Politik

Ein befremdliches Bündnis Warum Grüne nicht mit Schwarzen koalieren dürfen

Katrin Göring-Eckardt und Angela Merkel werden sich in Sondierungsgesprächen womöglich bald gegenübersitzen.

Katrin Göring-Eckardt und Angela Merkel werden sich in Sondierungsgesprächen womöglich bald gegenübersitzen.

(Foto: imago stock&people)

Der Union fehlt ein Koalitionspartner. Das allein rechtfertigt aber nicht, dass sich Grüne zu einem Bündnis hinreißen lassen. Die Parteien trennt noch immer zu viel.

"Angenähert". Das ist ein Wort, das oft fällt, wenn es um das Verhältnis von Grünen und Union geht. Einst politische und kulturelle Gegenpole, verbindet die Parteien heute scheinbar viel. Und jetzt, da sich die Regierungsbildung schwierig gestaltet, fragt sich die Republik: Warum eigentlich nicht? Was spricht dagegen, dass die Grünen erstmals eine Koalition mit CDU und CSU im Bund wagen?

Tatsächlich haben sich die Parteien "angenähert". Die Grünen dürfen sich trotzdem nicht auf ein Bündnis einlassen. Denn nah stehen sie den Kollegen der Union noch lange nicht. Ließen sie sich jetzt auf einen Pakt mit Kanzlerin Angela Merkel ein, würden die Grünen ihre Glaubwürdigkeit verspielen.

Merkel und der neue grüne Pazifismus

Grüne im Bundestag: In den 1980er Jahren sorgte das noch wahlweise für Lacher oder Entsetzen auf der unionsdominierten Regierungsbank.

Grüne im Bundestag: In den 1980er Jahren sorgte das noch wahlweise für Lacher oder Entsetzen auf der unionsdominierten Regierungsbank.

Natürlich, in einer Schwarz-Grünen Koalition wäre vieles möglich. In der Europapolitik haben die Grünen die Union schon in den vergangenen Jahren stets gestützt – Debatten über Eurobonds und Schuldentilgungspakte hin oder her.

Auch in der Außenpolitik sind die Parteien kaum mehr zu unterscheiden. Kanzlerin Merkel versucht sich, wenn irgend möglich, herauszuhalten aus internationalen Konflikten. Das zeigte sich beim Nato-Einsatz in Libyen und das offenbart jetzt die Haltung der Bundesrepublik im Syrienkonflikt. Ähnlich ist die Linie der Grünen. Von radikalen Pazifisten verwandelten sie sich im Zuge des Kosovokrieges in eine Partei, die zur Not Auslandseinsätze der Bundeswehr billigt. Solange es sich aber irgendwie rechtfertigen lässt, meiden die Grünen Intervention.

Auch, dass beide Parteien auf den Atomausstieg setzen, ist ein Fakt. Dass die Union eine erneute Kehrtwende plant, bislang nicht mehr als ein Gerücht.

Katholik oder Kommune Eins?

Selbst kulturell stehen sich die Parteien dieser Tage näher denn je. Katholischer Spießbürger auf der einen und der Geist der Kommune Eins auf der anderen Seite – dieses Klischee trifft die Verhältnisse schon lange nicht mehr. Unumstrittene Nummer Eins der Union ist heute kein knarziger Konservativer, sondern eine Frau, die alles andere als dogmatisch daherkommt. Und von den Revoluzzern der Gründergeneration der Grünen ist in der Parteispitze niemand mehr vertreten. Derzeit entfaltet sich in der Truppe vielmehr ein Kampf um die stärkste realpolitische Position.

Der linke Obergrüne Jürgen Trittin tritt ab, ein unbekannter und noch wenig beschlagener Linker wird ihn ersetzen. Unterdessen liefern sich die Realas Katrin Göring-Eckardt und Kerstin Andreae ein Duell um den Fraktionsvorsitzendenposten ihres Flügels und werben beide mit dem Credo: Ab in die gesellschaftliche Mitte. Entweder wird künftig also eine Christin mit Hang zur Sozialpolitik die gefühlte Nummer Eins der Grünen sein oder eine Volkswirtin mit besten Verbindungen in die Wirtschaft.

Unionsschreck Vermögenssteuer

Im Wahlkampf hatten die Grünen kaum ein gutes Wort für die Regierung von Kanzlerin Merkel übrig.

