Werbung wider Willen Postwurfsendung ist rechtswidrig
07.12.2011, 15:08 UhrFast jeder kennt sie, die in Klarsichtfolie geschweißte Werbepackung "Einkauf aktuell", die von der Deutschen Post allwöchentlich in Millionen Briefkästen verteilt wird. Ein Anwalt hat der unerwünschten Sendung widersprochen - zunächst vergeblich. Vorm Landgericht Lüneburg erwirkt er jetzt ein Urteil, das die Werbebranche in Nöte bringen könnte.
Ein Urteil des Landgerichts Lüneburg gegen unerwünschte Reklame im Briefkasten könnte bundesweit gravierende Folgen für die Werbewirtschaft haben. Das Zuschicken von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stelle einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, urteilte das Landgericht. Erkennbar nicht erwünschte Sendungen seien außerdem eine unzumutbare Belästigung.
Geklagt hatte Lüneburger Rechtsanwalt Henning Grewe gegen die Deutsche Post DHL. "Trotz mehrerer Schreiben an die Post wurden mir immer wieder Ausgaben von 'Einkauf aktuell' in den Briefkasten gesteckt", sagte Grewe. Im Wiederholungsfall droht der Post oder ihren gesetzlichen Vertretern nun ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Az: 4 S 44/11).
Post beklagt Aufwand
Trotz dreier Schreiben seit Dezember 2010 hatte Grewe die wöchentliche Sendung – ein in Klarsichtfolie verpacktes Programmheft und Werbebroschüren - bis zum vergangenen März noch acht weitere Male erhalten. Eine Unterlassungserklärung wollte die Post nicht abgeben, weil die Kosten und Mühen, gemessen an der Belästigung des Klägers, zu hoch seien.
Dagegen erhob Grewe Klage beim Amtsgericht. Dieses wies sie ab und sah keinen Unterlassungsanspruch. Der Kläger könne einfach einen "Werbung - nein danke!"-Aufkleber an seinem Briefkasten anbringen. "Das wollte ich aber nicht", erklärte Grewe. "Ich möchte selbst entscheiden, welche Werbung ich bekomme und welche nicht. Außerdem sehe ich nicht ein, dass ich zur Mülltrennung genötigt werde, die Packung zu öffnen und mir den Inhalt anzuschauen", begründete Grewe seinen Schritt.
Das Landgericht sah das ähnlich. Ein solcher Aufkleber sei nicht notwendig, wenn der Empfänger auf anderem Wege eindeutig zu verstehen gegeben habe, dass er diese Werbung nicht wünsche. "Das Zusenden von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stellt einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, nämlich dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar sowie eine Eigentums- oder Besitzstörung."
Selbstbestimmung geht vor Unternehmensinteressen
Bei ihrer Entscheidung beriefen sich die Richter auch auf Artikel 2 des Grundgesetzes, der das Selbstbestimmungsrecht garantiert. Das Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Individualsphäre habe grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse eines Unternehmens an Werbung. Auch gegen das Gesetz für unlauteren Wettbewerb sei dabei verstoßen worden.
"Im Hinblick auf die erhebliche Anzahl von Werbeverweigerern wird dies gegebenenfalls dazu führen, dass die bisher bekannte Form der Postwurfsendungen nicht mehr möglich sein wird", heißt es im Urteil. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung für die gesamte Werbewirtschaft ließ die Kammer eine Revision zu. Der Fall könnte also demnächst den Bundesgerichtshof beschäftigen. Bislang liegt kein Antrag auf Revision vor, allerdings ist die Frist auch noch nicht abgelaufen.
Quelle: ntv.de, dpa