Fußball

Geht EM wirklich ohne Hummels? BVB-Stars setzen Nagelsmann enorm unter Druck

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Bei der Auferstehung der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im März setzt Bundestrainer Julian Nagelsmann nur auf einen Spieler des BVB: Niclas Füllkrug. Die Plätze im DFB-Kader scheinen nach den Siegen vergeben, nun erhöhen mehrere BVB-Stars den Druck.

Borussia Dortmund kämpft sich leidenschaftlich ins Finale der Champions League. Mats Hummels wird zwei Mal zum großen Helden, führt seine Mannschaft als unerschütterlicher Gladiator und Torschütze gegen Paris St. Germain nach Wembley. An seiner Seite glänzt Nico Schlotterbeck. Die überragenden Innenverteidiger des BVB bilden das große Bollwerk gegen die wütenden Attacken des Star-Ensembles aus der französischen Hauptstadt. Dass zwei Protagonisten bei PSG, Starstürmer Kylian Mbappé und Tempodribbler Ousmane Dembélé, auch als Säulen der Nationalmannschaft ihres Landes eingeplant sind und damit irgendwann im EM-Turnier in diesem Sommer auch Gegner des DFB-Teams sein können, macht Hoffnung auf ein Déjà-vu im Trikot mit dem Adler.

Das Problem ist nur: Während Mbappé und Dembélé ihre Plätze im Kader der "Les Bleus" sicher haben, führte der Weg ins Team zuletzt an Hummels und Schlotterbeck vorbei. Nagelsmann hatte nach den Frusterlebnissen im vergangenen Jahr alles überdacht, auch seine Nominierungen, und neben dem Leistungs- das Rollenprinzip eingeführt. Bedeutet: Der Bundestrainer will einen Stamm von elf, zwölf Feldspielern haben und dahinter Herausforderer, die ihre Position und Wertigkeit gewinnbringend einzuschätzen wissen. In der Innenverteidigung setzt er, durchaus berechtigt, auf Real Madrids Abwehrchef Antonio Rüdiger und Jonathan Tah, der als Anführer mit Bayer Leverkusen eine Wahnsinnssaison spielt und persönlich einen gigantischen Entwicklungsschritt vollzogen hat. Dahinter stehen Waldemar Anton, Kapitän der Stuttgarter Sensationstruppe, und Robin Koch von Eintracht Frankfurt.

Mats Hummels nach dem Sieg gegen Paris Saint-Germain.

Mats Hummels nach dem Sieg gegen Paris Saint-Germain.

(Foto: dpa)

Nagelsmann hatte nach den Erfolgen gegen Frankreich und die Niederlande eine große Liebeserklärung an seinen Kader gerichtet. Er hatte zwar niemandem die Tür vor der Nase zugeschlagen, aber als "open house" konnte die Nationalmannschaft nach den Ansagen des Coaches nun auch nicht mehr bezeichnet werden. Der Weg ins Team, so sagte er sinngemäß, führe nur dann zurück, wenn Spieler, die außen vor sind, ihre Sache so viel besser machen würden als jene, die dabei und Teil der herausragenden Gemeinschaft waren. Nun ist dieser Fall eingetreten: Hummels, mit seinem großartigen Timing (außer bei einer Grätsche an der Kante des Strafraums gegen Dembélé, die im Gelb eingebracht und fast einen Elfmeter verursacht hatte) und der Ruhe des Bären, sowie Schlotterbeck sind mindestens an Koch vorbeigezogen. Auch ein Vorzug gegenüber dem starken, aber international noch völlig unerfahrenen Anton ließe sich gut verargumentieren. Ob es für mehr reicht?

Passen Selbstverständnis und Rolle zusammen?

Da wäre also die Frage nach dem Rollenverständnis. Der Münchner Leon Goretzka, auch so ein Ausgebooteter, hatte zuletzt betont, dass er für seinen EM-Traum jede Position akzeptieren würde. Ob das allerdings auch für Schlotterbeck und vor allem für Hummels gilt, der ja den "born leader", den geborenen Anführer, in sich trägt? Wer einen Thomas Müller mitnimmt, der ja ebenfalls nicht mehr die allererste Wahl im DFB-Team ist, der kann sich auch einen Hummels leisten. So kann man das sehen. Aber auch eben so: Hummels' Meinungsstärke kann die neue, gerade gewachsene Hierarchie direkt ins Wanken bringen. Ein möglicher Champions-League-Sieger käme vermutlich nicht mit dem Anspruch, erster Ersatz zu sein.

Und wie viele potenzielle Henkelpott-Champions nimmt Nagelsmann überhaupt mit? Stürmer Niclas Füllkrug dürfte seinen Platz sicher haben. Er war zuletzt immer dabei, hatte für den BVB starke Spiele und glänzt in der Nationalmannschaft mit einer herausragender Quote und dank seiner Körperlichkeit auch seltenen Qualität. Über andere Namen braucht derzeit nicht oder nicht mehr geredet zu werden: Niklas Süle etwa, der aktuell wieder sehr kolossal daherkommt und keine unumstrittene Stammkraft ist. Oder auch Kapitän Emre Can, der einfach zu wankelmütig bleibt. Oder Marco Reus, der einfach Marco Reus ist und seine letzten Tage beim BVB genießt. Anders sieht es dagegen bei Karim Adeyemi und Julian Brandt aus.

Adeyemi spielt eigentlich auch keine gute Saison, hat sich aber wieder in eine zuverlässige Form gespielt und ist wegen seines aberwitzigen Tempos immer eine Option, wenn es auf Konter ankommt. Wie einst David Odonkor könnte auch der 22-Jährige seine Spezialistenrolle beim Heim-Turnier finden. Auch auf so etwas, auf das Spezialistentum, legt Nagelsmann ja Wert. Und dann ist da noch Julian Brandt, der die Fans in Schwarz-Gelb gelegentlich mit seiner Fahrigkeit in den Wahnsinn treibt, aber ein sensationell guter Fußballer sein kann, mit seiner Technik und seinem Auge immer in der Lage ist, ein Tor zu schießen oder einen genialen Pass zu spielen.

Aus Trotz erwächst Topform

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Die Auferstehung der Verstoßenen (wie der Kollege Stephan Uersfeld hier schreibt) ist eine durchaus spannende Geschichte. Denn sie hängt unmittelbar mit der Nichtbeachtung durch Nagelsmann zusammen. In der Woche, in der BVB das Achtelfinal-Rückspiel gegen die PSV Eindhoven gewann, waren viele Kader-Leaks aufgetaucht. Einer: Alle Dortmunder Profis sind raus, außer Füllkrug. Es gab gute Argumente dafür. Aber aus der Enttäuschung erwuchsen erst Trotz und dann Topform. Womöglich bald sogar heroische Champions-League-Sieger.

Auf Nagelsmann würden beim Umdenken große Probleme in der Vorbereitung zu kommen. Beim Trainingslager vom 26. Mai bis 31. Mai in Blankenhain im Weimarer Land muss er auf alle Profis verzichten, die am 1. Juni in Wembley um den Henkelpott kämpfen. Ungeachtet all der möglichen BVB-Profis sind das definitiv entweder Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Jamal Musiala, Thomas Müller und Leroy Sané vom FC Bayern oder aber Toni Kroos und Rüdiger von Real Madrid (beide Teams spielen am Abend das zweite Halbfinale aus). "Natürlich ist es gut, wenn alle da wären", hatte Nagelsmann unlängst gesagt. Das spräche dann gegen ein Umdenken. Der Coach betonte aber, dass auch bei ihm "die Freude überwiegt, wenn Spieler ins Champions-League-Finale kommen". Das biete schließlich "emotionale Highlight-Momente" für die Spieler. Davon könnte dann auch die DFB-Elf profitieren. Das spräche dann für ein Umdenken.

Quelle: ntv.de

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