Widerruf statt Kündigung Urteil ermöglicht vorzeitigen Ausstieg aus Rürup-Rente
06.09.2023, 11:42 Uhr Artikel anhören
Nicht jeder empfindet den Abschluss einer Basis- oder Rürup-Rente im Nachhinein als lohnend.
(Foto: imago/Christian Ohde)
Das Oberlandesgericht Köln hat eine Versicherung dazu verurteilt, eine Basis-Rente auszuzahlen. Grund: Der Kunde wurde nicht korrekt über sein Widerrufsrecht informiert. Ein Urteil mit Signalwirkung für viele Versicherte - denn dadurch können sie an ihr Geld kommen.
Wer eine Basis-Rente (auch Rürup-Rente genannt) kündigen will, um an sein eingezahltes Geld zu kommen, merkt schnell: Er hat ein Problem. Denn als Gegenleistung für die steuerlichen Vorteile, die eine Basis-Rente bietet, knebelt sie den Versicherten. Eine vorzeitige Kündigung der Altersvorsorge ist ebenso wenig vorgesehen wie eine einmalige Auszahlung des angesparten Geldes bei Erreichen des Rentenalters.

Roland Klaus ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf. Sie hilft bei der Durchsetzung von Verbraucherrecht in Finanzfragen und wird dabei von spezialisierten Anwälten unterstützt.
Lediglich die Verrentung, also die monatliche Auszahlung des angesparten Geldes, ist möglich. In der Regel knabbern zudem hohe Gebühren an der Rendite. Immer mehr Versicherte wählen daher den Widerruf des Vertrags als Mittel der Notwehr, um an ihr Geld zu kommen. Das ist immer dann möglich, wenn die Vertragsunterlagen fehlerhaft oder unvollständig sind. Eine solche Rückabwicklung ist in den meisten Fällen auch nach steuerlicher Betrachtung wirtschaftlich sinnvoll.
Urteil ermöglicht vorzeitigen Ausstieg
Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln (Az.: 20 U 371/22) zeigt, wie das funktionieren kann. Im vorliegenden Fall hatte der Kunde im Jahr 2011 bei der Gothaer Versicherung einen Renten-Vertrag namens Gothaer Basis-Vorsorge-Fonds abgeschlossen. Nachdem die Versicherung eine vorzeitige Rückzahlung des Geldes abgelehnt hatte, widerrief er den Vertrag und bekam nun in zweiter Instanz vor dem OLG Köln recht.
Die Begründung des Gerichts: In den Vertragsunterlagen seien die Informationen zum Widerrufsrecht nicht wie gesetzlich vorgeschrieben deutlich gestaltet. Dazu bedürfe es einer optischen Kennzeichnung in Form einer größeren oder fetten Schrift sowie weiterer Hervorhebungen, beispielsweise eines Rahmens. Die Gothaer hatte in den Vertragsunterlagen lediglich zwei Randstriche und die normale Schriftgröße verwendet.
Kunde bekommt Provisionen erstattet
Das sei zu wenig, urteilt das Gericht in seinem rechtskräftigen Urteil. Der Widerruf des Kunden ist wirksam. Er erhält den Rückkaufswert der Versicherung einschließlich der Überschussanteile ausgezahlt.
Da es sich um eine Fondspolice handelt, bedeutet das, dass der Kunde die Wertentwicklung der Investmentfonds gutgeschrieben bekommt. Zusätzlich erhält er die Abschluss- und Vertriebskosten erstattet - also Provisionen, die gerade bei einer Basis-Rente sehr erheblich sein können.
Viele Versicherungen betroffen
Das Urteil ist deswegen brisant, weil nach unserer Analyse die vom OLG Köln beanstandeten Fehler in den Vertragsunterlagen vieler anderer Versicherungen vorkommen. Dazu gehören beispielsweise Ergo, Aviva, Allianz, PB Leben und Heidelberger Leben. Das bedeutet jedoch nicht, dass automatisch alle Produkte dieser Versicherungen widerrufbar sind. Vielmehr bedarf es einer individuellen Prüfung durch einen Experten, um festzustellen, ob der jeweilige Vertrag angreifbar ist.
Daneben gibt es nach unserer Erfahrung noch einige andere Fehler, die bei Basis-Renten immer wieder auftauchen und dem Kunden sehr gute Aussichten auf Widerruf und somit auf eine Auszahlung des Geldes einräumen. Fehlerhaft können unter anderem Verträge der Generali (früher: Aachen Münchener), der Zürich Deutscher Herold Lebensversicherung sowie der Canada Life sein.
Über den Autor: Roland Klaus ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf. Sie hilft bei der Durchsetzung von Verbraucherrecht in Finanzfragen und wird dabei von spezialisierten Anwälten unterstützt.
Quelle: ntv.de