Fußball

Die Lehren des 29. Spieltags FCB kreisklassig, BVB lacht sich Arsch ab

"Wie beim Aufstieg in der Kreisliga, nur gedämpfter."

"Wie beim Aufstieg in der Kreisliga, nur gedämpfter."

(Foto: imago/Philippe Ruiz)

Eine Polonaise, ein bisschen Sekt, das war's. Die Bayern freuen sich am 29. Spieltag provozierend nüchtern über ihren Titel. Der BVB duselt und im Volkspark tanzen die HSV-Zombies, während der Effzeh einen kollektiven Burnout durchmacht.

1. Es gibt Polonaisen, da bleiben die Löcher im Käse

"Meister, das wird nicht langweilig", sagte Arjen Robben, als er gerade zum siebten Mal in seiner neunten Saison als Bayern-Spieler Meister geworden war, und für diesen Satz sollte man ihm eigentlich den Ehrenpreis für Elitendünkel der Jens-Spahn-Stiftung verleihen - nur verleiht Jens Spahn bekanntlich aus Prinzip nichts, schon gar nicht an Ausländer aus einem fremden Kulturkreis (Holland), die über ein sicheres Drittland (Spanien) nach Deutschland gekommen sind, nur um ein besseres Leben (als auf der Bank von Real Madrid) zu suchen.

Jedenfalls, lieber Arjen Robben, wird es vielleicht nicht langweilig für Sie und den exklusiven Kreis von Menschen, die für den FC Bayern München Fußball spielen dürfen, und auch nicht für die paar Hunderttausend, die wirklich leidenschaftlich mit dem Team fiebern - die große Masse findet das dann eben doch ziemlich fad. Immerhin machten sich die Bayern mit der, naja, Meisterfete in Augsburg alle Mühe, die, naja, Konkurrenz aus Leipzig, Dortmund und … äh, also die "Konkurrenz" anzustacheln - mussten Aki Watzke, Ralf Rangnick und Co. doch im Fernsehen mitansehen, wie die Bayern die sechste Meisterschaft in Serie so unbeeindruckt aufnehmen wie Gustav Gans einen Zehner vom Bürgersteig. Eine Provokation, die als Motivation dienen sollte - hoffentlich. Zugegeben, es gibt gute sportliche Gründe, warum die Bayern gefeiert haben "wie beim Aufstieg in der Kreisliga, nur gedämpfter" (Thomas Müller, es sollte ein Scherz sein).

Ein Jérôme Boateng, der im Rückspiel gegen Sevilla am Mittwoch herumtorkelt wie Kevin Großkreutz bei der BVB-Meisterfeier 2011 auf der Suche nach dem Klo – das wäre leicht riskant. Aber glaubt jemand, die Bayern hätten bedeutend ausgelassener gefeiert, wenn es um nichts mehr ginge in den nächsten Wochen? Wenn am Ende der Saison "nur" das Double steht, fliegen auf dem Marienplatz bestimmt nicht die Löcher aus dem Käse, egal wie viele GoPro-Polonaisen die Bayern auf dem Balkon hinlegen. Neun der letzten elf nationalen Titel haben sie jetzt gewonnen, mit DFB-Pokal wären es zehn von zwölf. Zeit, dass sich was dreht. Dann feiern die Bayern ihre Titel auch wieder erstklassig.

2. HSV entdeckt ganz neue Seiten an sich

Der Hamburger SV ist in den letzten vier Jahren ja schon öfter für tot erklärt worden als Punk in den letzten 40 Jahren, aber nun, da Punk wirklich endgültig tot ist, schwang sich der "Zombie" (Philipp Köster) HSV am Samstagabend plötzlich zu einer Runde "Walking Dead" auf. Oder eher: "Dancing Dead". Der Hamburger SV, wir haben es nicht nur mit eigenen Augen gesehen, sondern zur Sicherheit auch noch einmal nachgelesen, hat tatsächlich nicht nur erstmals seit 132 Tagen ein Spiel in der Fußball-Bundesliga gewonnen, er hat dabei auch, festhalten, überzeugt.

