So läuft das EM-Spiel gegen Polen Hummels fit, Löw laviert und lobt Götze
16.06.2016, 15:57 Uhr
"Wen bring ich bloß in der Abwehr?" Joachim Löw weiß womöglich schon mehr, als er verrät.
(Foto: REUTERS)
Stellt Joachim Löw im zweiten EM-Spiel die DFB-Elf um? Bekommt Mario Gomez gegen Polen seine Chance? Und wer ist der Kapitän? Viele Fragen, einige Antworten - und heute Abend wissen wir mehr.
Worum geht's?
Darum, ins Achtelfinale dieser Fußball-Europameisterschaft einzuziehen. Polen wie Deutsche haben ihr Auftaktspiel gewonnen, die Mannschaft von Trainer Adam Nawalka mit 1:0 gegen Nordirland, die von Bundestrainer Joachim Löw mit 2:0 gegen die Ukraine. Das heißt: Wer heute (ab 21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) die Partie im Stade de France zu Saint Denis gewinnt, ist ganz sicher in der Runde der besten 16 Mannschaften dieses Turniers und hat auch allerbeste Aussichten, diese Gruppe C zu gewinnen. Das ist nicht ganz unwichtig, da der Erstplatzierte im Achtelfinale gegen einen Gruppendritten spielen darf, mithin gegen einen mutmaßlich nicht ganz so starken Gegner. Zuvor treten heute übrigens ab 18 Uhr in Lyon die Ukraine und Nordirland gegeneinander an.
Wie ist die Ausgangslage?
Joachim Löw, 56 Jahre alt, hat als Bundestrainer mittlerweile mit seiner Mannschaft fünf Auftaktspiele gewonnen, zwei bei Weltmeisterschaften und drei bei Europameisterschaften: Bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz gegen Polen mit 2:0, bei der WM 2010 in Südafrika gegen Australien mit 4:0, bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine, bei der WM 2014 in Brasilien mit 1:0 und 4:0 gegen Portugal und diesmal gegen die Ukraine. "Ein außergewöhnlicher Rekord", findet n-tv.de EM-Experte Josef Hickersberger. Und: Kein einziges Mal hat Löw danach im zweiten Spiel etwas an seiner Startelf geändert. Das wiederum könnte sich heute ändern. Denn: Mats Hummels ist wieder fit. Und, spielt er? Da mochte sich der Trainer bei der Pressekonferenz im Stade de France am frühen Mittwochabend nicht festlegen. Er werde mal schauen, sagte er. Nur eines sei sicher: "Ein Risiko gehe ich auf keinen Fall ein, sollte er noch irgendwelche Probleme haben, sich nicht hundertprozentig fit fühlen."
Wir gehen mal davon aus, dass Hummels spielt, und Hummels ja offenbar auch. Was wird aus Shkodran Mustafi? Der hatte den Noch-Dortmunder und Bald-Münchener im Auftaktspiel vertreten, ein Tor geköpft, zwei, drei kleine Patzer gehabt, aber insgesamt doch eine wirklich gute Leistung angeboten. Löw hat also eine schwere Entscheidung zu treffen - denn Fakt ist ja: Bei Polen spielt mit Robert Lewandowski einer, der - trotz schwacher Leistung gegen Nordirland - immer treffen kann. Und weil der Angreifer des FC Bayern so gefährlich ist, braucht's Männer, die sich liebevoll um ihn kümmern. Dass Vereinskollege Boateng einer von ihnen ist, daran gibt’s keinen Zweifel. Dass Hummels der andere wäre, es würde nicht überraschen, schließlich kennen sich beide aus ihrer gemeinsamen Zeit in Dortmund. Mustafi indes sieht's gelassen: "Für mich zählt nur, was ich selbst entscheiden kann. Ich kann mich im Training anbieten, mehr kann ich nicht beeinflussen." Etwas ausrechnen würde er sich ohnehin nicht. Das könne er gar nicht. Schließlich sei er in Mathematik nicht besonders gut gewesen.
Wie ist die deutsche Mannschaft drauf?
Ergebnistechnisch so gut wie Frankreich Italien und, Obacht, Ungarn! Das kann sich doch sehen lassen. Die 2:0-Siege dieser Teams sind die bisher höchsten bei dieser EM. Etwas mehr Anlass zur Sorge gibt da schon die Leistung gegen die Ukraine. Da war zwar der titaneske Manuel Neuer, der heute, wie Löw sagte, wieder als Kapitän fungiert; da war der nach wie vor weltmeisterliche Jérôme Boateng; und da war Super-Comebacker Bastian Schweinsteiger, der heute ganz sicher wieder nicht in der Startelf stehen wird, denn sonst müsste Neuer ihn ja nicht als Kapitän vertreten. Aber da waren eben auch offensive Lethargie und defensive Wackler. Ob das für Hummels spricht? Warten wir es ab.
