Ratgeber

Boreout statt Burnout Unterforderung stresst

Zu beweisen, dass man selbst und der eigene Arbeitsplatz unentbehrlich sind, kann einen schon unter Druck setzen. "Boreout" nennt man das Phänomen, wenn unteforderte Arbeitnehmer unter Stress geraten.

Früher galt Burnout als Managerkrankheit, heute ist das Phänomen längst im Alltag angekommen und fast jeder kennt Betroffene. Weit weniger bekannt und oft noch belächelt ist dagegen das sogenannte Boreout: wenn jemand aus Langeweile (boredom) oder Unterforderung im Job krank wird.

"Das Burnout ist sehr viel angesehener, als darüber zu klagen, dass man nicht genug zu tun hat, falsch eingesetzt ist oder kein Interesse an seiner Arbeit hat", sagt der Psychotherapeut Wolfgang Merkle. Aber: ob Stress durch Unter - oder Überforderung, die Symptome können die gleichen sein. Dazu zählen Schlafstörungen, Depressionen oder psychosomatische Erkrankungen wie Magendarmbeschwerden oder Anfälligkeit für Infekte.


Kein Problem für Selbständige

Burn- und Boreout werden in der Gesellschaft immer relevanter, glaubt Merkle: "Insgesamt gibt es die Tendenz in der Gesellschaft, auf die qualifizierten Leute immer mehr abzuladen, und andererseits leiden die Leute, die gar nichts oder zu wenig zu tun haben, immer häufiger unter dem Stress durch Minderanforderung." Klassischerweise sei das Boreout-Syndrom in jenen Bereichen der Arbeitswelt verbreitet, in denen durch Rationalisierung und Software- Fortschritte Aufgaben wegfallen - insbesondere in der Verwaltung und im Dienstleistungssektor. Allerdings kämen in der Wirtschaftskrise, in der viele Firmen unter Auftragsflaute leiden, Boreouts verstärkt auch in anderen Branchen - etwa im Bankgewerbe - vor. In diesen Zeiten, in denen auch Arbeitsplätze wegrationalisiert werden, sei der Druck außerdem groß, die "Notwendigkeit seines Arbeitsplatzes unter Beweis zu stellen" und trotz Langeweile sogar noch Überstunden zu machen. Selbstständige dagegen litten seltener unter Boreout.

Keine echte Krankheit

Erstmals beschrieben wurde das Boreout nicht in der Medizin, sondern in der Wirtschaft: 2007 veröffentlichten die Schweizer Unternehmensberater Philippe Rothlin und Peter R. Werder das Buch "Diagnose Boreout". Ebensowenig wie das Burnout ist das Boreout bisher als Krankheitsbild definiert, wie Merkle sagt. "Es ist eher umgangssprachlich zum Krankheitsbild geworden. Es handelt sich um eine Konstellation, die zu Krankheitsanfälligkeiten führt."

Merkle ist Chefarzt der Psychosomatischen Klinik am Frankfurter Hospital zum heiligen Geist. Er schätzt, dass von jährlich 300 aufgenommenen Patienten seiner Klinik rund 30 an Unterforderung im Job leiden. Auswege seien, sich um Weiterbildungen zu bemühen, versetzen zu lassen oder zu trauen, sich woanders zu bewerben. Den Patienten werde mit psychotherapeutischen Gesprächen geholfen, teils auch mit Körper-, Kunst- oder Musiktherapie sowie mit Entspannungsverfahren.

Sind Männer oder Frauen öfter betroffen? Für Stress-Phänomene seien Männer insgesamt anfälliger, beim Boreout sieht Merkle aber ein "leichtes Übergewicht" bei Frauen. "Das kann aber auch daran liegen, dass sich Frauen bei seelischen Beschwerden eher um Hilfe bemühen, während Männer das eher mit Suchtmitteln oder Gewalt abreagieren."

 

 

Quelle: ntv.de, dpa

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