So läuft die Revanche gegen Polen Löw setzt auf Chef für gewisse Stunden
04.09.2015, 16:12 Uhr
Die DFB-Elf spielt in der EM-Qualifikation gegen Polen, um "die Tabelle zu korrigieren". Ein hehres Ziel, zu dessen Erreichen vor allem Bastian Schweinsteiger beitragen soll. Der Kapitän sei ja "immer noch Weltklasse".
Worum geht’s?
Für die DFB-Elf wie für die Polen geht es darum, sich für die Fußball-Europameisterschaft zu qualifizieren, die im Sommer kommenden Jahres in Frankreich stattfinden. Was die Partie heute (ab 20.45 Uhr bei RTL und im Liveticker auf n-tv.de) im Frankfurter Waldstadion betrifft, handelt es sich um ein besonders wichtiges Spiel. Zumindest betonen das alle, die danach gefragt werden. Und alle anderen auch. Das legt den Schluss nahe, dass die sechs Spiele, die beide Teams bisher in dieser Gruppe D absolviert haben, nicht oder zumindest nicht ganz so wichtig waren. 14 Punkte haben die Polen bisher gesammelt, 13 die Deutschen. Das Hinspiel in Warschau im Oktober vergangenen Jahres gewann Polen mit 2:0.
Freitag, 20.45 Uhr
Deutschland: Neuer (FC Bayern/29 Jahre/ 58 Länderspiele) - Rudy (Hoffenheim/ 25/9), Boateng (FCB/27/52), Hummels (BVB/26/ 39), Hector (Köln/25/5) - Schweinsteiger (ManUnited/31/111), Kroos (Real/25/58) - Müller (FCB/25/63), Özil (FC Arsenal/26/66), Podolski (Galatasaray/30/125) - Götze (FCB/23/45). - Trainer: Löw
Polen: Fabianski (Swansea/30/24) - Pisczek (BVB/30/40), Glik (FC Turin/27/31), Szukala (Osmanlispor/31/13), Jedrzejczyk (Krasno- dar/27/14) – Grosicki (Stade Rennes/27/28), Krychowiak (FC Sevilla/25/26), Jodlowiec (Legia Warschau/29/36), Rybus (Terek Grosny/26/35) – Lewandowski (FCB/27/68), Milik (Ajax/21/17). - Trainer: Nawalka
Schiedsrichter: Rizzoli (Italien)
Oliver Bierhoff, der Manager der DFB-Elf, hat als Ziel ausgegeben: "Wir wollen die Tabelle korrigieren." Dabei hat er die Partie am Montag in Glasgow gegen Schottland gleich mit einbezogen. In der Tat kann sich das Team von Trainer Joachim Löw mit einem Sieg gegen Polen erstmals auf Platz eins vorarbeiten. Doch ist das wirklich wichtig? Schließlich qualifiziert sich der Gruppenzweite ebenfalls direkt, dito der beste der am Ende neun Gruppendritten. Die anderen acht Drittplatzierten bekommen in zwei Playoffpartien auch noch eine Chance. Oder wie es der Bundestrainer formulierte: "Wir stehen vor den Wochen der Wahrheit - aber wir stehen nicht mit dem Rücken zur Wand."
Wie ist die deutsche Mannschaft drauf?
Marco Reus ist nicht dabei - wieder einmal. Dieses Mal ist es ein angebrochener Zeh, der den Dortmunder plagt. "Natürlich verzichte ich ungerne auf Marco Reus, weil er immer in der Offensive für die besonderen Momente und die Entscheidung sorgen kann", sagte der Bundestrainer. Aber: "Wir werden nicht lamentieren." Zumal er keinen Anlass sieht, sein taktisches Konzept zu ändern. "Wir leben schon auch von dieser Flexibilität vorne. Ich möchte, dass diese Spieler ständig ihre Positionen tauschen." Will heißen: Es hängt nicht alles von einem Akteur ab, sei er noch so gut. Ein Planspiel sieht so aus, das der Münchner Mario Götze anstelle von Reus die Position auf dem linken Flügel spielt, Leverkusens Karim Bellarabi auf der rechten Seite - und Thomas Müller als zentraler Angreifer vor Mesut Özil in der Schaltzentrale in die Mitte rückt. Allerdings könnte Götze das auch übernehmen. Und überhaupt: Sie sollen ja eh rotieren. Derweil beteuerte Löw noch einmal, dass er keinen Druck verspüre: "Wir freuen uns eher, dass wir so entscheidende Spiele haben."
Auf welche DFB-Spieler kommt's besonders an?
