Werbungskosten im Studium BFH: Fiskus soll für Erstausbildung zahlen
05.11.2014, 21:41 UhrStudium, Schauspielschule oder Pilotenausbildung - wer Geld verdienen will, muss erstmal in seine Ausbildung investieren. Bislang lassen sich solche Kosten allerdings kaum von der Steuer absetzen. Das könnte sich bald ändern. Betroffene sollten jetzt schon handeln.
Gebühren für private Studiengänge und Repetitorien, Kosten für Exkursionen, Bücher, Arbeitsgeräte oder Materialien - solche und andere Aufwendungen für die Erstausbildung lassen sich nicht als Werbungskosten von der Steuer absetzen. Das könnte sich aber bald ändern: Nach Einschätzung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das Abzugsverbot verfassungswidrig. Jetzt soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Insgesamt sechs Fälle lagen dem obersten Steuergericht vor. Einer der Kläger hatte im Rahmen seines Studiums der internationalen Betriebswirtschaftslehre ein Auslandssemester in Australien verbracht. Die Unkosten, etwas für Studiengebühren, Miete und Flüge, machte er als vorweggenommene Werbungskosten in seiner Steuererklärung geltend. Andere Kläger hatten rund 70.000 Euro für ihre Pilotenausbildung ausgegeben und wollten den Fiskus per Verlustvortrag an diesen Kosten beteiligen. Erwartungsgemäß spielten die Finanzämter nicht mit: Laut Einkommensteuergesetz lassen sich Aufwendungen für eine Erstausbildung - außer im Rahmen von Ausbildungsverhältnissen - nicht als berufsbedingte Werbungskosten anrechnen, sondern lediglich als Sonderausgaben.
Der Unterschied: Sonderausgaben werden nur für das Jahr anerkannt, in dem sie entstanden sind. Außerdem ist der Betrag auf 6000 Euro beschränkt. Werbungskosten lassen sich dagegen unbegrenzt als Verluste in die Zukunft vortragen. Das wäre gerade für Menschen in der Ausbildung attraktiv. Vor dem Einstieg ins Berufsleben haben sie meist ohnehin nur wenig Einkommen, erst danach käme ein Steuervorteil zum Tragen. Die Möglichkeit des Sonderausgabenabzugs rechne sich nur für Auszubildende mit hohen eigenen Einnahmen, in den meisten Fällen gehe sie jedoch ins Leere, findet der Bundesfinanzhof.
Nach Ansicht der Richter verstößt das Verbot des Werbungskostenabzugs gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Die Aufwendungen für die Ausbildung seien Voraussetzung dafür, dass später einkommensteuerpflichtige Einkünfte entstehen könnten. Also seien sie vorweggenommene Werbungskosten. Außerdem könnten die Auszubildenden nicht frei über die Gelder verfügen, die sie zwangsläufig in ihre Berufsausbildung investierten.
Steuererklärung machen und Ansprüche sichern
Nun muss das Bundesverfassungsgericht klären, ob die geltende Regelung aus dem Jahr 2011 gegen das Grundgesetz verstößt. Bis zu einer Entscheidung dürfte es noch eine Weile dauern. Die Betroffenen können aber schon jetzt handeln und Vorsorge treffen, falls das Urteil zu ihren Gunsten ausfällt. Wichtigste Maßnahme: Eine Steuererklärung abgeben, auch wenn für aktuell noch keine Rückerstattung zu erwarten ist. Das Finanzamt wird die Werbungskosten zunächst nicht anerkennen, deshalb ist es wichtig, gegen den Steuerbescheid Einspruch einzulegen und auf das ausstehende Urteil hinzuweisen, rät der Bund der Steuerzahler. Der Fall bleibt dann so lange offen, bis das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung fällt. Folgen die Verfassungsrichter der Ansicht des Bundesfinanzhofs, gibt es gute Chancen auf eine Rückzahlung.
Interessant ist die Sache auch für jene, die in den letzten Jahren keine Steuererklärung gemacht haben. Wer freiwillig veranlagt ist, kann die Steuererklärung bis zu vier Jahre rückwirkend abgeben, Ende Dezember läuft die Frist für 2010 ab. So können sich auch Berufsanfänger, die ihre Ausbildung in den letzten Jahren beendet haben, den Verlustvortrag sichern. Allein wegen ein paar Büchern dürfte sich kaum jemand die Arbeit machen. Doch meistens lässt sich weit mehr absetzen: Fahrtwege etwa, diverse Aufwendungen in Zusammenhang mit einem Auslandssemester oder auch die doppelte Haushaltsführung, wenn man ein Praktikum in einer anderen Stadt absolviert.
Viele Studenten und Auszubildende können den Werbungskostenabzug übrigens schon heute geltend machen. Denn das bisherige Verbot gilt nur für das Erststudium oder die Erstausbildung, die nicht im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses erfolgt. Wer seinen Master macht, ein duales Studium bestreitet, an einer Berufsakademie studiert, oder als Azubi im Betrieb ausgebildet wird, kann schon heute Werbungskosten absetzen.
Quelle: ntv.de, ino