"Es ist in dieser Saison das erste Mal, dass wir richtig Fußball spielen", sagte Aaron Hunt, der das entscheidende 3:2 mit einer Entschlossenheit in den Winkel prügelte, die man in Hamburg zum letzten Mal in den Augen von G20-Einsatzleiter Hartmut Dudde gesehen hatte. Wie es Trainer Christian Titz geschafft hat, einer Truppe wie dem HSV attraktiven Fußball beizubiegen, wäre an sich schon bemerkenswert genug, umso beeindruckender, wie er junge Talente wie Stephan Ambrosius und Matti Steinmann in den Abstiegskampf wirft, ohne sie zu verheizen. Der 20-jährige Tatsuya Ito fummelte nicht nur die Schalker, sondern auch die Kollegen schwindelig, Abwehrmann Rick von Drongelen adelte ihn gar als "Lionel Ito". Für die nötige Euphoriebremse sorgt ein Blick auf die Tabelle - der Relegationsrang, in Hamburg als "rettendes Ufer" bekannt, liegt noch immer fünf Punkte entfernt. Aber immerhin klingt es wieder wie eine Drohung Richtung Mainz, was der erneut starke Lewis Holtby nach dem Spiel sagte: "Wir sind der HSV".

3. Köln kriegt es nicht mehr gebacken

Auch wenn Trainer und Spieler des 1. FC Köln nach dem 1:1 gegen Mainz mehr Durchhalteparolen droschen als Bernd Hollersbach in seiner gesamten Amtszeit beim HSV - nach menschlichem Ermessen bedeutete der Abpfiff nach 97 Minuten in Müngersdorf: Game, Set, Abstieg. In der Mutter aller Sechs-Punkte-Spiele war der Effzeh einfach nicht bereit, brachte sein spielerisches Potenzial nie auf den Platz, und hatte letztlich Glück, dass die Mainzer viele beste Chancen liegen ließen. Bei der Ursachenforschung könnte ein Blick in das vieldiskutierte Interview von Per Mertesacker helfen - vielleicht werden einige FC-Spieler ja auch ganz froh sein, dass es dann bald endgültig vorbei ist, der Abstieg besiegelt. Erst eine Hinserie, in der Murphy‘s Law zum ständigen Begleiter wurde - Transferpleiten, Verletzungen, VAR, Last-Minute-Dramen. Und dann nochmal 17 Spiele, jedes wie ein Europapokal-Rückspiel, in das man mit einem 0:1-Rückstand geht: Zum Siegen verdammt, jeden Spieltag. Jedes Remis ein Rückschlag, jede Niederlage eine Katastrophe. "Wir sind Mal zurück, dann sind wir wieder weg und dann sind wir wieder zurück. Die Situation schafft einen irgendwann", sagte Geschäftsführer Armin Veh. "Dann kriegst du das nicht mehr gebacken." Mach et joot, FC.

4. Die Dortmunder Borussia duselt

Das Glück, das Peter Stöger beim FC in der Hinrunde fehlte, hatte er an diesem 29. Spieltag in Dortmund: 38 Minuten lang rumpelte der BVB über den Platz wie zu Thomas Dolls Zeiten, da verzog Christian Pulisic eine Flanke - und lachte sich Sekunden später den Arsch ab, weil der Ball im Winkel landete. Ein 1:0, dem die gute zweite Halbzeit und das letztlich klare 3:0-Endergebnis einen kleinen Mythos verliehen: "Vielleicht brauchst du so ein Tor, damit es wieder flutscht", sagte Nuri Sahin. Was zu beweisen wäre - nächstes Wochenende im Derby auf Schalke. Im Hinspiel war ja was, wenn wir uns recht entsinnen. Jedenfalls kommen die Dortmunder wenn nicht mit einer breiten, dann doch mit einer "gelösten" (Michael Zorc) Brust zum Erzfeind, der in Hamburg nach vier Siegen ohne Gegentreffer endlich ertappt wurde. So gut wie ein Tabellenzweiter spielen sie nämlich gar nicht, und dass ausgerechnet der Tabellenletzte den Schwindel aufgedeckt hat, das ist Peak Bundesliga 2018 - wo es außerhalb von München kein wirkliches Spitzenteam mehr gibt. Aber irgendeiner muss ja Vizemeister werden, und der Gewinner des Ruhrderbys übernimmt dann an Spieltag 30 die Pole-Position. Europa zittert schon.