Es ist sein 112. Länderspiel - und er ist der Kapitän. Und anders als die 111 Male zuvor kam Bastian Schweinsteiger nicht aus München angeflogen, sondern aus Manchester. Das habe, witzelte er am Dienstag, auch Vorteile: "Ich sitze nicht neben Thomas Müller und der quasselt einen zu." So weit, so gut die Laune. Die dürfte auch nicht darunter gelitten haben, dass Löw im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" betont hatte, für wie wichtig er den 31 Jahre alten Schweinsteiger halte. Er müsse ihn, sprach der Bundestrainer, "nicht mehr in jedem Testspiel" einsetzen. Aber er brauche ihn "dann, wenn es für uns wichtig ist. Dann weiß ich, dass er führt und Verantwortung übernimmt und Siegeswillen zeigt wie kein anderer". Der Sportinformationsdienst dichtete prompt aus diesem Zitat die Schlagzeile: "Schweinsteiger: Löws Chef für gewisse Stunden".
In der Tat ist die Partie heute gegen Polen das bisher wichtigste Spiel, das Schweinsteiger mit der Binde am Arm bestreitet, nachdem er nach der WM und dem Rücktritt Philipp Lahms befördert worden war. Allerdings relativiert sich der Sensationsgehalt dieser Meldung vor dem Hintergrund, dass Schweinsteiger nach dem Triumph in Brasilien erst dreimal als Chef die Mannschaft auf den Rasen führte - beim Testkick gegen die USA und in den Qualifikationsspielen gegen Georgien und Gibraltar. Heute aber, versicherte der Kapitän, würden er und sein Team "voll angreifen", um sich "mit aller Macht zu revanchieren" für die Hinspiel-Niederlage. Dafür müsse es "zwei gute Halbzeiten spielen" und brauche "die Unterstützung unserer tollen Fans, auch wenn es lange 0:0 stehen sollte". Geht es nach Löw, klappt das, weil neben Toni Kroos eben Schweinsteiger auf der Doppelsechs im defensiven Mittelfeld spielt: "Wenn es drauf ankommt, ist er immer noch ein Weltklassespieler."
Wie läuft’s bei den Polen?
Trainer Adam Nawalka betonte gleich doppelt, was sein Plan ist: "Wir wollen gewinnen. Unser Ziel ist ein Sieg." Haben wir verstanden. Ansonsten sei es so: "Wir wissen, dass es nicht leicht wird. Aber wir haben ein gutes Team mit starken Individualisten. Wir haben Respekt vor Deutschland, aber keine Angst." Wohl auch, weil er mit Robert Lewandowski einen Angreifer in seiner Mannschaft hat, der nicht nur beim FC Bayern spielt, sondern auch internationales Format hat - wobei beides eng zusammenhängt. Lewandowski jedenfalls gibt sich ebenfalls offensiv optimistisch: "Wir sind momentan an erster Stelle und ich hoffe, dass das nach dem Spiel auch so bleibt. Wir wollen zur EM", sprach er in die Mikrophone von RTL. "Für uns war das Hinspiel gegen Deutschland sehr wichtig. Nach dem Spiel waren wir sehr selbstbewusst und haben noch besser gespielt, auch gegen andere Gegner. Jetzt sind wir eine andere Mannschaft als im ersten Spiel gegen Deutschland." Und er geht durchaus davon aus, dass Bundestrainer Löw einen wie ihn gerne in seinen Reihen hätte. Es stimmt schon, Deutschland hat im Moment ein Stürmer-Problem, keinen Stammspieler für das Zentrum", sagte er der "Sportbild", konzedierte aber immerhin: "Sie haben genug gefährliche Offensiv-Spieler, die aus der zweiten Reihe kommen und gefährlich werden."
War sonst noch was?
Einer, der es gar nicht abwarten kann, ist Mario Götze. Am Tag vor der Partie, also gestern, wiederholte der 23 Jahre alte Offensivspieler des FC Bayern vor versammelter Journaille im Pressezelt mantramäßig diesen einen Satz: "Ich freu' mich auf dieses Spiel." Das könnte damit zusammenhängen, dass der Bundestrainer Minuten zuvor gesagt hatte, dass Götze in der Startelf steht. "Ich wusste es noch nicht. Eine gute Nachricht, eine positive Sache für mich." Zumal ihn Löw ausdrücklich in nahezu Guardiola'scher Manier gelobt hatte: "Mario Götze ist ein Spieler von enorm hohem Wert für uns." Er sei, gerade gegen Mannschaften, die sich gegen die DFB-Elf vornehmlich aufs Verteidigen konzentrieren, einer, der im Angriff "in diesen kleinen Räumen hervorragende Lösungen parat hat. Ich bin überzeugt, dass er zeigen will, was in ihm steckt." Und Götze? Freut sich auf das Spiel.
Quelle: ntv.de