Auftritte filmreif, handwerk­liche Umsetzung bedenklich und am Ende zahlt der Bürger drauf." Die falsch gewählte Gegnerschaft führt machtpolitisch dazu, dass Habeck in der Öffentlichkeit als freundlich, aber schwach wahrgenommen wird - und in den entscheidenden Koalitionsrunden einem Zweckbündnis von Liberalen und Sozialdemokraten gegenüber steht und regelmäßig den Kürzeren zieht.

Drittens ist Habeck als rhetorischer Taktiker und menschlicher Sympath immer wieder gewinnend - aber als operativer Stratege merkwürdig schwach. Russlands Angriffskrieg hat Deutschland in eine massive Energiekrise gestürzt. Damit ist das politische Handlungsfeld neu definiert, die Wettbewerbslage des Standorts dramatisch geschwächt. Habeck müsste darauf strategische Antworten finden, denn es sind nicht nur die Strom-, Gas- und Ölpreise explodiert, es steht die Versorgungssicherheit des gesamten Industriestandortes auf dem Spiel. Die Inflation ist brisant und eine dräuende Rezession bedroht Millionen deutscher Arbeitsplätze. Bei energieintensiven Fabriken für immer: Denn mit den höchsten Energiepreisen, Löhnen, Steuersätzen und Sozialabgaben der Welt dürften zentrale Wertschöpfungsketten des industriellen Produktionsnetzwerks reißen und final ins Ausland abwandern. Kurzum, der Industriestandort Deutschland steht auf dem Spiel.

Als Wirtschaftsminister im Gefolge Ludwig Erhards wird er letztlich daran gemessen, ob er den Wohlstand für alle mehrt oder mindert. Längerfristig wird er nur als erfolgreicher Minister wahrgenommen, wenn er die deutsche Wirtschaft und das Bürgertum stärkt und nicht schwächt. Habeck aber entscheidet sich in der Tagespolitik nur für klimapolitische Maßnahmen, nicht aber für standortpolitische. Es entsteht der Eindruck, dass seine Politik die deutsche Wirtschaft tendenziell schwächt, dem Klima aber nicht wirklich helfen kann. Sein Instrumentenkasten zur Durchsetzung der Klimawende wirkt merkwürdig gestrig aus Verboten, Reglementierungen und Planwirtschaftselementen - anstatt wie die USA über Anreize die grüne Wende zu mobilisieren. Mit der Verbotspolitik findet er jedenfalls keinen Rückhalt in der Bevölkerung. So sind 79 Prozent der Deutschen gegen sein geplantes Öl- und Gasheizungsverbot.

Viertens wird Habeck tragisches Opfer alter ideologischer Verkrustungen bei den Grünen. Obwohl er persönlich zu den liberal denkenden Realos in seiner Partei gehört, wagt er es nicht, den linken Fundis wirklich Paroli zu bieten. Er verweigert die Nutzung heimischer Gasreserven und erschwert die Nutzung von Wasserkraft. Bei der nötigen Nutzung von deutschen Atomkraftwerken stellt er sich sogar radikal quer wie ein betagter Gorleben-Demonstrant. Er bleibt damit ideologisch gefangen in den Haltungen einer alten Grünen-Generation. Während die Mehrheit der Deutschen und auch die neue Generation junger Grüner - bis hin zu Greta Thunberg - in der Atomkraft eine vernünftige Option der Klimakrisenbekämpfung sehen, folgt Habeck der Generation Trittin.

Habeck hätte sich als Kompromiss leicht mit FDP und SPD auf einen zweijährigen Weiter- und Auslaufbetrieb einlassen können. Doch er hat sich für die Fundi-Option entschieden und damit im weiten Kreis der Bevölkerung den Eindruck erweckt, dass er als Kanzler der Mitte doch nicht taugen würde. Mitten im Gaskrieg Russlands ohne Not die letzten Atomkraftwerke abzuschalten, die zehn Millionen Deutsche mit Strom versorgen, trifft in der Bevölkerung auf breites Unverständnis. Der eigene Koalitionspartner Christian Lindner bringt es so auf den Punkt: Der "befristete Weiterbetrieb der 3 sicheren Kernkraftwerke hätte dreifachen Nutzen: Physikalisch verhindern wir Blackouts. Ökonomisch schaffen wir Kapazitäten, die die Strompreise dämpfen. Politisch signalisieren wir, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun."

Habeck steht mit seiner Ausstiegsentscheidung nun ziemlich alleine da: So meldet die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien einen globalen Nachfrageschub nach Atomkraftwerken, derzeit seien 52 neue Atomkraftwerke im Bau. Alleine in China sind 13 neue Kernkraftwerke im Bau. Aber auch Indien setzt massiv auf Atomenergie und hat jetzt 7 neue Meiler im Bau. Das kleine Südkorea baut 4 neue Kernkraftwerke, Frankreich investiert massiv. Laut IAEA wollen derzeit 28 Staaten neu in die Kernkraft einsteigen, darunter auch Deutschlands Nachbar Polen. Wie Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, so sieht auch der IAEA-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi die Atomenergie als einen Schlüssel im Kampf gegen den Klimawandel: "Ein Erreichen der globalen Klimaziele ist ohne Atomkraft nicht möglich. Kernenergie ist Teil der Lösung." Grossi hält Deutschlands Ausstieg für einen "einmaligen Sonderweg", der in Bezug auf das Klima und das Zwei-Grad-Ziel nicht wissenschaftlich begründbar sei.

Und so wird die Abschaltung der Atomkraftwerke für Robert Habeck zu einem altgrünen Pyrrhussieg. Die betagten Öko-Fundis mögen jubeln. Die Weltöffentlichkeit und die breite Mehrheit der Deutschen aber hat er eher gegen sich. Je nach Umfrage sind zwischen 60 und 80 Prozent der Deutschen gegen die völlige Abschaltung der Atomkraftwerke zum jetzigen Zeitpunkt. Für Kanzlerambitionen ist der Vorgang Gift, denn er wird bis zur Bundestagswahl 2025 an Habeck kleben bleiben wie ein Aufkleber auf der Stirn: "Kanzlerschaft, nein danke!"

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen