Fußball

Sechs Lehren des elften Spieltags Der FC Bayern - ratlos, planlos, alternativlos

Und nun? Manuel Neuer und Thomas Müller.

Und nun? Manuel Neuer und Thomas Müller.

(Foto: imago/Jan Huebner)

Was ist nur los mit den Bayern? Sind die anderen so gut oder sie so schlecht? Die Münchner müssen sich in der Fußball-Bundesliga von RB Leipzig überholen lassen - und sollten die Fehler lieber bei sich selbst suchen.

1. Den Münchnern mangelt's an Ideen

Nach 14 Monaten ununterbrochener Tabellenführung ist der FC Bayern nach dem elften Spieltag der Fußball-Bundesliga nur noch Zweiter. Das ist nicht schön, aber auch "kein Weltuntergang", urteilt Innenverteidiger Mats Hummels nach der Niederlage bei der Dortmunder Borussia. Denn die Leistung stimme ja, nur die Ergebnisse nicht. Und die sind in dieser Saison tatsächlich überraschend schlecht. Bei Borussia Dortmund gab's zwar erst die erste Niederlage, zuvor aber schon drei Remis gegen Köln, Hoffenheim und Frankfurt. Und über die Beurteilung der Leistung darf man durchaus geteilter Meinung sein.

Während Trainer Carlo Ancelotti und Hummels noch versuchen, die eigene Stärke hervorzuheben, haben Torwart Manuel Neuer und Kapitän Philipp Lahm gravierende Schwächen ausgemacht. Sie vermissen Tugenden des gelebten Mottos "Mia san mia". Nämlich Effektivität, Durchschlagskraft und Entschlossenheit. "Der Wille, das Tor unbedingt zu machen, das fehlt uns im Moment ein bisschen", sagte Neuer nach dem 0:1 gegen den BVB. Und Lahm monierte: "Oft hat der letzte Pass, die Präzision gefehlt." Sinnbild der bajuwarischen Krise ist und bleibt Thomas Müller, der bis auf wenige Szenen erneut ein ganz schwaches Spiel ablieferte. Allerdings auch, weil es seinen Mitspielern nicht gelingt, kreative Momente für ihren so formschwachen Raumdeuter zu schaffen. Und damit sind wir bei den beiden großen Problemen im Spiel der Münchener: Allzu oft fehlt es an überraschenden Ideen, gegen massive Defensivreihen tun sie sich ungewohnt schwer, finden kaum Lücken - trotz ausufernden Ballbesitzes. Und, noch viel wichtiger: Es fehlen Alternativen, vor allem in der Offensive. Für Stürmer Robert Lewandowski, der gegen den BVB umknickte, gibt es keinen Ersatz. Auch für Müller steht niemand bereit, der ihn physisch und psychisch entlassen könnte. Weil Arjen Robben oft verletzt ist, fehlt zudem der Schlüsselspieler. Douglas Costa ist nicht in Form und Kingsley Coman tut sich schwer, auf Touren zu kommen. Probleme, die sie an der Säbener Straße in den vergangenen Jahren nicht kannten - und jetzt ist Leipzig auch noch Erster.

2. Der BVB setzt ein Statement - in Richtung Meisterschaft

Dortmunds Trainer Thomas Tuchel ballte die Fäuste. Seine Borussen hatten gerade den großen FC Bayern geschlagen. Mit 1:0, durch ein Tor von Pierre-Emerick Aubameyang, dank einer überragenden kämpferischen Leistung und hervorragender taktischer Einstellung. "Dieser Sieg ist ein absoluter Meilenstein! Es ist das Statement schlechthin, die Bayern zu schlagen." Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke sprach nach der Serie von viereinhalb Jahren ohne Heimsieg gegen die Münchner von einem "befreienden Akt", es gebe "nichts Geileres!".

Der Sieg war perfekt geplant, von Tüftler Tuchel. Es war kein begeisternder Heavy-Metal-Fußball nach Art von Jürgen Klopp. Sportdirektor Michael Zorc nannte die erfolgreiche Taktik den "Atlético-Madrid-Style": lauern, leidenschaftlich verteidigen, kontern, wieder lauern. "Thomas hat das taktisch großartig gemacht. Es ist für ihn ein weiterer Stern am Revers", lobte Watzke. Tuchel selbst erwägt nun eine dauerhafte Transformation seines Systems. "Wir müssen das Bild der letzten Saison ausradieren und es neu malen." Der BVB hat eine Idee. Sie ist augenscheinlich erfolgreich. Die Borussia hat ein Statement gesetzt. Und nach dem Sieglos-Oktober der Schwarzgelben sind nun auch die Verfolger wieder beeindruckt. So sagt Bayerns Torwart: "Ich rechne damit, dass wir und Dortmund am Ende um den Titel spielen." Aktuell trennen beide Klubs nur drei Punkte, die Bayern haben 24, die Borussia 21. Aber auf dem Weg zum Titel gibt’s ja auch noch (siehe oben) RB Leipzig - und die haben 27 Zähler.

3. RB Leipzig ist für das Topspiel gerüstet

Apropos Titel: Niemand hat in Leipzig die Absicht, Deutscher Meister zu werden. Oder? Die bis dato in elf Partien ungeschlagenen Rasenballsportler halten zwar den Ball flach und beteuern, sich als Aufsteiger kein bisschen mit dem FC Bayern zu beschäftigen. Schließlich, sagte Sportdirektor Ralf Rangnick nach dem jüngsten Sieg in Leverkusen, dem sechsten in Folge, hätten sie ja noch gar nicht gegen die Münchner gespielt.

