Ratgeber

Klassenfahrt nach China und andere Hartz-IV-Urteile 2008

Auch vier Jahre nach Einführung des Arbeitslosengeldes II reißen die Klagen zu "Hartz IV" nicht ab. Zu Hunderttausenden liegen sie bei den deutschen Sozialgerichten.

Deren höchstes - das Bundessozialgericht in Kassel - hat im Sommer einen zweiten Senat nur für das Sozialgesetzbuch II abgestellt. Zahlreiche wichtige Fragen zur "Grundsicherung für Arbeitsuchende" haben die obersten deutschen Sozialrichter in diesem Jahr schon geklärt.

So ist seit September klar, dass Hartz-IV-Empfänger ihr Konto offenlegen müssen, wenn sie Geld vom Staat wollen. Wenn das ALG II beantragt werde oder es den Verdacht auf Missbrauch gebe, könne die Behörde die Auszüge der letzten drei Monate einsehen. Allerdings dürften Überweisungsvermerke, aus denen politische, religiöse oder auch sexuelle Vorlieben geschlossen werden könnten, geschwärzt werden (Az.: B 14 AS 45/07 R). Ist auf den Auszügen ein verspäteter Lohneingang zu erkennen, kann das das Arbeitslosengeld II kosten. Im Juli entschied das Bundesgericht, dass die Behörde nicht zahlen muss, wenn im ersten Monat der Arbeitslosigkeit "zu viel" Geld auf dem Konto eingeht - selbst wenn es nur eine verspätete Lohnzahlung aus einem schon beendeten Arbeitsverhältnis ist (Az.: B 14 AS 26/07 R und B 14 AS 43/07 R).

Keine Kürzung bei WG

Allerdings haben die Kasseler Richter die Rechte der Arbeitslosen auch gestärkt. So darf das Arbeitslosengeld II nicht gestrichen werden, nur weil jemand in einer Wohngemeinschaft lebt. Gekürzt werden dürfe nur in einer Bedarfsgemeinschaft, also einer eheähnlichen Beziehung (Az.: B 14/11b AS 61/06 R). Auch erwachsene Kinder haben nach einem anderen Urteil Anspruch auf den vollen Zuschuss, selbst wenn sie bei ihren Eltern mitessen (Az.: B 14 AS 46/07 R). Und auch wer im Krankenhaus liegt und dort verpflegt wird, hatte bislang Anspruch auf den vollen Kostensatz (Az.: B 14 AS 22/07 R). Das wurde zwar zu Jahresbeginn geändert, die Bundesrichter äußerten daran allerdings "gewichtige Bedenken".

Dass auch Hartz-IV-Empfänger eine Eigenheimzulage bekommen dürfen, entschieden die Richter Ende September. Danach werden, sofern sie das Geld sofort in ihre Wohnung stecken, Arbeitslose so behandelt wie jeder andere Antragsteller auch (Az.: B 4 AS 19/07 R). Das gilt allerdings auch für die Zuzahlung bei Medikamenten: Zumindest zu einem kleinen Teil sollen Hartz-IV-Empfänger ihre Arzneimittel selbst bezahlen, dieses Geld ist im Regelsatz von derzeit 351 Euro enthalten (Az: B 1 KR 10/07 R).

Klassenfahrt nach China

Dafür verpflichtete das Bundessozialgericht die Behörden, die Kosten für Klassenfahrten bei Kindern aus Hartz-Haushalten komplett zu übernehmen. Die Stadt Berlin hatte eine Höchstgrenze ziehen wollen, nachdem sie eine Klassenreise nach China hatte finanzieren müssen. Doch die Begrenzung ließen die Richter nicht zu: Ein Limit für die Kosten von Klassenfahrten festzulegen, erlaube das Sozialgesetzbuch II nicht (Az.: B 14 AS 36/07 R).

Für Aufsehen sorgte auch das letzte Urteil des Jahres zum Thema Hartz IV. Die Richter entschieden, dass ein Arbeitsloser einen sogenannten Ein-Euro-Job annehmen muss, selbst wenn er sich für überqualifiziert hält und die Wochenarbeitszeit 30 Stunden erreicht. Andernfalls kann das Arbeitslosengeld II gekürzt werden. Geklagt hatte ein heute 58 Jahre alter Ingenieur aus dem Ostallgäu. Der seit Jahren arbeitslose Mann sollte für 1,50 Euro pro Stunde Bäumchen mit einer Schutzfolie umwickeln. Die Richter urteilten, dass das Geld keine tatsächliche Gegenleistung für die Arbeit, sondern nur ein Anreiz ist - schließlich wird das Arbeitslosengeld II weitergezahlt (Az.: B 4 AS 60/07 R).

Quelle: ntv.de

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