Fußball

Verschwundene Millionen im WM-Skandal DFB mauert und könnte Zwanziger anzeigen

Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger (l.) und sein Nachfolger Wolfgang Niersbach.

Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger (l.) und sein Nachfolger Wolfgang Niersbach.

(Foto: dpa)

6,7 Millionen Euro überweisen Deutschlands WM-Macher an die Fifa. Gegenleistung? Letztlich keine. Aber auch keine Rückforderung. Der DFB erwägt deshalb eine Strafanzeige gegen Ex-Boss Zwanziger - lässt die wichtigsten Fragen aber selbst offen.

Nächste Wende im mutmaßlichen Skandal um die gekaufte Heim-WM 2006: Der vom "Spiegel" schwer belastete Deutsche Fußball-Bund zieht eine Strafanzeige wegen Untreue gegen seinen früheren Präsidenten Theo Zwanziger in Erwägung. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf Informationen aus dem Führungszirkel des DFB. Grund für die mögliche Anzeige soll die seit Freitag öffentlich bekannte Zahlung von 6,7 Millionen Euro sein, die das Organisationskomitee der Fußball-WM 2006 im April 2005 an den Fußball-Weltverband Fifa geleistet hatte. Die Zahlung soll von den damaligen OK-Vizepräsidenten Zwanziger und Horst R. Schmidt veranlasst worden und als DFB-Beitrag zur geplanten WM-Eröffnungsfeier deklariert gewesen sein - die Anfang 2006 von der Fifa abgesagt wurde.

Warum das Geld vom DFB nach Absage der Gala zehn Jahre lang nicht zurückgefordert wurde, ist eine der offenen Fragen im mutmaßlichen Skandal um gekaufte Stimmen vor der Vergabe der WM 2006 an Deutschland. Der "Spiegel" hatte die Frage in seiner aktuellen Titelgeschichte "Das zerstörte Sommermärchen" damit beantwortet, dass es sich bei den Millionen um die Rückzahlung eines Darlehens an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus gehandelt habe. Das habe dieser den Bewerbern vor der WM-Entscheidung am 6. Juli 2000 zur Verfügung gestellt, damit diese die nötigen Stimmen für den WM-Zuschlag kaufen konnten.

Lauter offene Fragen

Der DFB und sein Präsident Wolfgang Niersbach bestreiten diese Darstellung, fuhren presserechtliche Geschütze auf und kündigten eine Widerlegung des Berichts an. Skandalös scheint aber schon allein, dass der größte Sportfachverband der Welt die 6,7 Millionen Euro fast zehn Jahre lang nicht vermisst hat.

Allerdings gibt es nicht nur bezüglich der Millionenzahlung an die Fifa "Ungereimtheiten", wie es der DFB am Freitag formulierte. Gleiches gilt auch für die Erklärungen des DFB und seines Präsidenten: Konkrete Antworten auf die drängendsten Fragen bleiben sie weiter schuldig. Warum wurden die Millionen über ein Jahrzehnt lang nicht zurückgefordert? Und wer wusste wann von der Zahlung? Wer genau ist mit der von Niersbach initiierten internen DFB-Prüfung zum Verbleib der Millionen befasst?

Aufklärungspflicht nicht nachgekommen?

Dass diese Punkte nach wie vor offen sind, überrascht nicht nur angesichts der regen Öffentlichkeitsarbeit des DFB seit Bekanntwerden der "Spiegel"-Vorwürfe. Bereits seit Sommer dieses Jahres soll die interne Prüfung der Ungereimtheiten rund um die Zahlung laufen. Damals will der DFB-Präsident durch Hinweise auf die Zahlung aufmerksam geworden sein, was sein Vorgänger Zwanziger bestreitet. Er ist dem DFB und insbesondere Niersbach seit Aufgabe seines Präsidentenamts in herzlicher Abneigung verbunden und setzte zu Jahresbeginn die Fifa auf seinen Nachfolger an, weil er die DFB-Vergütung für dessen Ehrenamt für "Heuchelei" hält.