5. Die Trainerfrage ist das neue Meisterschaftsrennen

Genug schwarz gemalt, das Duell um die Europapokalplätze zwischen der Eintracht aus Frankfurt und wiedererstarkten Hoffenheimern am Sonntag gab dem Freundeskreis Uefa-Koeffizient ein wenig Hoffnung - das intensive 1:1 gehörte zur gehobenen Sorte von Bundesliga-Spielen, die man in dieser Saison eher selten sieht: Zwei Teams mit klar ausgerichteter Spielanlage und feinen Aktionen am Ball. Jogi Löw gefällt das. Stand jetzt könnten beide Teams in Europa bestehen, aber: Der talentierteste Spieler auf dem Platz gehört den Bayern, der Torschütze Serge Gnabry schwingt seinen Kochlöffel ab nächster Saison wohl für den Rekordmeister. Sein Hoffenheimer Kollege Mark Uth wechselt zum FC Schalke, und Trainer Julian Nagelsmann? Sitzt zumindest auf dem Trainerkarussell, kurz vor Frankfurts Niko Kovac und hinter Ralph Hasenhüttl. Wo er und all die anderen wieder aussteigen – Hoffenheim? Leipzig? Dortmund? – gehört zu den spannendsten Fragen der Restsaison. Zumal, wenn die Antworten so hübsch ausfallen wie im Fall von Niko Kovac: "Es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass ich im nächsten Jahr hier nicht Trainer bin. Punkt. Stand jetzt." Alles klar?

6. Siege sind kein Allheilmittel

Was waren das für Szenen in Gladbach: Gerade hatte die Borussia mit einer Energieleistung einen Rückstand gegen die defensivstarke Hertha noch in einen Heimsieg verwandelt, da gelangten einige Fans in den Innenraum und bedrängten Torwart Yann Sommer. "Bedenklich", fand das Trainer Dieter Hecking, der ohnehin nicht sehr gut auf die Anhänger zu sprechen war, die nach dem 0:1 durch Salomon Kalou in der 40. Minute schon die ersten leisen "Hecking raus!"-Rufe anstimmten. "Dass Leichtigkeit und Selbstverständnis fehlen, wissen wir auch so. Dafür brauchen wir keine Pfiffe". Kein Fass aufmachen wollte, anders als die Fans vorm Spiel, Christoph Kramer: "Momentan sind alle Fans Anti-Videobeweis, Anti-50+1, da sind viele Aggressionen und viele Pfiffe drin. Der Fan hinter dem Tor trinkt ganz gerne mal ein Bierchen und dann ist es schwer, in fünf Minuten nach dem Spiel eine vernünftige Lösung zu finden."

Weder mit einem Bierchen noch einem ganzen Fass Bier lassen sich die "Steinhaus, du H..."-Gesänge gegen Bibiana Steinhaus auch nur irgendwie entschuldigen, bemerkenswert allerdings die Distanzierung von Max Eberl, der auch an seine eigenen schlechten Manieren erinnerte, die zuletzt Julian Nagelsmann ("Du kleiner Pisser") zu spüren bekam: "Das hat auf dem Fußballplatz nichts verloren, ich hoffe nicht, dass ich da jetzt Vorbild war, dass die Fans so einen Schwachsinn rufen."

Beziehungsstatus "kompliziert" in Gladbach, in Hannover muss man schon von "zerrüttet" sprechen: Am Freitagabend hat 96 mit dem 2:1 gegen Werder Bremen endlich die Niederlagenserie beendet, aber die Endlos-Fehde mit den Ultras fortgeschrieben - die bleiben beim Stimmungsboykott, auch wenn sich der ungeliebte Zampano Martin Kind unter der Woche einer Podiumsdiskussion mit Fanklubs stellte und Horst Heldt optimistisch war, "das Kriegsbeil zu begraben". Immerhin ist seit gestern nun klar, dass Heldt sich weiterhin mit dem Thema auseinandersetzen muss bzw. darf - dank seiner Beförderung zum Geschäftsführer, mit denen 96 die heftigen Flirts von Heldt mit anderen Klubs beenden will. Beziehungsstatus: fest liiert.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen