Kostenpflichtige IGel beim Arzt Nur selten richtig wichtig
26.01.2011, 09:56 UhrImmer öfter empfehlen Ärzte Zusatzleistungen, die nicht von der Kasse übernommen werden. Der IGel-Markt boomt. Wirklich notwendig sind die kostenpflichtigen Extras nicht, manche können aber sinnvoll sein.
Mehr als ein Viertel aller Kassenpatienten greift beim Arztbesuch auch über die Praxisgebühr hinaus gelegentlich in die eigene Tasche. Sie zahlen für "IGel", also individuelle Gesundheitsleistungen, die Ärzte neben dem Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen anbieten. Vorsorgeleistungen gehören ebenso dazu wie Diagnosemethoden, gesundheitsfördernde oder kosmetische Maßnahmen. Weil diese Leistungen nicht unbedingt medizinisch notwendig sind, müssen sie privat bezahlt werden. Dass das so viele Versicherte tun, liegt auch daran, dass Ärzte auch als Verkäufer - dank gesponserter Schulungen - immer professioneller werden. Denn dass Patienten aktiv nach IGel-Leistungen fragen, kommt eher selten vor, wie das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) letzten Dezember in einer Studie festgestellt hat. Drei Viertel der Befragten gaben damals an, vom Arzt auf das IGel-Thema angesprochen worden zu sein. Als besonders vertriebsfreudig taten sich dabei Augenärzte und Gynäkologen hervor, Ultraschalluntersuchungen und Glaukomvorsorgeuntersuchungen erwiesen sich als Verkaufsschlager unter den Igeln.
Was wirklich wichtig ist, zahlt die Kasse
Das Verhältnis zum Mediziner könnte durch dessen Verkaufsaktivitäten belastet werden, fürchten Verbraucherschützer. Patienten müssen schließlich immer abwägen, ob Ärzte Leistungen nur aus finanziellen Gründen empfehlen oder weil sie tatsächlich medizinischen Mehrwert bringt. Die Unsicherheit schwindet, wenn man im Vorfeld ein paar Fragen zu klärt. Die vielleicht wichtigste: Wenn die Behandlung wirklich sinnvoll ist, warum wird sie dann nicht von der Krankenkasse bezahlt? Ist der Nutzen ausreichend belegt? Krankenkassen übernehmen grundsätzlich nur Behandlungen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich bewiesen ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage nach Alternativen, die von der Kasse bezahlt werden. So haben Kassenpatienten ab 35 ein Recht auf ein regelmäßiges Hautkrebs-Screening ohne weitere Hilfsmittel Ärzte bieten als Zusatzleistung gerne an, ein Auflichtmikroskop zu verwenden – und lassen sich das mit rund 40 Euro honorieren. Nach Beobachtungen des WIdO rechnen Ärzte mitunter auch Leistungen als IGel ab, die eigentlich von der Kasse übernommen werden. Besonders häufig ist das bei Ultraschalluntersuchungen der Fall. Auch hier gilt: Gibt es eine medizinische Indikation, müssen Patienten nicht selber zahlen.
Der medizinische Nutzen vieler IGel ist umstritten. Paradebeispiel ist der sogenannte PSA-Test. Mit der Blutuntersuchung soll Prostatakrebs frühzeitig erkannt werden. Tatsächlich liefert der Test aber ziemlich unzuverlässige Ergebnisse und trägt so eher zur Verwirrung als zur Lebensverlängerung bei, wenn sich Erkrankte fälschlicherweise in Sicherheit wiegen oder sich Gesunde mit Folgebehandlungen belasten. Ähnliches gilt für die Sonografie, die als alleinige Methode der Brustkrebsfrüherkennung zu falschen Ergebnissen führen kann. Auch die zusätzliche Ultraschallbelastung, der sich Schwangere beim sogenannten "Babyfernsehen" unterziehen, ist nicht unbedingt gesundheitsfördernd. In jedem Fall sollte man zu vorgeschlagenen Extraleistungen weitere Informationen einholen, denn wirklich akut sind IGel-Maßnahmen nicht.
Nützliche IGel
Es gibt natürlich auch sinnvolle IGel. Uneingeschränkt zu empfehlen ist die halbjährliche Zahnreinigung, bei der Beläge und Zahnstein gründlich entfernt und die Zähne mit Fluoridbelag geschützt werden. Wer in exotische Länder reist, sollte in entsprechende Impfungen investieren. Und Sportler tun gut daran, vor hohen körperlichen Belastungen ihren Gesundheitszustand untersuchen zu lassen. Zu den rein kosmetischen IGeln zählen kleinere Eingriffe wie Besenreiser-Verödung oder Tattoo-Entfernung, aber auch ästhetische Operationen wie Fettabsaugung oder Faceliftings. Hier sollte man unbedingt im Vorfeld klären, wer für die Kosten eventuell nötiger Folgeoperationen aufkommt.
Generell werden IGel nach der Gebührenordnung für Ärzte abgerechnet, normalerweise zum ein- oder zweifachen Satz, nimmt ein Arzt den dreifachen Satz, muss er das begründen. Patienten sollten sich einen Kostenvoranschlag geben lassen und haben auf jeden Fall Anspruch auf eine Rechnung, mit der sie die Leistungen nachvollziehen können. Und noch etwas ist wichtig: Zusätzlich zum IGel-Honorar darf keine Praxisgebühr verlangt werden.
Krankenzusatzversicherung: Policen für Extraleistungen
Quelle: ntv.de