Zwanziger ließ über seinen Anwalt aus dem Urlaub mitteilen, Niersbach wisse seit mindestens drei Jahren von den 6,7 Millionen Euro, die der DFB an die Fifa bezahlt hat. Er sei "seiner Pflicht zur Aufklärung" als DFB-Präsident bislang aber nicht nachgekommen. Laut "Spiegel" soll es im April 2005 einen "offiziellen Beschluss" für die Überweisung durch das WM-OK gegeben haben - dem auch Niersbach angehörte.

Fragwürdig ist so manches. An Zwanzigers Rolle, der sich erst nach Rückkehr aus seinem Urlaub ausführlich und eidesstattlich zur Causa äußern will. An der "Spiegel"-Geschichte, aber noch mehr am Verhalten des DFB. Einerseits ist die seit Sommer laufende Prüfung noch nicht beendet, ihr Ergebnis laut Niersbach "offen". Andererseits könne der DFB-Präsident "aufgrund der zeitlichen Abläufe dieses Zahlungs-Vorgangs schon jetzt definitiv ausschließen, dass die Zahlung in Zusammenhang mit der WM-Vergabe im Jahr 2000 steht". Im Fall von Uefa-Präsident Michel Platini, der wegen einer mit neunjähriger Verspätung von Fifa-Boss Joseph Blatter erhaltenen Millionenzahlung suspendiert ist, war Zeit für Niersbach bislang kein argumentativer Faktor. Der DFB stützt Platini weiterhin.

Wie intern ist intern genau?

Auch die Umstände der von Niersbach veranlassten "internen Prüfung" sorgen nur für Fragezeichen, nicht für Antworten. Laut SZ verweigerte der DFB auf Anfrage die Auskunft, was genau darunter zu verstehen sei. Offenbar war sie so intern, dass viele DFB-Präsidiumsmitglieder erst am Freitagvormittag darüber informiert wurden, wie mehrere Medien übereinstimmend berichteten. Auch der DFB-Kontrollausschuss und eine externe Anwaltskanzlei wurden erst am Freitag eingeschaltet, um den Verbleib des Geldes und mögliche Regressansprüche zu klären.

Das Bundesinnenministerium soll auf SZ-Anfrage erklärt haben, die "Sichtung der hier vorliegenden Unterlagen" habe keine Hinweise auf die Zahlung des WM-OK an die Fifa von 6,7 Millionen Euro ergeben. Auch für die "geplante oder tatsächliche Kostenbeteiligung des OK an der Gala" gebe es keine Belege. Der damalige Bundesinnenminister Otto Schily sieht diesbezüglich vor allem die Fifa, in der Bringschuld, sagte er der ARD. Zwanziger attestierte Schily: "Der hat alle Zahlungen höchst penibel geprüft - und das musste ja auch so sein, denn der DFB ist eine gemeinnützige Organisation."

Anzeigen statt aufklären

Aktuell scheint das Motto beim DFB noch zu lauten: Anzeigen statt aufklären. Laut SZ wollen "einflussreiche Kreise" im DFB nun primär Zwanziger für den Verbleib der Zahlung verantwortlich machen. Sollte die verbandsinterne Prüfung zum Ergebnis kommen, dass es keinen Grund für die Millionenüberweisung an die Fifa gegeben hat, soll Strafanzeige gestellt werden. Von Horst R. Schmidt, offenbar Mitunterzeichner der Überweisung, ist dabei keine Rede.

Außerdem sollen die Millionen von der Fifa zurückgefordert werden. Der Fußball-Weltverband hatte bereits am Freitag von "schweren Anschuldigungen" gesprochen und eine interne Prüfung angekündigt. Auch die Frankfurter Staatsanwaltschaft prüft die Causa bereits daraufhin, ob ein Anfangsverdacht für die Aufnahme von Ermittlungen bestehe: "Es könnte um Korruption, Betrug oder Untreue gehen." Also genau um jene Themen, die seit Monaten die Schlagzeilen rund um die Fußball-Großverbände Uefa und Fifa bestimmen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen