Politik

Lahme Ente an der Spree Was will Obama jetzt noch in Berlin?

Barack Obama nach seiner Ankunft in Tegel.

Barack Obama nach seiner Ankunft in Tegel.

(Foto: AP)

Macht hat US-Präsident Barack Obama keine mehr. Trotzdem reist er noch einmal durch die Welt. In Berlin trifft er Bundeskanzlerin Merkel gleich drei Mal.

Damals hatte er noch keine Macht, jetzt hat er keine mehr. Achteinhalb Jahre nach seinem Auftritt mit "hope" und "change" an der Siegessäule ist Barack Obama noch einmal nach Berlin gekommen – als lahme Ente. So werden scheidende US-Präsidenten in den Wochen zwischen der Präsidentschaftswahl und dem 20. Januar genannt, dem Tag der Amtseinführung des jeweiligen Nachfolgers.

Da war er noch Senator: Barack Obama am 24. Juli 2008 an der Siegessäule.

Da war er noch Senator: Barack Obama am 24. Juli 2008 an der Siegessäule.

(Foto: AP)

Warum Obama im Sommer 2008 nach Berlin kam, lag auf der Hand: Er machte Wahlkampf. Was er jetzt hier will, ist weniger offensichtlich. Was soll diese Reise?

Die Termine sind schnell referiert: Der Trip begann am Dienstag in Griechenland und geht am Sonntag in der peruanischen Hauptstadt Lima zu Ende. Am Mittwoch hielt Obama in Athen eine Grundsatzrede zur Demokratie, am Abend flog er nach Berlin, wo er sich im Adlon mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem dreistündigen Abendessen traf.

Den Vormittag hat Obama zur freien Verfügung, am Nachmittag trifft er Merkel im Kanzleramt, wo beide gegen 16.45 Uhr eine Pressekonferenz geben. Am Abend wird wieder gegessen, dieses Mal im Kanzleramt. Morgen Vormittag trifft Obama schon wieder Merkel, außerdem die Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien. Um die Mittagszeit fliegt er weiter zum Asien-Pazifik-Gipfel nach Lima.

Will Obama den Staffelstab an Merkel übergeben?

Als das Weiße Haus am 25. Oktober mitteilte, dass der Präsident Athen und Berlin besuchen werde, war nicht unbedingt zu erwarten, dass Donald Trump die Wahl gewinnen würde; sein Comeback in den Umfragen hatte gerade erst begonnen, im Schnitt aller Erhebungen lag Hillary Clinton an diesem Tag um 5,4 Prozentpunkte vorn. Trotzdem ist natürlich denkbar, dass Obama schon vor Wochen die Möglichkeit erwog, sein Amt an Trump übergeben zu müssen – dass er glaubte, er könne mit einer Europa-Reise seinen Nachlass ein wenig ordnen und die wichtigsten europäischen Verbündeten auf seinen unberechenbaren Nachfolger vorbereiten. Medien wie die "New York Times", CNN und der "Guardian" spekulieren auch fleißig darüber, dass Obama den "Staffelstab" als Anführer der freien Welt an Merkel weitergeben will, denn nach allem, was man über Trump weiß, wird er diese Rolle wohl nicht ausfüllen.

Dass Merkel ein solches Erbe antreten will, darf allerdings als ziemlich unwahrscheinlich gelten. Man könne Merkel oder Deutschland nicht als "last man standing" sehen, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen in einem CNN-Interview. Die liberale Ordnung aufrechtzuerhalten, werde nur gemeinsam mit Europa und dem transatlantischen Bündnis funktionieren.

TTIP ist tot, lang lebe der Freihandel

In Athen sagte Obama, dass er Griechenland unbedingt noch habe besuchen wollen, um sich die Akropolis anzusehen. Ein weiterer Grund dürfte die Finanzkrise gewesen sein. Mit ihr begann Obamas Präsidentschaft, in gewisser Weise hört sie nun auch damit auf. In Athen sprach er den Griechen Lob und Anerkennung für ihre Reformbemühungen aus. Und er schloss sich der Forderung des Internationalen Währungsfonds an, Griechenland einen Schuldenerlass zu gewähren. Diese Botschaft richtete sich vor allem an Staaten wie Deutschland.

Und Berlin? Deutschland sei aus mehreren Gründen als Reiseziel gewählt worden, hatte Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes vor der Reise gesagt. Der Präsident habe noch einmal Merkel treffen wollen, um ihr "für ihre Partnerschaft und Führung zu danken". Mit ihr und den anderen Regierungschefs werde Obama über den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat, die Flüchtlingskrise, den Krieg in Syrien und die Situation in der Ukraine sprechen, außerdem über die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Europa.

Damit sind wir wieder bei Obamas Nachlass: Freihandelsabkommen wie der amerikanisch-europäische Vertrag TTIP oder der pazifische Vertrag TPP liegen dem scheidenden Präsidenten sehr am Herzen. Wie Merkel glaubt Obama, dass Freihandel grundsätzlich eine gute Sache ist. "In unseren Handelsbeziehungen müssen wir dafür sorgen, dass Freihandel uns nutzt und nicht schadet", sagte er in Athen. Dieser Teil seines Nachlasses ist jedoch tot: TTIP galt schon vor der US-Präsidentschaftswahl als gescheitert, TPP ist zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Das wird wohl auch nicht mehr passieren: Trump hat angekündigt, aus dem Abkommen aussteigen zu wollen.

In Lima will Obama dennoch mit den Vertretern der anderen elf TPP-Staaten zusammenkommen. "Natürlich sehen wir die jüngsten politischen Entwicklungen in unserem Land und wie das TPP berührt", sagte Rhodes, "aber das ist umso mehr ein Grund für den Präsidenten, mit anderen TPP-Regierungschefs über die Arbeit zu sprechen, die sie gemeinsam geleistet haben".

Merkel wird Obama über Trump ausfragen

Letztlich hat Obama also zwei Botschaften. Erstens: Da die Globalisierung nicht aufgehalten werden kann, sollte sie gesteuert werden, und zwar möglichst nach den Standards der demokratischen Staaten. Zweitens: Diese Position bleibt richtig, auch wenn die amerikanischen Wähler sich mehrheitlich für einen anderen Weg entschieden haben. In seiner Athener Rede wies Obama darauf hin, es sei "schwierig, so etwas zu sagen, wenn die Menschen sich daran erinnern, wie Fabriken schließen und Arbeitsplätze in andere Länder verschwinden".

Vielleicht wird Obama Merkel und den anderen Regierungschefs sagen: Hillary Clinton und auch ich haben es nicht geschafft, die Wähler von dieser Position zu überzeugen. Versucht ihr, es besser zu machen.

Einfacher zu beantworten ist die Frage, was sich Merkel von ihren letzten Gesprächen erhofft. In Kürze, mutmaßlich am Sonntag, wird sie verkünden, dass sie im kommenden Herbst für eine weitere Amtszeit kandiert. Von Obama wird sie so viel wie möglich darüber hören wollen, wie er über seinen Nachfolger denkt. Denn aller Voraussicht nach wird sie eine Weile mit Trump zu tun haben.

Quelle: ntv.de

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