Politik

Kontrolle von Fluchtrouten Wie Deutschland neue Grenzen in Afrika baut

Ein Flüchtling aus Nigeria im Tschad.

Ein Flüchtling aus Nigeria im Tschad.

(Foto: AP)

Geld, Know-how, Material - die Bundesregierung baut den Grenzschutz von Ländern wie Niger und Mali aus. Für Flüchtlinge wird es immer schwerer, den Kontinent zu verlassen.

Kooperationen mit afrikanischen Staaten spielen eine immer größere Rolle in Berlins Strategie, die Zahl der Flüchtlinge, um die sich die Republik kümmern muss, zu drücken. Wer keinen Anspruch auf Asyl hat, soll gar nicht erst den weiten und gefährlichen Weg nach Europa wagen, so das Credo. Deutschland ist deshalb im Begriff, neue Grenzen in Afrika zu bauen.

Ein entscheidendes Element dieser Strategie ist der Aktionsplan für die Sahelzone 2015-2020. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die n-tv.de vorliegt. Die Europäische Union will mit dem Aktionsplan in erster Linie für Sicherheit und wirtschaftliche Entwicklung in Staaten wie Niger, Mali und Mauretanien sorgen. Viele Maßnahmen dieses Programms dienen dem Kampf gegen Terrorismus und der organisierten Kriminalität. Dieser Tage tritt aber immer deutlicher in den Vordergrund, dass die Maßnahmen des Aktionsplans auch zur Steuerung von Migration geeignet sind.

Nur ein Drittel der Grenzen zwischen den Ländern südlich der Sahara ist eindeutig festgelegt und markiert. Über ein Grenzmanagement, das internationalen Standards entspricht, verfügen die Staaten der Sahelzone praktisch nicht. Das begünstigt illegale Migration und befördert Schleuserkriminalität. Das soll sich ändern.

Grenzstationen made in Germany

Besonders bemüht ist die Bundesregierung beim Aufbau des Grenzschutzes in Niger. Rund 90 Prozent der Migranten aus Westafrika reisen auf ihrem Weg nach Europa schließlich durch diesen Staat. Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken zeigt im Detail, was deutsche Behörden tun, um die Fluchtroute zu kontrollieren.

Grenzschutz in Niger: Polizei und Militär gehen laut Menschenrechtsorganisation mitunter brutal mit Flüchtlingen um.

Grenzschutz in Niger: Polizei und Militär gehen laut Menschenrechtsorganisation mitunter brutal mit Flüchtlingen um.

(Foto: REUTERS)

Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) führt im Auftrag des Auswärtigen Amtes mehrere Programme durch. In einem entstehen neun Grenzstationen zwischen Niger und Nigeria. Das Auswärtige Amt finanziert den Bau von drei der Stationen. Für die übrigen kommt die Europäische Union auf.

Zu einem weiteren Programm heißt es: "Im Rahmen des Vorhabens wurden den Partnern Fahrzeuge (Geländewagen), Büroausstattung (Computer, Drucker), GPS-Geräte zur Grenzvermessung sowie Baumaterial zur Errichtung von Grenzsteinen und Versorgungsinfrastruktur in Grenznähe (Latrinen, Duschen, Wasserpumpen) zur Verfügung gestellt."

Mehr als 280.000 Euro fließen dieses Jahr zudem an die internationale Polizeiorganisation Interpol. Damit wird die Vorbereitung eines zweiwöchigen "Regionalworkshops" für Niger und andere Staaten der Sahel-Zone finanziert. Themenschwerpunkt sind die Bekämpfung von Terrorismus, Korruption und Geldkriminalität. Dazu gehört aber auch eine einwöchige Grenzkontroll-Operation "unter der Leitung von Interpol und mit Verwendung von Interpol-Technik".

