Fußball

2002 keine Dreyfus-Zahlung bemerkt Fifa widerspricht DFB, Beckenbauer im Fokus

Die Mitglieder des DFB-Bewerbungskommitees für die Fußball-WM 2006 Horst R. Schmidt (vl.n.r.), Franz Beckenbauer , Fedor Radmann und DFB-Mediendirektor Wolfgang Niersbach posieren nach dem WM-Zuschlag am 6. Juli 2000 in den Züricher Messhallen.

Die Mitglieder des DFB-Bewerbungskommitees für die Fußball-WM 2006 Horst R. Schmidt (vl.n.r.), Franz Beckenbauer , Fedor Radmann und DFB-Mediendirektor Wolfgang Niersbach posieren nach dem WM-Zuschlag am 6. Juli 2000 in den Züricher Messhallen.

(Foto: dpa)

Zu den vielen offenen Fragen bei der DFB-Erklärung der Millionenzahlung an die Fifa kommt handfester Widerspruch: vom Fußball-Weltverband und auch Fifa-Boss Blatter. Der frühere DFB-Generalsekretär Schmidt spricht von einem Alleingang Beckenbauers.

Der Druck auf den Deutschen Fußball-Bund wird nach der Pressekonferenz seines Präsidenten Wolfgang Niersbach zu den Hintergründen einer 6,7-Millionen-Euro-Zahlung an den Fußball-Weltverband Fifa immer größer. Als Schlüsselfigur der Affäre scheint sich dabei der damalige Chef des WM-Organisationskomitees, Franz Beckenbauer, herauszukristallisieren. Der kündigte via "Bild"-Zeitung inzwischen an, sich den externen Prüfern der WM-Affäre zu stellen.

Zuvor hatte erst der Fußball-Weltverband die Erklärung von Niersbach zu der ominösen Millionenzahlung aus dem Jahr 2005 grundsätzlich infrage gestellt. Später bestätigte der frühere DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt zwar die Version von Niersbach, sprach dabei aber von einem Alleingang Beckenbauers bei der Akquise eines Millionen-Darlehens vom früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus. Erst 2004 hätten Schmidt und seine OK-Kollegen durch Beckenbauer davon erfahren.

Der 2009 verstorbene Louis-Dreyfus und sein Privatdarlehen von umgerechnet 6,7 Millionen Euro stehen im Zentrum der Affäre. Niersbach hatte erklärt, mit dem Geld habe der DFB einen Zuschuss in Höhe von 250 Millionen Schweizer Franken für die Organisation der Weltmeisterschaft 2006 gesichert. Die 6,7 Millionen Euro seien im Jahr 2002 zunächst vom damaligen Adidas-Chef Louis-Dreyfus an die Fifa-Finanzkommission gezahlt worden - als Darlehen, weil die WM-Organisatoren nicht über ausreichende Geldmittel verfügt hätten. "Wohin genau", sagte Niersbach, "erzieht sich unserer Erkenntnis". Nachdem Louis-Dreyfus das Geld zurückgefordert habe, sei 2005 die Summe über ein Fifa-Konto an den Franzosen zurückgezahlt worden.

Die Fifa widersprach dieser Darstellung, indem sie mitteilte: "Es entspricht in keinster Weise den Fifa-Standardprozessen und Richtlinien, dass die finanzielle Unterstützung von WM-OKs an irgendwelche finanziellen Vorleistungen seitens des jeweiligen OKs oder seines Verbandes gekoppelt ist. Im Übrigen ist ganz generell die Finanzkommission weder berechtigt, Zahlungen irgendwelcher Art in Empfang zu nehmen, noch verfügt sie über ein eigenes Bankkonto", teilte die Fifa mit. Zudem habe der Weltverband 2002 "nach derzeitigem Kenntnisstand" keinen Zahlungseingang über zehn Millionen Schweizer Franken von Louis-Dreyfus registriert.

