Haushalt und Schuldenbremse Auch gut getrickst ist halb gelogen


Am 5. Juli waren Lindner, Scholz und Habeck zufrieden, die Eckpunkte des Haushalts präsentieren zu können. Aber ihre Einigung beruht auf dem Prinzip Hoffnung.
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Der Haushalt für das kommende Jahr hält zwar die Schuldenbremse ein. Aber das gelingt nur mit einer ganzen Reihe von Tricks. Die Lösung struktureller Probleme wird auf die Zukunft vertagt.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat auf den ersten Blick gute Argumente, um stolz zu sein auf seine Haushaltsaufstellung 2025. Der Staat muss mit viel weniger Geld auskommen als in früheren Jahren. Ursächlich ist die vom Bundesverfassungsgericht verfügte Streichung der einstigen Corona-Kredite aus dem Klima- und Transformationsfonds sowie das fast bei null angelangte Wirtschaftswachstum. Trotzdem muss kaum ein Ressort nennenswert sparen, investiert Deutschland kräftig und senkt weiter seine Schuldenquote. Und, was Lindner und seiner FDP am wichtigsten ist: Die Schuldenbremse wird eingehalten. Doch der zweite Blick offenbart: Das gelingt nur um den Preis zahlreicher Tricks, die den Haushalt an den Rand der Ehrlichkeit bringen.
Erstens geht der Haushalt von einem durch das Konjunkturpaket angeschobenen Wachstum aus, das sich so erst einmal bewahrheiten muss. Ein angenommenes zusätzliches Bruttoinlandsprodukt von 0,5 Prozentpunkten ist ambitioniert. Alles hängt davon ab, ob die mit der Wachstumsinitiative verbundenen zwei Dutzend Gesetzespakete so und rasch durch Bundestag und Bundesrat kommen. Schon jetzt gibt es aus den Ampelfraktionen kritische Stimmen zu einzelnen Aspekten. Dabei sind die unterlegten Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung ohnehin reichlich fragil. Das haben solche Vorhersagen immer an sich. Doch selten waren diese Prognosen so volatil wie in den vergangenen beiden Jahren.
Prinzip Hoffnung
Zweitens plant die Ampel mit einer globalen Minderausgabe von 17 Milliarden Euro für 2025 und 2026. Frei übersetzt: Sie geht mit zu wenig Geld ins Restaurant und hofft, dass während des Essens noch Geld reinkommt oder aber etwas weniger Getränkekosten anfallen als erwartet. Grundsätzlich ist ein solches Vorgehen üblich - aber nicht in dieser Höhe. Reinkommen soll das Geld, indem man etwa auf Überschüsse der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zugreift und indem Zuschüsse an Bahn und Autobahn GmbH in Kredite umgewandelt werden. Derartige Kredite würden nicht unter die Schuldenbremse fallen. Ob das rechtlich aufgeht, ist in diesem Juli genauso unsicher wie die Hoffnung, dass vielleicht nicht alle eingestellte Sozialgelder und Förderprogramme vollumfänglich abgerufen werden.
Drittens ist diese Hoffnung auch Basis der massiven Kürzungen im Arbeitsministerium von Hubertus Heil. Die Verschärfungen beim Bürgergeld sowie die Anreize zur Arbeitsaufnahme sind die Grundlage von erhofften Minderausgaben in Höhe von fast 5 Milliarden Euro. Gleiches Kalkül im Ressort von Annalena Baerbock: Das Auswärtige Amt hat weniger Geld für humanitäre Hilfen bekommen. Passiert doch etwas, soll in einem Nachtragshaushalt nachgeschossen werden. Das macht dann schon einmal zwei Ministerien mit potenziell großem Nachschussbedarf. Hinzukommt das Wehrressort, wo Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius Zweifel hat, ob das Geld für die Militärhilfen an die Ukraine ausreicht.
Viertens hat die Methode Hoffnung als Fundament der Haushaltsplanung unter Christian Lindner ungekannte Ausmaße angenommen. Auch in diesem Jahr muss die Bundesregierung 11 Milliarden Euro zum Haushalt 2024 nachschießen. Möglich wird das auch, weil das Wirtschaftswachstum so schwach ist, dass die Schuldenbremse mehr Kredite erlaubt als Ende 2023 angenommen. Dieses Jahr geht die Ampel gleich von einer schwachen Konjunktur aus, reizt damit den Schuldenspielraum aus und näht zugleich den Haushalt auf Kante. Wie unter diesen Umständen ein potenziell mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag für einen Nachtragshaushalt zusammenkommen könnte, ist damit offen.
Die Lösung struktureller Probleme auf die Zukunft zu vertagen, ist das zweite Fundament dieser Haushaltspolitik. Das ist auch zu erkennen an der Finanzierungslücke der Bundeswehr in Höhe von mindestens 28 Milliarden Euro nach Aufbrauchen des Sondervermögens. So ist die Einhaltung der Schuldenbremse nur möglich, indem man sich auf wacklige Ausweichinstrumente, optimistische Wirtschaftsprognosen und die Hoffnung auf das Nichteintreten unvorhersehbarer Ereignisse stützt. Das kann man so machen. Warum dieser Weg aber seriöser sein sollte, als einen zweistelligen Milliardenkredit über das Aussetzen der Schuldenbremse zu wagen, bleibt offen. Hauptsache, die Schuldenbremse ist auf dem Papier eingehalten. Ob Lindner damit die von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich angemahnte "Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit" erfüllt, darüber befindet in den kommenden Monaten der Bundestag. Schon jetzt ist klar: Angesichts so viel offener Fragen stimmt die seit eineinhalb Wochen verbreitete Behauptung eines geeinten Haushalts schlicht nicht.
Quelle: ntv.de