Kommentare

Sondereinheit fürs Schaufenster Regierung betreibt Sicherheits-Populismus

Tag der offenen Tür im Frankfurter Polizeipräsidium: Ein Mitglied des hiesigen Sondereinsatzkommandos (SEK) seilt sich vor Zuschauern ab.

Tag der offenen Tür im Frankfurter Polizeipräsidium: Ein Mitglied des hiesigen Sondereinsatzkommandos (SEK) seilt sich vor Zuschauern ab.

(Foto: picture alliance / dpa)

Innenminister de Maizière will eine neue Polizei-Einheit etablieren - für das Paris-Szenario. Dringenden Bedarf dafür gibt es nicht. Schwarz-Rot versucht, politisches Kapital aus der Angst der Bürger vor islamistischem Terror zu schlagen.

Intern ist angeblich schon von der "GSG Viereinhalb" die Rede. Innenminister Thomas de Maizière kann dieser putzige Kosename kaum recht sein. Denn die neue Sondereinheit der Polizei, die der CDU-Politiker schaffen will, soll eigentlich vor allem eines: Eindruck schinden. Es geht ihm um einen starken Akzent. Dabei ist der Nutzen der Truppe fraglich - genauso fraglich wie der Nutzen so manch anderer Anti-Terror-Maßnahme, die die Bundesregierung in den vergangenen Monaten angestoßen hat.

Als Bindeglied zwischen Bereitschaftspolizei und der Elitetruppe GSG 9 soll de Maizières neue Spezialeinheit die Antwort auf das Paris-Szenario sein, den Anschlag auf "Charlie Hebdo". Gut ausgebildete und mit Kriegswaffen ausgestattete Terroristen stürmten dabei Anfang Januar zunächst die Redaktion des Satire-Magazins. Sie töteten etliche Menschen und konnten auf ihrer Flucht über Tage hinweg eine Bedrohung für die innere Sicherheit Frankreichs darstellen. Seither fürchten Sicherheitspolitiker und Bürger, dass es auch in Deutschland dazu kommen könnte. Zu Recht.

Die Behörden in Deutschland müssen sich tatsächlich auf diese Bedrohung einstellen. Dass selbst Polizeigewerkschaften sagen, dass es dafür keine zusätzliche Einheit braucht, ist allerdings so bezeichnend wie einleuchtend.

Tatsächlich gibt es längst ein Bindeglied zwischen der Bereitschaftspolizei und der GSG 9: Jedes Bundesland verfügt über ein Spezialeinsatzkommando (SEK), eine Truppe hochqualifizierter Anti-Terror-Spezialisten, die binnen Minuten überall im Land eingreifen können. Sie sind organisatorisch teils den Bereitschaftspolizeien angegliedert, unterstehen oft aber direkt dem Landesinnenministerium oder den Landeskriminalämtern.

Entscheidend sind mehr Personal und bessere Technik

In vielen Ländern sind die SEK schon jetzt bestens ausgestattet. Dort, wo sie es nicht sind, gilt es nachzurüsten - nicht bei einer weiteren Einheit des Bundes. Schon jetzt wird die GSG 9 in der Regel nur dann hinzugerufen, wenn die Länder überfordert sind.

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz Roger Lewentz forderte deshalb bereits vor einigen Wochen mehr und bessere Ausrüstung für die Länderpolizeien. Polizeigewerkschaften verweisen überdies seit Langem darauf, dass sie dringend auch mehr Personal brauchen. Denn angesichts der steigenden Zahl an Syrien-Rückkehrern sind die bestehenden Kräfte kaum noch in der Lage, alle Gefährder ausreichend zu überwachen. Die neue Sondereinheit, die de Maizière im Sinn hat, hätte wohl auch bei dieser Präventionsarbeit wenig zusätzlichen Nutzen.

Die Große Koalition betreibt beim Thema Innere Sicherheit auch sonst viel Blendwerk. Das Justizministerium hat Anfang Februar den Versuch der Reise in ein islamistisches Kriegsgebiet zum Verbrechen erklärt. Nicht die Tat, sondern der Gedanke an die Tat soll in diesem Sinne für die Festnahme ausreichen. Das ist nicht nur verfassungsrechtlich bedenklich. Juristen halten es für sehr unwahrscheinlich, dass den Anklägern im Falle eines Prozesses eine schlüssige Beweisführung gelingen könnte. Weitere ähnlich fragwürdige Maßnahmen sind der Sonderpersonalausweis für Islamisten und Gedankenspiele zur Vorratsdatenspeicherung. Die wurde bereits durch das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig gebrandmarkt. Obendrein konnte bis heute niemand einen ermittlungstechnischen Nutzen der Datensammlerei nachweisen.

Schwarz-Rot versucht aus der Angst vor islamistischem Terror in Deutschland, politisches Kapital zu schlagen - mithilfe populistischer Law-and-Order-Maßnahmen.

Quelle: ntv.de

Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen