Kommentare

Die Kanzlerin in der Türkei Frau Merkel, das wollen wir von Ihnen hören!

Kein einfacher Besuch: Angela Merkel reist an diesem Samstag in die Türkei.

Kein einfacher Besuch: Angela Merkel reist an diesem Samstag in die Türkei.

(Foto: dpa)

Es ist ihre erste Reise in die Türkei, seitdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan die große Satirekrise heraufbeschworen hat. Eigentlich will sich die Kanzlerin gemeinsam mit EU-Ratspräsident Donald Tusk am heutigen Samstag ein Bild über die Flüchtlingssituation vor Ort verschaffen, aber über allem schwebt der Krach um Moderator Jan Böhmermann. In einer Welt jenseits jeder Diplomatie würde man sich von Angela Merkel Klartext wünschen. Auch eine Klartextbotschaft, die Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu direkt in den Präsidentenpalast nach Ankara transportiert. Drei Botschaften, die wir uns von Ihnen wünschen würden, Frau Merkel:

An Präsident Erdoğan:

- "Herr Erdoğan, Europa ist eine Gemeinschaft der Meinungsfreiheit. So lange Sie die bekämpfen, können Sie kein Teil Europas sein!"

Auch wenn Kanzlerin Merkel Erdoğan persönlich nicht trifft, dreht sich doch alles um seine Forderung, Jan Böhmermann wegen "Majestätsbeleidigung" verfolgen zu lassen. Das war falsch – so denkt die Mehrheit der Deutschen. Die Kanzlerin buckle vor dem "Boss vom Bosporus" und bestärke dadurch Erdoğans Politik, Meinungsfreiheit in der Türkei zu unterdrücken. Das ist gefährlich, auch für uns. Denn es lässt den Eindruck entstehen, dass Unterdrückung stärker ist als Freiheit.

So beschreiten Ungarn und Polen inzwischen ebenfalls einen gefährlichen Weg, versuchen, wertvolle Freiheiten abzuschaffen. Das zeigt, an welchem Scheideweg Europa steht. Nehmen wir es einfach hin, dass staatsbürgerliche Rechte ausgehöhlt, verworfen werden? Genau dieses Signal geht aus, wenn sich Merkel an einen Tisch mit Erdoğan setzt, über politische Deals und Wirtschaft spricht, aber Kritik hinter diplomatischen Floskeln versteckt. Sie muss ihm klar ins Gesicht sagen:

"Sie unterdrücken freie Meinungsäußerung. Wir wissen, dass Sie Kritiker ins Gefängnis werfen und Medien zensieren." Undiplomatisch? Ja! Aber anders wird Erdoğan nicht verstehen, dass Europa sein Spiel nicht mitspielt.

An die mitreisenden Journalisten:

- "Ich schäme mich für diesen Deal, aber ich weiß keinen anderen Ausweg!"

Das EU-Türkei-Abkommen ist eine politische Bankrotterklärung. Erst ließ die deutsche Politik den Eindruck entstehen, Deutschland wäre das barmherzige Zufluchtsland für Menschen aus Bürgerkriegsregionen im Nahen Osten. Als das zu Hause zum politischen Sprengstoff wurde, wollte man um jeden Preis vermeiden, offiziell eine Politikänderung zu erklären. Vielmehr versuchte man, das Problem durch einen verwerflichen Deal mit einem zwielichtigen Despoten auszulagern.

Auch für Politiker kann eine Situation entstehen, in der sie feststellen: "Ich stecke in einer Sackgasse. Ich habe Fehler gemacht, die mir jetzt auf die Füße fallen." Es wäre ehrlich, wenn Angela Merkel sagen würde:"Ich stehe mit dem Rücken zur Wand. Ich weiß, es ist ein dreckiger Deal, aber ich weiß mir nicht anders zu helfen."

An die Flüchtlinge:

- "Ich habe meine Politik geändert, kommt nicht mehr nach Deutschland!"

Noch immer warten unzählige Flüchtlinge in den Lagern im Nahen Osten auf eine Chance, nach Deutschland zu kommen. Warum Deutschland? "Angela Merkel hat uns doch eingeladen" - so die häufige Antwort, die ich selber während meiner Dreharbeiten im Libanon immer wieder von den Menschen hörte.

Jetzt muss die Kanzlerin Farbe bekennen. Die freundlichen Selfies mit Flüchtlingen haben das Bild in die Welt gesetzt, Deutschland habe eine Pauschaleinladung an Flüchtlinge ausgesprochen. Jetzt muss Merkel in gleichwertiger Weise sagen: "Kommt nicht mehr, ich habe es mir anders überlegt! Meine Regierung bezahlt Geld dafür, dass ihr in der Türkei bleibt und nicht nach Deutschland kommt!"

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen