Rekordstreik bei der Bahn Die Koalition trägt eine Mitschuld
05.05.2015, 08:40 Uhr
Bahnkunden müssen sich auf sechs Tage Ärger einstellen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Bahnstreik betrifft jetzt auch den Personenverkehr. Fahrgäste haben guten Grund, sich zu ärgern. Allerdings nicht nur über die Lokführergewerkschaft GDL oder das Großunternehmen Bahn.
Manchmal ist es besser zu schweigen. Der Rekordstreik der Bahn ist für die Große Koalition so ein Fall. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sagte trotzdem: "Die Grenze der Akzeptanz dieser Tarifauseinandersetzung in der Bevölkerung ist zunehmend erreicht. Das sollten auch die Verhandlungsführer erkennen." Und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel sprach von "kaum noch nachzuvollziehenden" Geschehnissen. "Statt Deutschland lahmzulegen, brauchen wir ernsthafte Verhandlungen." Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich. Sie forderte einen weiteren Schlichtungsversuch.
Der CSU-Mann, der SPD-Politiker und die Kanzlerin von der CDU haben natürlich recht. Der Rekordstreik sprengt den Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Und es gibt gute Gründe, sich über die Eskalation zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn aufzuregen. Dass ausgerechnet die Großkoalitionäre belehrend ihren Zeigefinger erheben, ist allerdings peinlich. Denn sie sind mitverantwortlich für die immense Zuspitzung des Arbeitskampfes.
Dass die GDL so verbittert um ihre Ziele ringt, hat vor allem einen Grund: das geplante Tarifeinheitsgesetz von Arbeitministerin Andrea Nahles. Die SPD-Politikerin brachte es auf den Weg, um es kleinen Gewerkschaften wie der GDL zu erschweren, durch Streiks gewaltigen Schaden für Gesellschaft und Wirtschaft anzurichten. Das Gesetz, das schon im Juli in Kraft treten könnte, soll dafür sorgen, dass pro Betrieb künftig nur noch die mitgliederstärkste Gewerkschaft einen Tarifvertrag abschließen darf. Im Falle der Bahn wäre das die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Die GDL wäre entmachtet.
Alles-oder-nichts-Mentalität
Das Gesetz an sich muss nicht falsch sein. Maßlose Streiks sind schließlich nicht nur von der Bahn, sondern auch von Piloten und anderen Berufsgruppen mit kleinen Interessenvertretungen bekannt. Und der Wunsch, Blockaden, die in einem allzu großen Missverhältnis stehen, zu erschweren, ist nachvollziehbar. Das Problem ist nur: Die Große Koalition peitscht das Gesetz mitten in einem ohnehin verhärteten Tarifstreit durch die Instanzen. Die GDL muss geradezu das Gefühl haben: Wenn sie jetzt nichts für ihre Mitglieder erreicht, ist sie restlos überflüssig, sobald das Gesetz in Kraft tritt. Und sie muss fürchten, dass es die Bahn darauf anlegt, eine Einigung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bewusst zu verschleppen.
Das nahende Tarifeinheitsgesetz fördert bei der GDL eine Alles-oder-nichts-Mentalität. Wenn die Große Koalition es wirklich ernst meint mit dem Wunsch nach Deeskalation, sollte sie den Anfang machen. Sie sollte die Abstimmung über das Tarifeinheitsgesetz verschieben, bis sich GDL und Bahn geeinigt haben.
Quelle: ntv.de