Ist das schön: Ralf Rangnick und Ralph Hasenhüttl.

Ist das schön: Ralf Rangnick und Ralph Hasenhüttl.

(Foto: imago/Team 2)

Das ist dann erst am 21. Dezember der Fall. Und es spricht viel dafür, dass das ein echtes Spitzenspiel wird. Während die Leipziger mit einen klaren Plan und ihrem Überfall-Fußball kraftvoll durch die Liga marschieren, wirken die Bayern seltsam uninspiriert. Auffällig synchron betonen sie in Leipzig, dass die ihre junge Mannschaft noch lange nicht an der Leistungsgrenze sei. Vor gut 14 Tagen sagte Trainer Ralph Hasenhüttl der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Ich sehe für uns aktuell keine Grenzen. Und ich weiß auch nicht, wo im Moment dieses Limit liegen sollte." Rangnick legte dann in der vergangenen Woche im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" nach: "Wir können auf lange Sicht mehr werden als eine regionale Größe." In Leipzig gebe es "grundsätzlich zunächst mal keine Grenzen - und wenn, dann solche, die wir uns selbst setzen. Alles braucht hier seine Zeit, aber irgendwann können hier auch Titel möglich sein". Das denken wir auch.

4. Die anderen sind auch nicht schlecht

Die Leipziger führen also das Klassement an, dahinter der FC Bayern und der BVB. Das klingt spannend - und ist es auch. Denn mit ihrem 21 Zählern führen die Dortmunder eine punktgleiche Fünfergruppe an, als da sind: der 1. FC Köln, just als strahlender Derbysieger aus Mönchengladbach heimgekehrt; die TSG Hoffenheim, die gegen den Hamburger SV nur remis spielte und so den Sprung auf Tabellenplatz drei verpasste; die Berliner Hertha, die mit einem torlosen Unentschieden in Augsburg letztlich ganz zufrieden war; und die Frankfurter Eintracht, die nach überstandener Relegation in der vergangenen Saison nun in Bremen gewann und unter Trainer Niko Kovač enorm stabil wirkt. Sieben Mannschaften stehen also dort oben und sorgen dafür, dass Sepp Herbergers Aphorismus wieder etwas mehr gilt als in den vergangenen Jahren. Der ehemalige Bundestrainer hatte gesagt: "Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht." Kurzum: Die Liga ist wieder spannend.

5. Die Schalker holen auf und hoffen

Hatten wir eigentlich je erwähnt, dass der FC Schalke 04 mit fünf Niederlagen hintereinander in diese Saison der Bundesliga gestartet ist? Nach dem Sieg beim VfL Wolfsburg, den es offenbar mit aller Macht hin zu den Abstiegsplätzen zieht, durfte der seit dem Sommer amtierende Trainer Markus Weinzierl konstatieren: "Zehn Spiele, acht Siege und zwei Unentschieden - wir sind zufrieden mit dieser Serie." Seit Ende September sind die Gelsenkirchener ungeschlagen - im DFB-Pokal, in der Europaliga und eben in der Bundesliga, wo ihnen nun der erste Auswärtssieg gelang und sie in den jüngsten sechs Partien 14 von 18 möglichen Punkten ergatterten. Kein Wunder, dass sie da, momentan in der Tabelle auf Rang elf platziert, auf die Teams in oberen Drittel schauen und nach Höherem streben. "Im Winter wollen wir wieder auf Tuchfühlung sein", sagt Sportvorstand Heidel. "Das, was wir an Pech in den ersten fünf Spielen hatten, holen wir uns momentan ein Stück weit zurück." Ein kleines Wunder ist allerdings, dass sie das auf Schalke in aller Ruhe tun und Weinzierl die Zeit bekommt, seine Idee vom klugen Fußball zu entwickeln - mit Erfolg, wie es scheint: "Die Mannschaft nimmt eine positive Entwicklung."

6. Der HSV meldet sich zaghaft

Der ruhmreiche Hamburger SV steht zwar immer noch am Tabellenende, aber immerhin kann er für sich reklamieren, an diesem elften Spieltag seinen dritten Punkt ergattert zu haben. Nach dem Unentschieden in Sinsheim gegen die TSG wittern sie beim HSV die Gunst der Stunde: "Das ist unsere große Chance. Ein Derbysieg könnte eine Befreiung sein und zu einem Schlüsselerlebnis werden", sagte Nicolai Müller, der mit seinem Tor das 2:2 bei den Hoffenheimern gerettet hatte. Will meinen: Am kommenden Samstag möchten sie gerne im ausverkauften Volkspark gegen den SV Werder Bremen gewinnen - und damit zum ersten Mal überhaupt in dieser Spielzeit eine Partie. Das ist an und für sich ein guter Plan, dem auch Markus Gisdol zustimmen dürfte. Der Trainer hatte Kapitän Johan Djourou zugunsten des Japaners Gotoku Sakai abgesetzt und einen längeren Arbeitstag für die Profis eingeführt. Und er behauptet, dass das etwas bringt. "Es gibt keine zweite Chance mehr in dieser Saison, die Maßnahmen müssen greifen. Ich habe die Botschaft an die Mannschaft übermittelt, und wir werden das auch kompromisslos durchziehen", sagte Gisdol: "Die Mannschaft ist in Hoffenheim zu jedem Zeitpunkt auch als Mannschaft aufgetreten. Diesen Prozess wollte ich anstoßen. Das war ein erster und großer Schritt in die richtige Richtung. Nur wenn die Mannschaft über allem steht, können wir es packen." Wir sind gespannt.

Quelle: ntv.de

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