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Habeck als Retter fatales Signal Warum Baerbock doch Vizekanzlerin werden könnte

Partner und Konkurrenten zugleich: Annalena Baerbock und Robert Habeck.

Partner und Konkurrenten zugleich: Annalena Baerbock und Robert Habeck.

(Foto: picture alliance/dpa)

Robert Habeck soll offenbar grüner Vizekanzler werden. Dass das schon jetzt durchgestochen wurde, bringt den linken Parteiflügel auf die Palme. Es ist nicht der einzige Grund, der für Annalena Baerbock spricht.

Es wäre absurd gewesen, hätten die Grünen Robert Habeck statt Annalena Baerbock ins Rennen ums Kanzleramt geschickt. Rückblickend wäre das auf den ersten Blick zwar die bessere Entscheidung gewesen, denn das Ergebnis für die Partei ist nur im Vergleich zu 2017 gut. Gemessen an dem, was möglich gewesen wäre, ist es mehr als ernüchternd. Doch hätten die Grünen mit Habeck an der Spitze so viel besser abgeschnitten? Wohl kaum.

Denn auch wenn Habeck mehr Wähler anspricht als Baerbock, war diese Bundestagswahl klar eine Entscheidung zwischen Union und SPD. Auch mit Habeck als Kandidat hätten die Grünen nie den Kanzler gestellt. Die Begeisterung für grüne Themen wächst zwar, aber Deutschland scheint noch nicht bereit zu sein für einen grünen Kanzler oder eine grüne Kanzlerin - und auch die anderen Parteien, die bei der Kanzlerwahl im Bundestag als Koalitionspartner mitspielen müssten, sind es nicht.

Hätten ausgerechnet die Grünen in einem Wahlkampf gegen zwei ältere Herren den Mann statt die Frau an ihrer Spitze antreten lassen, hätten sie nicht nur ihre eigenen Mitglieder vor den Kopf gestoßen, sondern auch ihre Stammwählerinnen und -wähler. Steht die Partei doch wie keine andere für die Gleichstellung von Mann und Frau. Vor diesem Hintergrund konnte nur Baerbock die Bewerberin sein.

Nun hatte Baerbock ihre Chance und hat sie verspielt. Die meisten haben den Eindruck, Habeck hätte im Wahlkampf eine bessere Figur gemacht. Soll er deshalb also wenigstens Vizekanzler werden? Dafür gibt es starke Argumente:

  • Baerbock und Habeck haben sich anscheinend gemeinsam darauf verständigt.
  • Baerbock hat den Wahlkampf versemmelt, so viel ist klar. Ihre zahlreichen Patzer lassen nicht gerade erwarten, dass sie jetzt schon für alle Härten des Politikbetriebs gewappnet ist.
  • Habeck dagegen kennt diesen aus jahrelanger Erfahrung. Er hat nicht nur bereits mitregiert, sondern sogar zusammen mit der FDP, mit der sich die Grünen nun einig werden müssen.
  • Wenn er das Vizekanzler-Amt genauso gut ausfüllt wie seinen Ministerposten in Schleswig-Holstein, dürften sich die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl noch einmal steigern - und womöglich dann den Kanzler stellen. Immerhin würde er dann, als Vizekanzler und Minister, mit Amtsbonus antreten.
  • Schon jetzt hat Habeck die besseren Umfragewerte in der Gesamtbevölkerung, mehr Bürger wünschen sich ihn als Vize.
  • Unabhängig vom Geschlecht sollte der bessere Kandidat ein Amt bekleiden.

Aber es gibt auch gute Gründe, die für Baerbock als Vizekanzlerin sprechen:

  • Ist Habeck wirklich der Bessere? Wird er nun Vizekanzler, entsteht der Eindruck, dass die Frau es verbockt hat und der Mann nun die Scherben zusammenkehrt und die Situation (zusammen mit anderen Männern) rettet - ein fatales Signal für Mitglieder, Stammwähler, aber auch neue Jungwählerinnen der Grünen. Wäre unter Habecks Führung das Wahlergebnis genauso ausgefallen, wären die Rufe nach Baerbock als Retterin vermutlich leiser ausgefallen.
  • Dass die Personalie schon jetzt durchgestochen wurde, lässt den linken Parteiflügel auf die Barrikaden gehen. Nachdem die Basis ohne Murren akzeptiert hat, dass Baerbock und Habeck die Kanzlerkandidatur unter sich abgemacht hatten, dürften viele Grüne jetzt mitreden wollen, wer den Job bekommt. Innerhalb der Partei dürfte Baerbock noch immer etwa so viele Unterstützer haben wie Habeck.
  • Baerbock war die Kanzlerkandidatin der Partei und hat immerhin das bisher beste Wahlergebnis der Grünen erzielt. Nach der etablierten Logik der Macht würde ihr nun das höchste Amt zustehen, das es zu holen gibt - schließlich verhandelt auch Armin Laschet über ein Jamaika-Bündnis. Und dessen Partei hat nicht zugelegt, sondern verloren.
  • Als Vizekanzlerin hätte Baerbock die Chance, das Vorurteil zu entkräften, dass die vergleichsweise junge, unerfahrene Frau es nicht hinbekommt. Bekommt sie es doch hin, hätte auch sie in vier Jahren einen Amtsbonus.
  • Für die nächsten vier Jahre Regierungsarbeit wäre es eine Bereicherung, wenn eine relativ junge Mutter den zweitwichtigsten Job im Kabinett hätte. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie sehr die Politik die Bedürfnisse von Eltern und vor allem Kindern vernachlässigt.

Eigentlich würde nur ein Argument wirklich gegen Baerbock sprechen: Dass ihr in den vergangenen Monaten die Lust aufs Vize-Amt vergangen ist. Dies ist gut möglich. Leider sind die ritualisierten Machtspiele allzu oft der Grund, warum sich Frauen von solchen Positionen zurückziehen.

Quelle: ntv.de

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