Telearbeit Ohne Selbstdisziplin läuft nichts
22.08.2007, 12:06 UhrTelearbeit klingt verlockend: Statt früh aufzustehen, bleibt man einfach zu Hause. Die Zeit für den Weg zur Arbeit lässt sich schon nutzen. Telearbeit funktioniert aber nicht in jedem Beruf - und ist auch nicht jedermanns Sache.
Manche kühne Vorhersage über die Chancen der Telearbeit hat sich nicht bewahrheitet: "Die Büros sind nicht abgerissen worden", sagt Hartmut Seifert von der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf. "Telearbeit hat auch nicht so rasant zugenommen wie erwartet", sagt Thomas Prinz von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) in Berlin. Aber es gebe sie quer durch alle Branchen bei so gut wie allen Tätigkeiten, die von zu Hause aus möglich sind.
"Insgesamt hat sich der Anteil der Unternehmen, bei denen Telearbeit möglich ist, von 7,8 Prozent in 2003 auf 18,5 Prozent im vergangenen Jahr mehr als verdoppelt", sagt Christiane Flüter-Hoffmann vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Zu den Pionieren in Deutschland gehört IBM. "Heute nutzen zwei Drittel der Belegschaft die Möglichkeit zur Telearbeit", sagt Heinz Liebmann, Leiter der Personalprogramme bei IBM in Stuttgart. "Wir haben damit im Außendienst angefangen, inzwischen aber auch die Back-Office-Bereiche einbezogen."
Anderer Führungsstil
Die Erfahrungen der Wirtschaft seien insgesamt positiv, sagt Flüter-Hoffmann. Vorbehalte gebe es noch bei einzelnen Führungskräften. "Viele setzen immer noch auf Anwesenheitskultur, bei der alle Mitarbeiter zwischen 9.00 und 17.00 Uhr da sein müssen", sagt die Projektleiterin Betriebliche Personalpolitik. "Telearbeit macht aber einen neuen Führungsstil notwendig. Der Vorgesetzte muss mehr Coach und weniger Kontrolleur sein."
Bei IBM wird jeweils in den einzelnen Abteilungen geregelt, wann welche Mitarbeiter im Büro sind und wann zu Hause arbeiten. Angst vor Missbrauch gibt es nicht: "Wir gehen davon aus, dass die Mitarbeiter verantwortungsvoll damit umgehen", sagt Liebmann. Er macht selbst Telearbeit und ist jeweils drei, vier Tage im Büro, dann zu Hause. Technisch sei das immer einfacher geworden. "Praktisch jeder Mitarbeiter hat ein Laptop und einen DSL-Anschluss." Teamarbeit sei so auch per Datenleitung möglich - etwa durch Web-Konferenzen.
Ausschließlich Heimarbeit ist die Ausnahme
Dass ausschließlich oder zum größten Teil von zu Hause gearbeitet wird, ist aber nach wie vor die Ausnahme. Standard sei die so genannte alternierende Telearbeit, bei der sich Phasen im Büro mit solchen im "Home Office" abwechseln, sagt Thomas Prinz. Dabei seien grundsätzlich viele unterschiedliche Modelle möglich.
Dazu zählt ein fester Rhythmus, in dem Büro- und Telearbeit wechseln. Es kann aber auch vom jeweiligen Arbeitsaufkommen abhängig gemacht werden - und von beruflichen Terminen. "Wir haben jedenfalls immer abgeraten, die Arbeit komplett nach Hause zu verlegen", sagt Christiane Flüter-Hoffmann vom IW. Und es gehe auch nicht mit jedem Mitarbeiter: "Man muss sich schon gut organisieren können."
"Es ist auf jeden Fall wichtig, die Verbindung zu seiner Abteilung zu halten", sagt Heinz Liebmann. "Es geht auch nicht ganz ohne Face-to-Face-Kontakte. Schwierige Themen bespricht man nicht am Telefon." Aber nicht nur das: "Der persönliche Faktor ist für die Arbeit oft ganz wichtig", sagt Hartmut Seifert. "Kommunikation hat ein produktives Potenzial", erläutert der Arbeitswissenschaftler. "Auf viele Ideen würde man allein zu Haus eben nicht kommen."
Quelle: ntv.de