Ratgeber

Wichtiges Urteil für leibliche Väter Familie geht nicht immer vor

Ein Mann zeugt ein Kind mit einer verheirateten Frau, doch die kehrt vor der Geburt zu ihrem Ehemann zurück und will vom Vater nichts mehr wissen. Vor deutschen Gerichten hat der Mann keine Chance, seine Vaterschaft anerkennen zu lassen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält das für unzulässig und macht unehelichen Vätern Hoffnung.

Im Zweifel soll das Kindeswohl im Vordergrund stehen. Nur - was ist das?

Im Zweifel soll das Kindeswohl im Vordergrund stehen. Nur - was ist das?

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Gerichte müssen bei Vaterschaftsstreitigkeiten in Zukunft sehr viel stärker das Wohl des Kindes im Auge behalten. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat jetzt einem 53-Jährigen aus Fulda Recht gegeben, dem deutsche Gerichte die Klärung seiner Vaterschaft und den Umgang mit seinem mutmaßlichen Sohn verweigert hatten. Rechtlicher Vater des heute Siebenjährigen ist der Ehemann der Mutter. Die Gerichte hätten die Umstände dieses Falls genauer prüfen sollen, befanden die Straßburger Richter.

In dem Fall hatte der Kläger eine längere Beziehung zu einer verheirateten Frau gehabt, sie während ihrer Schwangerschaft zum Arzt begleitet und die Vaterschaft anerkannt. Vor der Geburt kehrte die Frau allerdings zu ihrem Ehemann zurück, der Mann hat das Kind, das inzwischen sieben Jahre alt ist, nie gesehen. Den Antrag des Ex-Geliebten auf Umgang mit seinem mutmaßlichen Kind und Feststellung der Vaterschaft hatten deutsche Gerichte im Interesse der Familie abgewiesen.

Das deutsche Recht räumt dem Schutz der Familie und den sozialen Beziehungen absoluten Vorrang ein, auch wenn ein Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt. Wenn - wie in diesem Fall - das Kind mit seiner Mutter und deren Ehemann lebt, ist der leibliche Vater völlig rechtlos. Er kann nicht einmal ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren einleiten. Generell kann ein Mann die Vaterschaft nur dann gerichtlich klären lassen, wenn er auch die juristische Verantwortung für das Kind übernehmen will - aber auch nur dann, wenn das Kind nicht mit Mutter und rechtlichem Vater zusammenlebt.

Deutschland schuldet Schmerzensgeld

Diese Rechtsprechung habe sogar das Bundesverfassungsgericht bestätigt, sagte der Anwalt des Klägers, Georg Rixe. Im konkreten Fall will der Kläger Klarheit schaffen und Kontakt zu seinem Kind haben, falls dieses von ihm ist. Die Straßburger Richter stärkten ihm den Rücken: Es hätte geprüft werden sollen, ob ein Umgang des mutmaßlichen Vaters im Interesse des Kindeswohls läge, befanden sie. Dass dies unterblieben sei, werteten sie als Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist.

Deutschland muss dem Kläger deshalb ein Schmerzensgeld von 5000 Euro zahlen. Das Ehepaar hatte im Interesse der Familie einen Vaterschaftstest abgelehnt, das Bundesverfassungsgericht hatte den Antrag des Beschwerdeführers ohne Begründung zurückgewiesen.

Das Urteil kommt zu einem guten Zeitpunkt: Derzeit prüft das Bundesjustizministerium, ob deutsche Gesetze geändert werden müssen. Das Urteil werde in die bereits laufenden Überlegungen einfließen, sagte ein Ministeriumssprecher. Gleichzeitig verwies er auf mehrere Verfahren zum Verhältnis zwischen rechtlichen und biologischen Vätern, die beim EGMR noch anhängig seien. Es gebe auch ein bereits rechtskräftiges Urteil vom Dezember 2010, das vom EGMR nun bestätigt worden sei. Auch die damalige Entscheidung hatte die Rechte von Vätern gestärkt. Die Richter erklärten damals, dem Kläger dürfe der Umgang mit seinen Kindern, die er nie gesehen hatte, nicht einfach verwehrt werden. Gegen das neue Urteil aus Straßburg kann allerdings noch Berufung beantragt werden.

Quelle: ntv.de, ino/dpa/rts

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