"Tore sind nur der Speziallack" Thomas Müller sucht seine Zentimeter

Thomas Müller trifft das Tor nicht, aber von Verkrampfung ist bei ihm keine Spur.

Thomas Müller trifft das Tor nicht, aber von Verkrampfung ist bei ihm keine Spur.

(Foto: imago/Ulmer/Teamfoto)

Er rennt, er rackert, er witzelt – aber treffen tut er nicht, dieser Thomas Müller. Dennoch ist alles gut, betonen Bundestrainer, Team-Manager und Stürmer. Doch nach dem EM-Aus von Mario Gomez braucht die DFB-Elf andere Torschützen. Unbedingt auch Müller.

Arm an typischen Thomas-Müller-Momenten ist diese Fußball-Europameisterschaft ja nicht gerade. Ein Spruch hier "EM-Titel? Ne, auf gar keinen Fall. Unser Ziel war immer, im Halbfinale auszuscheiden", eine souverän vorgetragene Jammerlappen-Geste gegenüber dem theatralisch fallenden Italiener Giorgi Chiellini mitten im so dramatischen Viertelfinale von Bordeaux und launige Torwart-Spielereien mit den Teamkollegen im Training. Eigentlich ist alles wie immer – beim Müller.

Doch das geht derzeit ein bisschen unter. Denn ein Tor hat er ja noch nicht gemacht. Dieser Typ aus Bayern, der doch immer trifft, immer irgendeines seiner frei und wild beweglichen Körperteile findet, um den Ball über die Linie zu drücken. Ja, Kruzifix, warum denn bloß in Frankreich nicht? Seit 23 Tagen, seit dem deutschen Auftaktspiel am 12. Juni, beschäftigt diese Frage alle Fans der Nationalmannschaft und natürlich alle Journalisten. Denn, ist ja schon 'nen Ding, dass diesem körperfettbefreiten Schmalhans der erfolgreiche Abschluss nicht mehr gelingen will.

Dabei macht er doch eigentlich gar nicht so viel falsch. Gut, gegen die Ukraine (2:0) zum Einstieg und gegen Polen (0:0), machte er auch nicht viel richtig. Aber seit er der Öffentlichkeit nach dem Duell mit Robert Lewandowski und dessen Gefährten erklärt hat, dass ein Tor nicht alles sei, und er sich viel mehr darüber ärgere, keine Chance gehabt zu haben, hat er zumindest das verbessert. Also das mit den Chancen. Und die waren folglich mitunter prächtig.

"Wir werden Lösungen finden"

Gegen Nordirland donnerte Müller einen Flugkopfball an den Pfosten, senste eine Hereingabe von Mario Götze an die Latte und scheiterte freistehend am tüchtigen Michael McGovern. Gegen Italien fuchtelte der fliegende Alessandro Florenzi dann zunächst einen Schuss des deutschen Angreifers noch irgendwie mit der Hacke am Gehäuse vorbei, ehe Müller auch im anschließenden Elfmeterdrama noch scheiterte. "In den meisten Situationen würde ich aber alles wieder so machen", erklärt er nun, zwei Tage vor dem Halbfinale gegen Frankreich (ab 21 Uhr im Liveticker bei n-tv.de). Schließlich fehlten ja immer nur ein paar Zentimeter.

Entscheidende Zentimeter, die beispielsweise der von der Echte-Neun-Renaissance beflügelte Mario Gomez fand, um zum erfolgreichen Torjubel anzusetzen. Doch diese Maßgenauigkeit fehlt der Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw nun. Zumindest in vorderster Linie. Denn bei einem wilden Hackentrick gegen Italien verabschiedete sich Gomez' Muskel vom Turniermodus. Faserriss, EM-Aus, offene Planstelle. Doch lamentiert wird nicht. "Jetzt haben wir was zu tun", sagt ein auch in diesem Moment nicht aus der Ruhe zu bringender Bundestrainer.

Und dann schiebt Löw einen Satz nach, der seit Turnierbeginn den totalen Hype erfährt: "Wir werden Lösungen finden." Wie die aussehen? Nun, klassische deutsche Alles-kann-nichts-muss-Situation. Götze? Ja, scho au klar, eine Option. Müller, klar, auch. Beide? Wollen wir mal lieber nichts voreilig ausschließen. Und Leroy Sané? Redet zwar niemand mehr drüber, nicht in Évian. Aber, klar, scho au, irgendwie denkbar.

Überzeugter Löw: Müller macht schon eins

Denn Löw ist ja mit allen tiptop zufrieden. Der Götze der leistet schließlich unglaublich viel für die Mannschaft, der Müller, der rennt und rackert, das ist ja irre – und der Sané macht wie alle einen prima Eindruck im Training. Das Problem: Sie alle treffen bislang in diesem Turnier nicht. Was bei Sané allerdings ein unfairer Vorwurf ist, denn unter EM-Wettkampfbedingungen im A-Nationalteam durfte er sich bislang noch nicht beweisen.

Doch bei allem Reformeifer der dringend sanierungsbedürftigen Fußball-Großverbände Fifa und Uefa, Tore sind nach wie vor die Währung, mit der ein Spiel gewonnen wird. Und nichts deutet daraufhin, dass sich daran künftig irgendwas ändern wird. Selbst bei einer möglicherweise bald auf 40 Teams aufgeblasenen WM nicht. Und für Tore, auch das hat nach wie vor Bestand, stellen Mannschaften Stürmer auf. Zwar gilt das Tor-Gebot auch für jeden anderen Mannschaftsteil, aber im Besonderen für den Angriff – und somit auch für Typen wie Thomas Müller.

Dass er das kann, sehr gut sogar, hat er nicht nur bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika bewiesen, als er mit fünf Treffern Torschützenkönig wurde, beim WM-Triumph in Brasilien, als lediglich der Kolumbianer James Rodriguez (6) einmal häufiger traf als der Bayer oder in der abgelaufenen Bundesliga-Saison, als der 26-Jährige für die Bayern 20 Treffer in 31 Spielen erzielte. Da kann er sich jetzt also winden und wenden, wie er will – oder so etwas sagen wie: "Tore sind nicht mein Benzin, sondern eher der Speziallack, der nach außen dann gut aussieht. Mein Benzin ist mein Antrieb erfolgreich zu sein und mit dieser Mannschaft Titel zu holen."

Doch da drehen wir uns im Kreis: Für Titel braucht's Siege und für Siege halt Tore (mindestens eins). Dass dem Müllerthomas genau das in Frankreich noch gelingt, davon ist auf jeden Fall einer noch vollends überzeugt: der Bundestrainer. "Ich habe das Gefühl, wenn wir eins richtig brauchen, dass er dann auch eins macht." Es fehlen ja schließlich auch nur ein paar Zentimeter.

Quelle: ntv.de

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