Finger weg vom Selbstbehalt So senken Privatversicherte den Beitrag
01.07.2015, 22:08 UhrJe länger man in der privaten Krankenversicherung ist, desto teurer wird es. Die Beitragserhöhungen zum nächsten Jahr sind jetzt schon abzusehen. Kunden sollten handeln, bevor ihnen die Kosten über den Kopf wachsen.

Die Kosten im Gesundheitswesen steigen und das bekommen auch die Versicherten zu spüren.
(Foto: imago/McPHOTO)
Ende des Jahres dürfte die private Krankenversicherung für viele Kunden wieder teurer werden, das ist jetzt schon absehbar. Angesichts der Minizinsen am Kapitalmarkt schrumpfen die Altersrückstellungen, gleichzeitig müssen die Versicherungen immer mehr für Krankenhäuser und Arzneimittel ausgeben. Während Neukunden meist noch günstig einsteigen können, wächst die Belastung in den Alttarifen. Monatsbeiträge weit über 600 Euro sind nach 20 oder 30 Jahren in der Versicherung keine Seltenheit. Wer sich diese Preise nicht mehr leisten kann, hat mehrere Optionen.
Die erste: Die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung. Ab 55 Jahren ist dieser Weg aber verbaut. Außerdem muss man versicherungspflichtig sein, darf also im laufenden Jahr nicht mehr als 54.900 Euro verdienen. Wer 55 Jahre oder älter ist, hat nur noch dann eine Rückkehroption, wenn er in den letzten fünf Jahren zumindest einen Tag lang gesetzlich krankenversichert war.
Die zweite Möglichkeit ist für die meisten Privatversicherten die praktikablere: der Tarifwechsel. Sich einen neuen Anbieter suchen ist für langjährig Versicherte nicht drin, weil man die Altersrückstellungen von Verträgen, die vor 2009 geschlossen wurden, nicht zu einer anderen Gesellschaft mitnehmen kann. Bei Tarifwechseln innerhalb der Versicherung ist das aber seit einigen Jahren möglich – zumindest auf dem Papier. Immer wieder beklagten Kunden in der Vergangenheit, dass die Versicherungen bei dem Thema wenig kooperativ seien und Anfragen manchmal einfach im Sande verliefen. Das sollte spätestens 2016 aber besser werden, denn die meisten Versicherungen haben sich auf einen Tarifwechsel-Leitfaden mit mehr Transparenz verpflichtet.
Nicht zu lange fackeln
Wer mit einem Wechsel liebäugelt, sollte sich damit dennoch nicht allzu viel Zeit lassen. Denn schon gibt es Forderungen, die Mitnahme der Altersrückstellungen wieder einzuschränken. Die Deutsche Aktuarvereinigung hält das für sinnvoll, um die Beitragsentwicklung zu stabilisieren. Auch wenn offen ist, ob die Forderung auf fruchtbaren Boden fällt, kann es nicht schaden, die Tarifalternativen zu prüfen. Das Magazin "Öko-Test" hat für zwei Beispielkunden 120 Tarifkombinationen von 20 Versicherungen analysiert, um das Sparpotential auszuloten. Die Beispielfälle – 55 Jahre, weiblich/männlich, seit 15 Jahren im bisherigen Tarif – lassen sich natürlich nicht eins zu eins auf andere Kunden übertragen. Sie geben aber gewisse Anhaltspunkte darüber, was möglich ist und was nicht.

Einzelzimmer oder andere Extras kann man manchmal auch in günstigeren Tarifen haben.
(Foto: imago stock&people)
Grundsätzlich gilt: Tarifwechsel, mit denen Männer ordentlich sparen können, müssen sich nicht unbedingt auch für Frauen lohnen. Doch je nach Versicherung und Ausgangstarif können beide Geschlechter im Bestfall monatlich zwischen 100 bis 300 Euro sparen. Dabei sollte man sich keine Illusionen machen: Ein Tarif, der deutlich weniger kostet, bietet meist auch weniger. Oft sind bestimmte Leistungen gedeckelt, die im teuren Tarif unbegrenzt übernommen werden, etwa bei Heilmitteln oder Heilpraktikersitzungen. In manchen Tarifen fallen solche Extras auch komplett weg.
Häufig gibt es Einschränkungen bei Zahnersatz oder Kieferorthopädie. Dabei hängt es dann sehr von individuellen Ansprüchen ab, ob der Wechsel Sinn macht. Manche günstigen Tarife setzen auch auf das Primärarztprinzip. Dann muss man immer erst zum Allgemeinarzt, bevor man einen Termin beim Facharzt vereinbaren kann. Auch ein erhöhter Selbstbehalt ist möglich, manchmal lohnt sich der Wechsel aber trotzdem.
Als langjährig Versicherter hat man schon einiges an Altersrückstellungen angesammelt und damit einen Vorteil gegenüber Neukunden im gewählten neuen Tarif. Doch das muss sich nicht im Beitrag niederschlagen. Denn die Versicherungen müssen die Altersrückstellungen nicht unbegrenzt dazu verwenden, die Prämie zu senken. Wechsler können allenfalls verlangen, dass sie den gleichen Beitrag zahlen wie ein neuer Kunde im ursprünglichen Eintrittsalter – im Beispiel also wie ein 40-Jähriger. Die überschüssigen Altersrückstellungen dienen als Polster, damit die Beiträge später weniger stark steigen müssen.
Günstiger in der Premiumklasse
Auch wenn man keine größeren Leistungseinschränkungen riskieren will, kann laut "Öko-Test" ein Tarifwechsel Entlastung bringen, wenn auch nicht ganz so große. Leistet der neue Tarif sogar mehr als der alte, was durchaus vorkommen kann, wird womöglich eine neue Gesundheitsprüfung fällig. Doch um die kann man herumkommen, wenn man einfach auf die Mehrleistungen verzichtet.
Für Frauen sind mitunter die neuen Unisex-Tarife interessant. Seit Ende 2012 müssen Versicherer von Frauen und Männern die gleichen Beiträge verlangen, Frauen kommen deshalb zum Teil günstiger weg. Aber Vorsicht: Wer einmal in einen Unisex-Tarif gewechselt ist, kann später nicht mehr in die alte Tarifwelt wechseln. Man sollte sich also sicher sein, dass man den hochwertigen Schutz auch auf Dauer bezahlen kann.
Ein höherer Selbstbehalt ist in einem neuen Tarif nicht unbedingt ein Problem. Durch den niedrigeren Beitrag werden die Kosten oft ausgeglichen. Im alten Tarif einfach nur den Eigenanteil heraufzusetzen, ist hingegen eine schlechte Lösung. Auf den ersten Blick zahlt man zwar erstmal deutlich weniger. Doch ein Schutz vor künftigen Beitragssteigerungen ist der höhere Eigenanteil nicht. Nicht selten sei der Monatsbeitrag schon vier bis fünf Jahre später wieder auf dem ursprünglichen Niveau angekommen, warnt "Öko-Test". Der Selbstbehalt habe sich dann aber verdoppelt oder verdreifacht.
Angestellte stellen sich mit dem höheren Eigenanteil zudem selbst ein Bein: Von der Beitragsersparnis profitiert auch der Arbeitgeber, der 50 Prozent des Beitrags übernimmt. Den höheren Eigenanteil muss der Versicherte aber allein aus eigener Tasche finanzieren. Auch als vorübergehende Lösung ist der höhere Selbstbehalt nur mit Vorsicht zu genießen. Denn will man ihn später wieder senken, wertet das die Versicherung als Leistungserhöhung und verlangt eine neue Gesundheitsprüfung.
Quelle: ntv.de, ino