Aber der Bundestrainer muss sich noch um etwas anderes kümmern: den Platz im Sturmzentrum. In Spiel eins entschied er sich für Mario Götze. So richtig auf ging Löws Plan mit dem quirligen Dribbler indes nicht (was übrigens für die ganze Besetzung der offensiven Reihe galt), so dass die Option Mario Gomez ein legitimes Gedankenspiel sein kann. Oder, Herr Löw? "Ich bin mir sicher, dass sie Einsatzzeiten bekommen werden. Beide sind in einer guten Form." Hm. Das heißt? "Mario Götze habe ich nicht so schlecht gesehen wie teilweise die Kritiken waren. Er ist wahnsinnig viel gelaufen und hat unheimlich viel Arbeit für die Mannschaft gemacht." Und wer spielt jetzt gegen Polen? "Beides würde sehr gut passen. Wir werden feldüberlegen sein, weil die Polen sich gerne nach hinten fallen lassen. Auf der einen Seite ist es wichtig, kleine, wendige Spieler zu haben auf engem Raum." Also Götze, oder? "Aber der Mario Gomez ist einer, der dann auf Flanken und Bälle, die in den Strafraum kommen, sehr gut reagieren kann." Und woran macht Löw seine Entscheidung dann letztlich fest? "Wir schauen schon auch: Welche Abwehrspieler hat der Gegner? Und wo ist der Gegner verwundbar?"
Was machen die Polen so?
Sie geben sich selbstbewusst. Schließlich hatten sie die DFB-Elf in der Qualifikation für dieses Turnier mit 2:0 besiegt. Das ist jetzt zwar auch schon wieder 20 Monate her, dennoch betonte Jakub Błaszczykowski, der in der vergangenen Saison als Dortmunder Leihgabe für AC Florenz spielte: "Unser Sieg gegen Deutschland war psychologisch gesehen sehr wichtig, er war historisch. Das hat uns sehr viel Selbstvertrauen gegeben, den Mannschaftsgeist geformt. Es war ein ganz wichtiger Moment in Warschau." Ansonsten ist es so, dass Trainer Nawalka, wie er sagte, etwas ausgeheckt hat: "Wir wissen, wie sie spielen, haben sie ganz genau analysiert, mit vielen Leuten gesprochen. Wir haben viele Erfahrungen gemacht. Und haben jetzt einen konkreten Plan gemacht gegen Deutschland, den wollen wir in Tat umsetzen. Aber ich will jetzt nicht zu viel verraten." Allerdings muss er auf seinem Stammtorhüter Wojciech Szczesny verzichten, der sich im ersten Spiel gegen Nordirland am Oberschenkel verletzt hatte. Wer heute im Tor steht, wollte Nawalka aber nicht verraten. Zur Auswahl stehen jedenfalls Artur Boruc vom AFC Bournemouth, der als Favorit gilt, und Lukasz Fabianski von Swansea City. Unabhängig davon hatte Bundestrainer Löw gewarnt: "Die größte Stärke der Polen ist, dass sie eine gut organisierte Mannschaft sind. Und dass sie darauf warten und lauern, einen Konter spielen zu können. Sie haben eine Mannschaft, die darauf ausgerichtet ist, schnell umzuschalten." Es sei sogar so: Polen sei "eine der stärksten Mannschaften im Konter, die ich die letzten zwei Jahre gesehen habe". Das ist mal ein Wort.
War sonst noch etwas?
Für die deutsche Mannschaft ist es die Rückkehr ins Stade de France. Zuletzt hatte sie dort am 13. November vergangenen Jahres gespielt. An diesem schrecklichen Freitag ermordeten Terroristen des selbst ernannten islamischen Staats in Paris 130 Menschen. Zwei Selbstmordattentäter waren daran gescheitert, ins Stadion zu gelangen und hatten sich dann davor in die Luft gesprengt, ein dritter tat das etwas weiter entfernt. Die Detonationen waren im Stade de France, wo 80.000 Zuschauer sich das Spiel Frankreich gegen Deutschland ansahen, deutlich zu hören. Das DFB-Team verbrachte die Nacht im Stadion und fuhr dann am frühen Morgen direkt zum Flughafen. Khedira sagte, jeder Spieler habe das für sich verarbeitet. "Natürlich ist es nicht schön, so etwas miterlebt zu haben. Aber wir waren hier ja zu hundert Prozent sicher. Wir hatten nie das Gefühl, dass wir persönlich bedroht sind." Vielmehr gehe es darum, "in unseren Gedanken bei den Opfern und ihren Familien zu sein. Für die ist es mit das Schlimmste, was passieren kann". Und auch der Bundestrainer war sichtlich bemüht, das Thema nicht zu hoch zu hängen. "Natürlich habe ich mir auf der Fahrt zu Stadion noch einmal den einen oder anderen Gedanken gemacht." Aber ein großes Thema sei der 13. November in der Mannschaft nicht gewesen. "Die ganze Konzentration und der Fokus sind auf das Spiel ausgerichtet. Ich glaube, es ist auch nicht notwendig, mit der Mannschaft noch einmal das Sicherheitsthema zu diskutieren. Unsere Vorbereitung geht auf Polen. Ich fühle mich hier sicher und freue mich auf das Spiel."
Quelle: ntv.de