Blatter dementiert Beteiligung

Auch der momentan suspendierte Fifa-Präsident Joseph Blatter dementierte seine Verwicklung in die Affäre und widersprach Niersbach damit ebenfalls. Der hatte zuvor unter Berufung auf Beckenbauer erklärt: Vor der Einigung über die Überweisung an die Fifa-Finanzkommission 2002 gab es Anfang dieses Jahres ein Vier-Augen-Gespräch von Fifa-Präsident Joseph Blatter mit Beckenbauer in Zürich. Dabei wurde die Zahlung an die Fifa als Bedingung für den WM-Zuschuss vereinbart. Das bestritt der derzeit gesperrte Fifa-Präsident. "Ich bin mit diesem Vorgang nicht vertraut", ließ Blatter über einen Sprecher der dpa mitteilen.

Horst R. Schmidt will von Beckenbauer erst 2004 über die Umstände des WM-Zuschusses und die Verknüpfung mit einem Darlehen von Robert Louis-Dreyfus informiert worden sein.

Horst R. Schmidt will von Beckenbauer erst 2004 über die Umstände des WM-Zuschusses und die Verknüpfung mit einem Darlehen von Robert Louis-Dreyfus informiert worden sein.

Laut Schmidt habe Beckenbauer die angebliche Fifa-Bedingung ohne Rücksprache mit seinem Kollegen aus dem OK akzeptiert und gegenüber Dreyfus persönlich mit einem Schuldschein für die Rückzahlung gebürgt. Nach Beckenbauers Offenlegung der Situation habe im OK trotz der "intransparenten Gestaltung" (Schmidt) Einigkeit darüber geherrscht, dass der Ausgleich der Dreyfus-Zahlung durch das OK zu erfolgen hätte und nicht an Beckenbauer hängen bleiben könnte.

Grüne: "Zu viele Fragen offen"

Folgt man Schmidts Erklärung, hat also auch Niersbach als OK-Mitglied schon 2004 von den Umständen der Zahlung gewusst. In Frankfurt/Main hatte der DFB-Präsident aber gesagt, erst "etwa im Juni (2015, Anm. d. Red.) auf Umwegen von den Vorgängen erfahren" zu haben.

Damit werden die Widersprüche in der DFB-Erklärung immer eklatanter. Schon auf der Pressekonferenz am Nachmittag hatte Niersbach selbst eingeräumt, die "Fragezeichen" sehe er auch. Die Fifa werde die Angelegenheit intern mit externen Anwälten untersuchen. Der DFB sei aufgefordert, "an dieser Untersuchung mitzuwirken", teilte der Fußball-Weltverband mit.

Auch Grünen-Sportexperte Özcan Mutlu reagierte mit vielen Vorbehalten auf Niersbachs Erklärung. "Ablauf und Hintergründe erschließen sich mir immer noch nicht. Zu viele Fragen bleiben offen." Zu den zentralen Fragen, die durch die jüngsten Aussagen von Niersbach nicht beantwortet wurden, zählten: "War die 2005 geplante Sport-Gala von Beginn an eine vorgeschobene Veranstaltung, um die Rückzahlung des heimlichen Darlehens von Louis-Dreyfus zu vertuschen? Warum überweist Louis-Dreyfus 2002 direkt an die Fifa-Finanzkommission, wenn die Zahlung buchhalterisch zu Lasten des deutschen Organisationskomitees geht?"

Zudem hätten an den entscheidenden Stellen alle Beteiligten offenbar Gedächtnislücken. "Aus dem Grunde fordere ich weiterhin eine lückenlose Aufklärung seitens des DFB und höchstmögliche Transparenz im Interesse des deutschen Fußballs", sagte Mutlu und betonte: "Es ist zu einfach, der Fifa allein den Schwarzen Peter zuzuschieben. Der Sachstand ist keine Entlastung der Beteiligten." Zumal die Fifa der DFB-Erklärung entschieden widerspricht.

Quelle: ntv.de, cwo/dpa/sid

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