Vorverlagerung der EU-Außengrenzen

Als Ziel der Maßnahmen nennt die Bundesregierung eine "verbesserte und internationale Menschenrechtskonventionen beachtende Kontrolle des Grenzverkehrs an der Grenze Niger-Nigeria." Andrej Hunko von der Linkspartei sieht das aber vollkommen anders. "Es handelt sich um eine Vorverlagerung der EU-Außengrenzen bis weit in den afrikanischen Kontinent hinein", sagt der Bundestagsabgeordnete. Die verstärkte Überwachung und Kontrolle der dortigen Landgrenzen und Landwege seien eine Drohgebärde. "Besonders bedenklich ist, dass dabei auch auf zivil-militärische Operationen der EU aufgebaut wird. Wie im Mittelmeer wird dabei jede Art von Fluchthilfe kriminalisiert."

Hunko fürchtet, dass die Grenzpolizei nach all den Schulungen und Workshops besonders harsch vorgeht. Dabei sind sie laut dem Linken-Politiker schon jetzt brutal und schrecken auch vor illegalen Rückschiebungen nicht zurück.

Berlin arbeitet unterdessen schon am nächsten Schritt der Kooperation mit Niger. Im Mai beschloss zunächst der Europäische Rat, die zivile EU-Mission Eucap Sahel Niger auszuweiten. Neben Maßnahmen gegen Terrorismus und die organisierte Kriminalität gehören seither auch Maßnahmen gegen die illegale Migration und Schleuser zum Profil der Mission. In der Stadt Agadez soll ein Außenposten entstehen, weil sich viele Flüchtlinge von dort auf den Weg nach Libyen begeben.

Asylzentrum in Niger

Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier plädierte zusammen mit seinem französischen und italienischen Amtskollegen wenig später dafür, die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Herkunfts- und Transitstaaten weiter zu stärken und dafür auch den geplanten EU-Afrika-Gipfel in Malta im November zu nutzen. Sie schickten nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein Diskussionspapier an die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Agadez: Ein Umschlagplatz für Flüchtlinge. Die EU will hier einen Außenposten schaffen.

Agadez: Ein Umschlagplatz für Flüchtlinge. Die EU will hier einen Außenposten schaffen.

(Foto: REUTERS)

Schon seit längerem plant die Bundesregierung zudem, ein Asylzentrum in Niger aufzubauen - vorerst als Pilotprojekt, das in diesem Jahr beginnen soll. In diesem Zentrum soll geprüft werden, ob ein Flüchtling Anspruch auf Asyl in Europa hat, noch bevor er in Europa ankommt. Wie das juristisch und technisch möglich sein soll, und ob am Ende nicht nur ein großer Informationsstand für Menschen auf der Flucht dabei herauskommt, ist noch nicht klar. Hunko sagt: "Besser wäre es, legale Einreisemöglichkeiten in die EU zu schaffen, damit die Betroffenen dort Asyl beantragen können."

Aus der Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Linken geht hervor, dass demnächst auch die Mission Eucap Sahel Mali verstärkt werden soll. Ein Ausbau der Grenzen läuft zudem in Burkina Faso, Mauretanien und Tschad. Dort unterstützt das Auswärtige Amt zudem den Aufbau einer biometrischen Datenbank für Straftäter. Inwiefern auch Menschen darin landen sollen, die illegal eingereist sind, ist nicht klar.

"Programme stoppen"

Die kleine Anfrage der Linken bezieht sich ausschließlich auf die Maßnahmen der Bundesregierung in der Sahel-Zone. Doch auch nördlich der Region bemüht sich Deutschland um besseren Grenzschutz. Bereits 2013 startete die EU die Border Assistance Mission (Eubam) in Libyen. Jedes Jahr fließen seither rund 26 Millionen Euro in die Ausbildung des libyschen Grenzschutzes. In Deutschland zeichnet hier das Bundesinnenministerium hauptverantwortlich und stellt drei Ausbilder, zwei von der Bundes-, einen von der Landespolizei. Angesichts der Wirren des libyschen Bürgerkriegs und der verheerenden humanitären Lage für Flüchtlinge vor Ort gerät diese Kooperation allerdings zusehends in die Kritik.

Linken-Politiker Hunko sagt: "Die Bundesregierung muss die Projekte stoppen." Und er fordert auch die übrigen Staaten der EU auf, ihre Politik der "Festung Europa", die von einem Band wirtschaftlich abhängiger Länder verstärkt werde, zu beenden.

Quelle: ntv.de

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