Im Wahlkampf hatten die Grünen kaum ein gutes Wort für die Regierung von Kanzlerin Merkel übrig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Trotzdem: Der Eindruck, dass einer Koalition nichts mehr im Wege steht, trügt: Am deutlichsten zeigt das die Steuerpolitik. CDU und CSU setzten auf moderate Steuererleichterungen, indem sie Maßnahmen ergreifen wollen, um die kalte Progression zu bekämpfen. Jenen Effekt, der dazu führt, dass das Realeinkommen bei leichten Lohnerhöhungen aufgrund von Steuerprogression und Inflation sinkt. Die Grünen haben sich im Bundestagswahlkampf dagegen auf Steuererhöhungen festgelegt. Dazu zählt ein neuer Spitzensteuersatz von 49 Prozent.

Hier ist zwar noch ein Kompromiss denkbar. Bei der geforderten Vermögensabgabe der Grünen und spätestens bei einer Vermögenssteuer ist ein Deal mit der Union kaum vorstellbar. Wenn dann noch die schrittweise Abschaffung des Ehegattensplittings hinzukommt und echte Mindestlöhne obendrauf, knirscht es zu sehr.

Roland Koch lässt grüßen

Unübersehbar sind auch die Unterschiede in der Zuwanderungspolitik. Schrille Wahlkämpfe à la Roland Koch ("Wir haben zu viele kriminelle jugendliche Ausländer") führt die Union nicht mehr. Zwar subtiler, aber nicht weniger fragwürdig appelliert dieser Tage aber auch CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich an die abweisenden Reflexe, die sich schon Koch zu Nutze machen wollte. Mit Kampagnen gegen "Armutseinwanderung" und angeblichen Sozialsystembetrügern aus Rumänien und Bulgarien,

Die Grünen setzten dagegen seit jeher auf eine Willkommenskultur, auf großzügige Gesten. Ein prominentes Beispiel ist die doppelte Staatsbürgerschaft. Schwer vorstellbar, dass sie die in einer schwarz-grünen Koalition umsetzen könnten.

Vorrang für die Wirtschaft

Obwohl sich Grüne und Schwarze in der Atompolitik einig sind, wenn es um die Energiewende geht, folgen beide Parteien noch immer gänzlich unterschiedlichen Philosophien. Für die Union gilt: Die Energiewende darf sich nur so schnell vollziehen, dass sie der Wirtschaft nicht schadet. Die Partei setzt so großzügig auf Subventionen, dass selbst die Betreiber von Braunkohletagebauen sich nicht an den Kosten des Umbaus der Stromversorgung beteiligen müssen. Beim Handel mit Verschmutzungsrechten in der EU vertraut die Union zudem auf die Kräfte des Marktes. Sie sperrt sich gegen eine Novelle des Zertifikatehandels, obwohl der CO2-Ausstoß selbst in Deutschland im vergangenen Jahr wieder angestiegen ist.

Bei der Energie- und Umweltpolitik setzten die Grünen andere Schwerpunkte. Ihre Ziele haben sie klar definiert: 40 Prozent weniger CO2-Außstoß im Vergleich zum Jahr 1995 bis 2020 und einen Anteil von 100 Prozent erneuerbare Energien am Strommix bis 2030. Wirtschaftliche Interessen sind ihnen angesichts des Klimawandels zweitrangig.

2017 sieht die schwarz-grüne Welt vielleicht anders aus

Differenzen wie diese lassen sich in Koalitionsverhandlungen nicht glaubwürdig überbrücken. Und Glaubwürdigkeit ist noch in einem weiteren Zusammenhang ein entscheidendes Stichwort. Die Grünen haben sich zwar vor einem bindenden Ausschluss von Schwarz-Grün gedrückt, doch im Wahlkampf haben sie fast schon penetrant gepredigt, dass sie nicht mit der Union regieren wollen. Sollten sich jetzt trotzdem die Befürworter einer schwarz-grünen Koalition durchsetzen, die Partei müsste sich zu Recht den Vorwurf des Wahlbetrugs gefallen lassen.

Vor der nächsten Bundestagswahl können sich die Grünen nicht mit Anstand auf eine Koalition mit der Union einlassen. 2017 ist sicherlich mehr möglich. Vorausgesetzt allerdings, dass sich die Parteien bis dahin noch weiter annähern. Und vorausgesetzt, dass die Grünen sich schon im Wahlkampf zu einer möglichen Regierung mit CDU und CSU bekennen.

Quelle: ntv.de

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