Sechs Lehren des 10. Spieltags Wer hat noch Angst vorm FC Bayern?
07.11.2016, 13:14 Uhr
Ungeschlagen Tabellenführer: Thomas Müller, Douglas Costa und Xabi Alonso. Sie alle spielen für den FC Bayern München.
(Foto: imago/MIS)
Wo ist sie hin, die Dominanz? Nun mosern die Gegner schon, wenn sie beim FC Bayern nur remisieren. Die Rasenballsportler aus Leipzig suchen ihr Limit, finden aber keins. Und der HSV ist ein hoffnungsloser Fall.
1. Der FC Bayern muss sich umschauen
Ein bisschen frech war das schon, wie Julian Nagelsmann am Samstagnachmittag in München auftrat. Das sei, sagte der Trainer, nicht gerade die beste Leistung seiner Mannschaft gewesen. Dabei hatten seine Hoffenheimer am zehnten Spieltag der Fußball-Bundesliga beim FC Bayern ein 1:1 erkämpft, beim Deutschen Meister, beim Branchenführer. Klar, er sei zufrieden. Aber nur "mit dem Ergebnis und der Leistung in der ersten Halbzeit". Was er damit sagen wollte: Hoffenheim hätte auch gewinnen können, wollen allemal. Die Bayern sind, ob das nun am neuen Trainer Carlo Ancelotti liegt oder nicht, verwundbarer geworden. Gegen gut organisierte Gegner geht ihnen das präzise und schnelle Passspiel ab, das die in drei Jahren unter Josep Guardiola geübt und meist vortrefflich umgesetzt hatten. Dabei ist es ja nicht so, dass sie ihre Spiele nicht gewinnen, auch gegen Hoffenheim hatten sie kurz vor Schluss zweimal die Chance zum 2:1. Die Münchner sind noch ungeschlagen, sieben Mal siegten sie, dreimal spielten sie Remis.
Saison | Punkte Vorsprung | Trainer |
2015/16 | 10 auf den BVB | Guardiola |
2014/15 | 10 auf Wolfsburg | Guardiola |
2013/14 | 19 auf den BVB | Guardiola |
2012/13 | 25 auf den BVB | Heynckes |
Aber diese Siege, erst Recht nicht die Unentschieden, verängstigen die Gegner nicht mehr, weil ihnen nicht mehr jene Souveränität innewohnt, mit der sie seit vier Jahren dominieren. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Gäste oft ohne mehrere auf wundersame Weise just vor dem Gastspiel in München gelbgesperrte Spieler antraten, froh waren, überhaupt in der Erlebniswelt des FC Bayern auftreten zu dürfen und sich die Trainer auch nach hohen Niederlagen bei den Münchnern bedankten. Wenn der Schein nicht völlig trügt, läuft es in dieser Saison anders als in den Spielzeiten zuvor. In den vergangenen drei Jahren feierte der FC Bayern zweimal mit zehn und einmal mit 19 Punkten Vorsprung die Meisterschaft. Und in der Tripple-Saison 2012/2013, der letzten unter Jupp Heynckes, waren es gar 25 Zähler. Nun aber müssen sich die Bayern ab und zu umschauen - und sehen dort ernsthafte Verfolger. Ob das daran liegt, dass die andern Mannschaften stärker geworden sind, daran, dass die Münchner an Souveränität und Spielkunst eingebüßt haben, oder ob die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt, ist eine Frage, die noch niemand genau beantworten kann.
2. RB Leipzig ist noch nicht am Limit
Freilich ist es schön, dass die Rasenballsportler aus Leipzig jetzt die Klappe nicht ganz weit aufreißen und sich bereits auf Augenhöhe mit dem FC Bayern wähnen. Auch wenn sie das ja nach dem 3:1 gegen Mainz und dem Remis der Münchener gegen Hoffenheim aktuell nun einmal sind - punktgleich mit dem Meister auf Platz zwei. Allein aus Image-Gründe ist die gelebte Demut in Sachsen eine gute Idee, um nicht neue Hass-Potenziale im Traditionalisten-Lager anzuzapfen.
