Bundestag vor Hilfspaket-Abstimmung "Den Schaden hat die Kanzlerin"
17.08.2015, 19:39 Uhr
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Der Kampf gegen die griechische Schuldenkrise beschäftigt Europa seit mehr als fünf Jahren. Griechenland war das erste Euroland, das Finanzhilfen der Partner in Anspruch nehmen musste - und ein verlässliches Ende des Dramas ist nicht in Sicht. Nun soll es ein drittes Hilfsprogramm geben. Nötig ist dafür unter anderem grünes Licht des Bundestags, der am Mittwoch zusammentritt. Für die Kommentatoren der deutschen Zeitungen ist Streit programmiert - auch über die künftige Rolle des IWF bei der Griechenland-Rettung. Denn IWF-Chefin Christine Lagarde hat eine Beteiligung ihrer Organisation am dritten Hilfspaket bislang nicht zugesagt. Sie verlangt Schuldenerleichterungen für das Land. Wie diese aussehen könnten, steht in den Sternen. Für kritische Unions-Abgeordnete wirft das ein weiteres Problem auf.

Der Bundestag stimmt am 19. August in einer Sondersitzung über das Griechenlandpaket ab, das frische Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro vorsieht.
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Der Trierischer Volksfreund schreibt: "Bisher hat die Kanzlerin stets darauf beharrt, dass der Internationale Währungsfonds bei der Griechenlandrettung mit im Boot sein müsse. Angela Merkel brauchte die Washingtoner UN-Bank, um die laxen Geldverleiher auf dem eigenen Kontinent - von Hollande bis Juncker - in Schach zu halten. Kein Geld ohne Bedingungen. Beim dritten Rettungspaket aber weigert sich IWF-Chefin Christine Lagarde bisher, sich zu beteiligen. Und die Kanzlerin kann ihren zweifelnden Abgeordneten nur noch die Hoffnung verkünden, dass man sie schon noch überzeugen werde. Man möge trotzdem zustimmen. Das ist noch keine 180-Grad-Wende. Aber eine um 179 Grad."
"Es dürfte ein frommer Wunsch bleiben, dass einige der zuletzt 60 Unions-Rebellen in der Bundestagsabstimmung ihre Meinung zur dritten Griechenlandrettung ändern und auf Merkel-Kurs einschwenken", schreibt der Münchner Merkur. Diesen Weg habe ihnen Fraktionschef Kauder "mit seinem unverschämten Einschüchterungsversuch" abgeschnitten. (Anmerk. d. Red.: Der CDU-Politiker hatte gedroht, Unionsabgeordneten, die gegen das neue Hilfsprogramm für Griechenland stimmen, wichtige Ausschussposten zu entziehen.) Zudem habe die Kanzlerin im ZDF-Sommerinterview die Chance verstreichen lassen, sich davon zu distanzieren. Für das Blatt aus Bayern steht fest: "Kein stolzer Abgeordneter wird sich nachsagen lassen, er verrate um der Karriere willen sein Gewissen. Den Schaden hat die Kanzlerin. Teflon-Merkel war gestern. Am Mittwoch gibt es den ersten hässlichen Kratzer auf der hochglanzpolierten Fassade ihrer Kanzlerschaft - und der kommt just von der eigenen Truppe."
Die Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung widmet sich dem IWF und dessen Direktorin: "Bisher verweigert sich Christine Lagarde genau jenen Maßnahmen, die sie von anderen fordert: Reformen. Die Griechenland-Krise kann bisher kaum als Meisterstück des IWF gelten. Insofern ist der Ruf der ehemaligen französischen Finanzministerin deutlich besser als die Ergebnisse ihrer Arbeit."
Das Handelsblatt nimmt die finanziellen Risiken des Griechenland-Hilfspakets ins Visier: "Statt Bürgern und Parlamentariern die ganze Rechnung der neuerlichen Griechenland-Rettung zu präsentieren, richtet sich Merkels Hoffnung auf die Reformzusagen des griechischen Parlaments. Die Einschnitte bei den Renten, die Erhöhung der Steuern, die Reform des Justiz- und Bildungswesens, der Aufbau einer strengen Steuerverwaltung und die Liberalisierung des Arbeitsmarktes sind Indizien für den neuen Reformwillen von Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras". "Doch", so die Zeitung aus Düsseldorf, "selbst wenn Griechenland die beschlossenen Reformen Schritt für Schritt umsetzt, bleibt die Frage, womit das Land in Zukunft Geld verdienen und wachsen will, um die erdrückende Schuldenlast in den nächsten Jahrzehnten zurückzuzahlen."
Quelle: ntv.de