Pressestimmen

Länderspielabsage wegen Terrorgefahr "Zurückweichen ist eine starke Botschaft"

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(Foto: picture alliance / dpa)

Das Spiel der DFB-Elf gegen die Niederlande sollte ein Zeichen gegen den Terror werden. Doch dann wird die Partie wegen "konkreter Hinweise" auf einen möglichen Bombenanschlag kurzfristig abgesagt. Die Presse diskutiert die Entscheidung des Innenministers.

Die Fans sind bereits auf dem Weg in das Fußballstadion in Hannover, wo das Spiel des DFB-Teams gegen die Niederlande stattfinden soll – als Zeichen gegen den Terror. Kurzfristig beschließt das Innenministerium, die Partie abzusagen. Grund sind "konkrete Hinweise" auf einen möglichen Bombenanschlag. Die Presse diskutiert die Entscheidung.

Die Süddeutsche Zeitung nimmt den Innenminister Thomas de Maizière in Schutz: "Er entscheidet auf der Basis von Hinweisen und Gefahranalysen, meist unter großem öffentlichen Druck. Er entscheidet im Bewusstsein, dass womöglich jede Entscheidung falsch ist - und es bei der Entscheidung wohl nur darum gehen kann, welche weniger falsch ist. Entscheidet er sich für die Absage, gibt er dem Terror nach. Entscheidet er sich gegen die Absage, erlebt er die Hölle, wenn etwas passiert. Lässt er ein Stadion räumen und wird anschließend nichts Verdächtiges gefunden, zeiht man ihn der Hysterie; das tun dann auch diejenigen, die zuvor diese Hysterie mitgeschürt haben."

Die Neue Presse aus Hannover bemängelt die öffentliche Begründung des Entschlusses. De Maizière sei "unter den Ministern nicht gerade für sein großes rhetorisches Talent bekannt. Muss er spontan werden, versucht er es mit ausweichenden Antworten, wie auf der Pressekonferenz nach der Absage des Länderspiels. Das kann dann schon mal schiefgehen. Auf die berechtigte Frage nach dem Grund der Absage mit 'Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern' zu reagieren, war fatal. Weil er erst die extreme Verunsicherung geschaffen hat. Darüber, wie ernst die Situation wirklich war. Die Wahrheit zu sagen, tut manchmal weh. Aber deshalb ist es nicht legitim, sie komplett zu verschweigen. Sie muss eben richtig verpackt werden. So, dass keine Hysterie entsteht, dass sie nicht alles preisgibt, aber Fragende sich ernstgenommen führen."

Der Tagesspiegel findet lobende Worte für den Sicherheitsapparat, der "funktioniert, vom einfachen Polizisten bei der Evakuierung der HDI-Arena bis zu den deutschen Geheimdiensten und ihren europäischen Partnern. Alle, die bei 'Geheimdienst' immer nur an ihre Privatmail denken, sollten sich daran später erinnern. Sicherheit rechtfertigt nicht alles, Freiheit aber ebenfalls nicht. Auch die Politik fällte schnell und verantwortlich Entscheidungen, selbst um den Preis, dass sie als Symbol des Zurückweichens missverstanden werden könnten. In Wahrheit ist gerade das Zurückweichen eine starke Botschaft. Der humane Rechtsstaat fordert keine Menschenleben wie seine Perversion, die sich 'Islamischer Staat' nennt. Er riskiert sie nicht einmal. War die Absage des Freundschaftsspiels wirklich nötig? Selbst wenn sie nur nötig erschien, war sie es."

Straubinger Tagblatt und Landshuter Zeitung nehmen nach der Nacht in Hannover zwei Erkenntnisse mit: "Zum einen: Deutschland ist keine Insel der Glückseligkeit, sondern war, ist und bleibt erklärtes Angriffsziel islamistischer Terroristen. Schon vor Paris bestand eine abstrakt hohe Gefährdungslage, daran hat sich nichts geändert. Zum anderen: Die Sicherheitsdienste tun ihren Job und haben die Lage im Griff. BND, Verfassungsschutz, BKA, Bundespolizei und die Polizei der Länder arbeiten eng zusammen und tauschen ihre Erkenntnisse aus, auch die Kooperation mit den ausländischen Diensten funktioniert."

Kritischer hingegen urteilt der Kölner Stadt-Anzeiger. Die Absage des Länderspiels verdeutliche, "wie weit wir mit Parolen, Lippenbekenntnissen und dem massiven Aufgebot vermeintlicher Stärke kommen (…). Die Partie Deutschland-Niederlande, als Zeichen des Freiheitswillens und der entschlossenen Gegenwehr gedacht, ist durch die Absage zum Ausdruck von Naivität geworden. Man fühlt sich an Merkels 'Wir schaffen das' erinnert, das zur hohlen Phrase verkommen wäre, wären nicht ungezählte Helfer den eigenen mitmenschlichen Impulsen gefolgt. Sollte die Sicherheit nicht nur eines Länderspiels, sondern unserer Gesellschaft nach den gleichen Ritualen gewährleistet werden, sind wir schlecht gerüstet. Der Wunsch jedenfalls, ein Zeichen zu setzen, ist in Hannover an der Wirklichkeit gescheitert."

Quelle: ntv.de

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