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Wenn Kinder für Eltern zahlen müssen Das Sozialamt bittet zur Kasse

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Es könnte jederzeit in jeder Familie passieren: Nach einem Schlaganfall muss der Vater ins Seniorenheim ziehen. Rente und Pflegegeld decken aber die Kosten nicht. Das Sozialamt springt daraufhin ein und bittet anschließend den Sohn oder die Tochter zur Kasse. Kinder müssen in solchen Fällen für die bedürftigen Eltern aufkommen.

 

Dass Kinder ihren Eltern gegenüber unterhaltspflichtig sind, regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB): "Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren", steht dort in Paragraf 1601 geschrieben. Das automatische Recht der Sozialämter, den Nachwuchs für Zahlungen in die Pflicht zu nehmen, leitet sich aus dem Sozialgesetzbuch ab. Details zum Elternunterhalt haben Gerichte in zahlreichen Entscheidungen ausgestaltet, allen voran die Oberlandesgerichte (OLG) und der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.

 

Kinder müssen dabei keine Sorge haben, am Ende kein eigenes Geld mehr übrig zu behalten. Sie müssen nicht ihr gesamtes Einkommen für die bedürftigen Eltern aufwenden. "Es gibt einen Selbstbehalt von 1400 Euro für denjenigen, der zahlen soll. Außerdem werden 1050 Euro für den Ehepartner und altersabhängige Beträge für eigene Kinder abgezogen", erläutert der Familienrechtler Finn Zwißler. Demnach bliebe von 3000 Euro netto nach Abzug des Selbstbehalts von 2450 Euro für ein Ehepaar ein Restbetrag von 550 Euro. Die Hälfte davon steht dem Anwalt zufolge nach gängiger OLG-Rechtsprechung dem Sozialamt zu.

 

Minderungsgründe

 

Unterhaltssätze veröffentlichen die Gerichte auf ihren Internetseiten. Am bekanntesten ist die Düsseldorfer Tabelle, die auch Unterhaltszahlungen für eigene Kinder regelt. Schulden für eine eigene Immobilie - nicht jedoch der Auto- oder Urlaubskredit- können die Summe weiter reduzieren, ebenso die freiwillige private Altersvorsorge.

 

Nach einem Urteil des BGH darf ein Kind bis zu fünf Prozent seines Bruttoeinkommens geltend machen, um "den Fortbestand seiner gegenwärtigen Lebensverhältnisse durch Sparvermögen oder ähnliche Kapitalanlagen" zu sichern (Az.: XII ZR 98/04). Zudem gibt es ein gewisses Schonvermögen. Bei Geschwistern wird der Elternunterhalt auf mehrere Schultern verteilt.

 

"Eine Quotierung ist möglich", sagt Nils Fleischmann, der Jurist des Sozialamts der Stadt Offenbach. Für die gestaffelte Festsetzung legt sein Amt die Einkommensverhältnisse zugrunde. So kann es passieren, dass ein Geschwisterteil nichts zahlt, während die beiden anderen Geschwister 25 und 75 Prozent aufbringen. Ob das eine Kind zum Beispiel als gesetzlicher Betreuer eingesetzt ist, spiele bei der Berechnung keine Rolle.

 

Verpflichtung zur Auskunft über Vermögen

 

Finanzielle Auskünfte holt die Behörde anhand eines Fragebogens ein. Paragraf 1605 des BGB verpflichtet die Kinder zu Vermögensauskünften, "sofern dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist". Das Verfahren sorgt nach Fleischmanns Erfahrung oft für Ärger in der Familie: "Manche glauben, der andere hat viel mehr oder bei dessen Partner müsste mehr sein und jetzt würde geschummelt."

 

Der Auskunftspflicht schob der BGH aber schon vor Jahren einen Riegel vor. "Ein gegenüber seinen Eltern Unterhaltspflichtiger kann von den Ehegatten seiner Geschwister nicht Auskunft über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse beanspruchen", urteilten die Bundesrichter (Az.: XII ZR 200/00).

 

Nach der Prüfung flattert den Unterhaltspflichtigen eine Zahlungsaufforderung ins Haus. Untergrenzen gibt es nicht, wohl aber einen Maximalwert. Er "entspricht dem, was das Sozialamt bezahlt", erläutert Rechtsanwalt Zwißler. Im Allgemeinen prüfen Ämter bereits im Vorfeld, ob laut Gesetz unterhaltspflichtige Kinder selbst Sozialhilfe bekommen oder pflegebedürftig sind. Sie bleiben dann meist von Zahlungsaufforderungen verschont.

 

Härtefälle

 

Streit gibt es auch in Fällen, in denen Eltern und Kinder überkreuz liegen. "Ein Mann musste vor 40 Jahren im Streit das Haus seiner Mutter verlassen. Jetzt soll er für die 90 Jahre alte Frau das Heim bezahlen, obwohl seit damals kein Kontakt mehr bestand", so schildert der Deutsche Familienverband in Berlin einen typischen Härtefall. Der Mann plant eine Klage und hätte Chancen zu gewinnen, falls die Justiz auf "grobe Unbilligkeit" erkennt.

 

Hinter diesem Begriff stehen laut Zwißler zum Beispiel Fälle, in denen Eltern ihrer Unterhaltspflicht gegenüber Kindern nicht nachkamen, ihnen nach dem Leben trachteten oder eine Tochter ihrer Mutter umsonst den Haushalt führte. Der Autor rät, solche Einwände im Ernstfall beim Sozialamt vorzubringen. Besteht trotz mancher Probleme ein gutes Verhältnis, werde bisweilen immerhin auf eine Zahlungsminderung entschieden.

Quelle: ntv.de, dpa

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