
Flott, schmal, flexibel: An E-Scootern gibt es wenig auszusetzen, findet unser Kommentator.
(Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa/dpa)
Die Weltstadt Paris will die E-Scooter loswerden. Auch hierzulande sind die überwiegend in größeren Städten anzutreffenden Bordstein-Flitzer vielen ein Ärgernis. Dabei bieten sie gerade in den engen Metropolen eine riesige Chance. Wir müssen sie nur erkennen.
Paris will die E-Scooter loswerden. In Deutschland hoffen bereits einige, dass hiesige Städte bald nachziehen. Seit ihrer Zulassung 2019 sind E-Scooter vielen ein Dorn im Auge: Kreuz und quer liegen sie auf dem Bürgersteig, Gruppen Jugendlicher sausen auf ihnen - manchmal zu dritt auf einem Gefährt - johlend über Gehwege und lassen Fußgänger erschreckt zur Seite springen. Wäre eine Abschaffung der E-Scooter daher nicht ein Fortschritt? Ganz im Gegenteil.
E-Scooter, im Fachjargon Elektrokleinstfahrzeuge genannt, sind eine Chance. Doch wir sehen sie nicht. Wir sehen nur, wie sie herumliegen, wie sie den Gehweg noch enger machen. Es seien sowieso nur "Spaßfahrzeuge für Touristen und sehr junge Leute", heißt es vom Fußgängerverband Fuss e.V. in einer Reaktion auf die Pariser Entscheidung. "Auch bei uns müssen die Städte jetzt alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, das Verleihen von E-Scootern einzuschränken oder die Gehwege, Plätze und Parks ganz davon zu befreien", fordert der Verband.
Bis vor die Haustür
Warum das falsch ist, will ich mit einem konkreten Beispiel einleiten: Wenn ich an meinem Heimat-S-Bahnhof in Berlin ankomme, passiert oft genau das: Der Bus, der mich bis in die Nähe meiner Haustür bringen könnte, ist gerade abgefahren. Der nächste fährt in 20 Minuten. Was also tun? Laufen ist gesund, kostet aber Zeit, die man nicht immer hat oder investieren möchte. Doch es gibt eine Lösung: Ein E-Scooter steht bereit. Schnell und unkompliziert angemietet, bringt er mich, anders als der Bus, genau vor meine Haustür. Dort kann ich ihn einfach abstellen. Lange steht er dort in der Regel nicht - wie ich sind auch andere offenbar froh, einen Roller fahrbereit vor dem Haus stehen zu haben.
Dabei muss ich gestehen: Auch ich war lange Skeptiker, habe mich nur über die Scooter geärgert, statt sie zu nutzen. Niemals würde ich einen Fuß auf diese rollende Absurdität setzen, hatte ich mir geschworen. Warum, das war mir eigentlich nicht so recht klar. Vielleicht war es ein Abwehrreflex gegen das Neue? Der schlummert wohl in jedem, mehr oder weniger stark ausgeprägt.
Fehlendes Glied
Doch nachdem ich mich herangewagt habe, sehe ich die Dinge anders. Deutlich anders: E-Scooter sind das fehlende Glied im Stadtverkehr. Sie machen den öffentlichen Nahverkehr zusätzlich attraktiv. Stichwort: Letzte-Meile-Mobilität. Wie mit einem Auto kommt man plötzlich wieder von Tür zu Tür. Das eigene Fahrrad taugt dafür nur bedingt: Man nimmt es nur ungern mit in die S-Bahn (zu voll, zu umständlich) und lässt es ungern an einem Bahnhof stehen (zu unsicher, zu unflexibel - schließlich muss man es auch genau dort wieder abholen). Der E-Roller ist das fehlende Puzzleteil.
Aber da ist noch das Problem mit dem E-Scooter-Mikado. Zugegeben: Die übereinander oder quer über den Gehweg liegenden E-Scooter nerven. Doch diese Bilder sind zumindest in Berlin seltener geworden. Manche Verleiher verlangen nach Ende der Fahrt ein Foto, das in der App hochgeladen wird, um zu zeigen, dass der Roller ordnungsgemäß abgestellt wurde. Andere Städte wie München haben Parkzonen für E-Scooter eingerichtet.