Doch ganz so überrascht, wie sie immer wieder tun, wenn sie auf ihren Erfolg angesprochen werden, müssen sie nun auch nicht sein. Denn zu den Ansprüchen des Klubs gehört es qua Red-Bull-Doktrin ganz oben zu sein. Mit Mittelmaß gibt's sich der Konzern nicht zufrieden - außer vielleicht beim Getränk selbst. Zur Lage der Leipziger passt daher wohl weniger das Zitat von Stürmer Yussuf Poulsen, der zum Start in die Saison auf die Frage, ob RB als Aufsteiger den Münchnern ein ernsthafter Konkurrent sein könne, entrüstet antwortete: "Das passiert niemals." Sondern vielmehr das, was Ralph Hasenhüttl vor dem Sieg gegen Mainz sagte. Die "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" hatte ihn gefragt, wo er denn die Grenzen für sein Team lägen. Und der Trainer hatte geantwortet: "Ich sehe für uns aktuell keine Grenzen. Und ich weiß auch nicht, wo im Moment dieses Limit liegen sollte." Nach der Partie am Sonntag sagte Hasenhüttl dann wieder: "Moment können wir uns von dem Tabellenplatz nichts kaufen." Das stimmt. Was weniger richtig ist: "Wir spielen noch lange nicht wie eine Spitzenmannschaft." Offensiv schnell, druckvoll mit 20 Toren. Defensiv souverän, stabil mit nur sieben Gegentoren. In der Liga ungeschlagen - sieben Siege, drei Remis. Wenn das kein Spitzenteam ist, wer dann?
3. Zum HSV fällt uns nichts mehr ein
Für die Fans war am Samstagnachmittag die Sache klar: "Außer Uwe könnt ihr alle gehen." Und dann? Wir wissen es nicht. Der Trainer des Hamburger SV offensichtlich auch nicht. Markus Gisdol sagte nach dem 2:5 gegen die Dortmunder Borussia: "Durch Missgeschicke geraten wir in großen Rückstand. Die Spieler können es sich ebenfalls nicht erklären. Solche Fehler machen sie nicht mal im Training. Das Problem ist, dass diese Fehler jede Woche anderen passieren." Das kann ja nur heißen, dass es im Grunde völlig egal ist, wen er aufstellt - sie kriegen es beim Tabellenletzten alle nicht auf die Kette. Außer Uwe Seeler natürlich, der das Elend an seinem 80. Geburtstag im Volkspark mit ansehen musste. Wie gut, dass sie beim HSV wenigstens einen Klubchef haben, der den Durchblick behält und die Sache im Griff hat. Wir zitieren Dietmar Beiersdorfer: "Das Wichtigste ist, festzustellen, dass wir nach zehn Spielen zwei Punkte haben. Und dass es auch noch nie eine Mannschaft geschafft hat, nach zehn Spielen und zwei Punkten die Klasse zu halten. Und das muss uns Hoffnung machen, dass wir das umsetzen können, dass wir das schaffen. Das ist die große Herausforderung." Gute Nacht, HSV.
4. Aubameyang weiß sich zu entschuldigen
Nun ist es so, dass Uwe Seeler niemals ein Tor gegen seinen geliebten HSV schießen würde, selbst wenn er die dann doch mittlerweile unwahrscheinliche Gelegenheit dazu bekommen würde. Aber wer am Samstagnachmittag gesehen hat, wie die sogenannten Abwehrspieler der Hamburger den Dortmunder Pierre-Emerick Aubameyang einluden, sich bei seinem Trainer und seinen Kollegen auf adäquate Weise dafür zu entschuldigen, dass er jüngst einfach so nach Mailand düste - der hätte glatt auf die Idee kommen können, dass Seeler diese vier Tore auch mit seinen 80 Jahren noch hätte schießen können.
Was aber nicht die famose Leistung des BVB-Juwels schmälern soll, der nun auf elf Bundesligatore kommt und sich mit dem Kölner Anthony Modeste Platz eins in der Liste der besten Schützen teilt. