Ratgeber

Fairtrade vom Discounter Mehr als nur ein Alibi?

Discounter tragen ihre Preisschlacht auf dem Rücken der Produzenten aus, das ist bekannt. Und auch die Angestellten werden kaum beneidet. Wie ist es zu bewerten, dass sich ausgerechnet Lidl fairen Handel auf die Fahnen schreibt?

Ein gutes Dutzend Fairtrade-Produkte hat Lidl mittlerweile im ständigen Sortiment.

Ein gutes Dutzend Fairtrade-Produkte hat Lidl mittlerweile im ständigen Sortiment.

(Foto: picture alliance / dpa)

Spätestens seit der Affäre um Mitarbeiter-Bespitzelung und den Berichten über verhinderte Betriebsratsgründungen und Verstöße gegen das Arbeitsrecht hat Lidl sein Image als fieser Arbeitgeber weg. Und so mag es ein wenig absurd erscheinen, ausgerechnet in den Lidl-Regalen fair gehandelte Produkte zu finden. Fünf Jahre ist es nun her, seit der Discounter seine "Fairglobe"-Linie ins Programm genommen hat. Ein gutes Dutzend Lebensmittel mit Transfair-Siegel steht inzwischen dauerhaft im Regal, das Spektrum reicht vom Basmati-Reis über Wein bis zum Orangensaft. Hinzu kommen Aktionsangebote wie etwa Unterwäsche aus Fairtrade-Baumwolle.

Ob sich die Sache für Lidl abseits der Imagepflege auch finanziell lohnt, ist ungewiss. Auf Anfrage von "Öko-Test" wollte man sich nicht zum Umsatz äußern. Für die deutsche Fairtrade-Organisation ist die Zusammenarbeit mit den Billigheimern aber ein Erfolg. Rund 30 Prozent der Verkäufe mit fair gehandelten Produkten werden inzwischen im Discount getätigt. Ob Netto, Aldi Süd oder Penny - inzwischen hat fast jeder Discounter zumindest fairen Kaffee im Dauersortiment, hinzu kommen Aktionsangebote.

Nicht nur Discounter machen Ärger

Kritiker sehen das Engagement dennoch mit gemischten Gefühlen: Schließlich sind es vor allem die Discounter, die den Druck auf Lieferanten erhöhen und damit die Produktionsbedingungen immer mehr verschärfen. Da scheint das Engagement im fairen Handel lediglich eine Alibifunktion zu haben. Das Grundproblem des Preisedrückens trifft übrigens nicht nur die Billigsten: Auch Edeka, Rewe oder Metro sind dafür mitverantwortlich, dass in Entwicklungsländern zu menschenunwürdigen Bedingungen gearbeitet wird, so das Ergebnis einer Oxfam-Studie. Kann man also ruhigen Gewissens zur Fairtrade-Banane greifen, wenn nebenan im Obstregal Früchte liegen, die zum Hungerlohn angebaut werden?

Dieses moralische Problem kann Transfair auch nicht ausräumen. Die Organisation vergibt in Deutschland das Fairtrade-Siegel an Produkte, die die international festgelegten Standards erfüllen. Zu den Mindestvoraussetzungen gehören soziale Kriterien wie der Ausschluss von Kinderarbeit, Tarifverhandlungen und Gesundheitsvorsorge, aber auch Umweltstandards wie sparsamer Wasserumgang und reduzierter Chemikalieneinsatz. Darüber hinaus gibt es ökonomische Kriterien: Händler müssen Bauern ihre Ernte nicht nur bei Bedarf vorfinanzieren, sondern die Produkte später auch zu einem Mindestpreis abnehmen. Diese Mindestpreise gelten für jeden Abnehmer. Für Lidl-Kakao bekommen die Produzenten also genauso viel Geld wie für Ware, die im Biomarkt verkauft wird.

Neue Kundenschichten

"Um möglichst viele Produzenten in den Entwicklungsländern ins Fairtrade-System zu integrieren, müssen wir Märkte und Absatzmöglichkeiten für sie schaffen", erklärt Transfair-Chef Dieter Overath. Und da 90 Prozent der Deutschen zumindest gelegentlich beim Discounter kaufen, sind die Billig-Märkte eine ideale Plattform, um neue Kundenschichten zu erschließen. Für die fair gehandelte Schokolade, die sie mal eben bei Lidl mitnehmen, würden sich die meisten Käufer wohl kaum extra in den Eine-Welt-Laden begeben.

Zu kontrollieren, unter welchen Bedingungen die Angestellten in den Märkten arbeiten, gehört nicht zu den Aufgaben von Transfair. Und die Siegelvergabe hängt auch nicht davon ab, unter welchen Bedingungen die Discounter sonst produzieren lassen. Die Teilnehmer an den Transfair-Projekten können sich über Lidls Engagement freuen. Ein echter Erfolg wäre es indes, wenn der Nachhaltigkeitsgedanke auch jenseits der schmalen "Fairglobe"-Regale zum Tragen kommen würde.

Quelle: ntv.de

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