Autoproblem
Ein wichtiger Faktor bei der Parkproblematik: Es wäre jede Menge Platz für E-Scooter da, doch der ist von einem anderen Verkehrsmittel belegt: dem Auto. Allein in Berlin benötigen Autos laut einer Berechnung von 2005 etwa 17 Quadratkilometer an Stellfläche, in Hamburg und München jeweils etwa 10 Quadratkilometer. Seitdem ist die Zahl der Fahrzeuge weiter gestiegen. Und ein Auto steht laut Umweltbundesamt tatsächlich 23 Stunden am Tag ungenutzt herum.
Wenn also nach Parkraum für E-Scooter gesucht wird, könnte die Antwort auf der Hand liegen: Nur ein Teil der Parkflächen für Autos müsste umgewidmet und ausschließlich für E-Scooter zugelassen werden. Technisch müsste es so gelöst sein, dass man Roller nur auf ausgewiesenen Parkplätze parken und abmelden kann. Machbar ist das, bereits jetzt sind bestimmt Bereich als Parkzonen gesperrt, man kann dort zwar halten, die Anmietung aber nicht beenden.
Miteinander muss besser werden
Ein noch zu lösende Aufgabe ist das Miteinander von Fußgängern, E-Scootern, Fahrrädern und Autos in der Stadt. Auch der richtige Umgang mit den E-Scootern muss von einigen Teilen der Bevölkerung offenbar noch erlernt werden - manche fahren zu zweit oder zu dritt auf den Rollern, was verboten ist. Meist sind es jüngere Fahrer, bereits ab 14 Jahren darf man E-Scooter mieten. Manche fahren auch auf dem Gehweg, obwohl der Fahrradweg vorgeschrieben ist (die Straße, wenn es keinen Radweg gibt).
Auch Alkohol stellt ein Problem dar. E-Scooter-Unfälle, bei denen Menschen getötet oder verletzt werden, ereignen sich relativ häufig nachts zwischen 22 und 6 Uhr. Im Jahr 2021 wurden laut Statistischem Bundesamt 4882 E-Scooter-Fahrer verletzt und fünf starben - der mit Abstand häufigste Vorwurf an E-Scooter-Fahrerinnen und -Fahrer war dabei das Fahren unter Alkoholeinfluss. Eine Helmpflicht gibt es für E-Scooter nicht.
Aufklärung nötig
Klar, hier muss aufgeklärt werden, über den richtigen Umgang mit E-Scootern, am besten bereits in den Schulen. Und natürlich muss auf den Straßen und Radwegen auch hin und wieder kontrolliert werden. Auf interessante Weise hat ein E-Scooter-Anbieter das Problem mit dem Alkohol gelöst: Zu später Stunde muss man auf der Smartphone-App ein kleines Reaktionsspiel erfolgreich bestehen, um den Roller freischalten zu können. Schon für Nüchterne ist das Spiel durchaus eine Herausforderung.
E-Scooter sind nicht ungefährlich, aber im Vergleich zum Auto zumindest für andere vergleichsweise harmlos. Würde man ihnen und Radfahrern mehr Platz in den Städten einräumen, sowohl auf den Fahrbahnen als auch bei den Stellflächen, könnten sie ihr Potenzial besser entfalten. Denn tatsächlich sind sie auch ein Beitrag für weniger Abgasbelastung in den Städten und potenziell zu 100 Prozent mit Ökostrom betreibbar. Und es ist gesund, mit ihnen zu fahren, schließlich ist man an der frischen Luft. Sie ergänzen den öffentlichen Nahverkehr ideal und machen ihn plötzlich zu einer echten Alternative. Und ja: Mit dem E-Scooter zu fahren, macht auch Spaß.
Quelle: ntv.de