GEW hört Alarmglocken Das Geschäft mit Schülern
10.03.2008, 15:42 UhrDas Geschäft bei Nachhilfe-Lehrerin Kristin Hausmann in Hanau brummt. "Die Nachfrage steigt ständig", sagt die Leiterin einer privaten Nachhilfeschule, die zur bundesweiten Studienkreis-Kette gehört. Die Ausgabe der Halbjahreszeugnisse und die blauen Briefe vor den Sommerferien bescheren ihr und ihren Kollegen stets einen Aufschwung. Auch die öffentliche Konkurrenz hat den wachsenden Wunsch nach Lernhilfe vernommen. Hessische Volkshochschulen (VHS) etwa haben neben Töpfern und Backen Englisch für Erstklässler, Latein in den Ferien und Mathe-Training für Abiturienten ins Programm aufgenommen.
"Wenn die Kinder Unterstützung in der Schule brauchen, bieten wir das an", sagt der VHS-Leiter im Kreis Fulda, Michael Friedrich. Das Angebot werde erweitert. Die Frankfurter VHS bietet Sprachkurspakete für ganze Schulen - "ohne Notendruck und 45-Minuten-Takt". Der Direktor des hessischen VHS-Verbandes, Enno Knobel, unterstützt das: "Weil man weiß, das ist bezahlbar." Vier bis fünf Euro die Stunde kosten die VHS-Kurse. Private Schulen nehmen das Doppelte, bieten aber kleinere Gruppen. Der Markt ist groß. Allein der Studienkreis hat beispielsweise in Hessen 70 Filialen, die Schülerhilfe 106. Dazu kommen kleinere Anbieter, Einzellehrer und Studenten.
"Bildung wird zur Ware"
Für die Bildungsgewerkschaft GEW ist das ein Alarmsignal. "Bildung wird immer mehr zur Ware", beklagt Landesvorsitzender Jochen Nagel. Eine Schullaufbahn dürfe nicht davon abhängen, ob Eltern ihrem Kind die Nachhilfe bezahlen könnten. "Ein öffentliches Schulwesen müsste diese Aufgaben selbst leisten", fordert Nagel. Eine Sprecherin des Kultusministeriums sagt dagegen: "Das ist ein freier Markt." Die Eltern müssten entscheiden, ob und welche Nachhilfe sie für ihre Kinder in Anspruch nehmen wollten.
Eine von Zehntausenden Schülern, die im Bundesland Hessen auf Nachhilfe vertrauen, ist Zehra Sentürk. Die 19-Jährige aus Hanau kommt seit einem schlechten Zwischenzeugnis zweimal wöchentlich zu Kristin Hausmann in die Nachhilfe. "Hier verstehe ich es besser als in der Schule", sagt sie. Ihre Eltern zahlen dafür 134 Euro im Monat. In ihrer Klasse ist Zehra damit keine Ausnahme. "Viele bekommen Nachhilfe", sagt die Abiturientin.
Schon Grundschüler pauken inzwischen mit Nachhilfelehrern. Ein Anbieter hat für sie als neuen Renner Konzentrationstraining im Programm. Die VHS Limburg-Weilburg etwa bietet Erstklässler-Englisch und Mathematik für Grundschüler. Direktor Michael Schneider setzt aber auch auf Kunst oder Handarbeit. "Die Tendenz in vielen Schulen war, kreative Arbeiten zurückzudrängen", sagt er. Nun entspannen gestresste Grundschüler beim Kinder-Yoga in der VHS.
Quelle: ntv.de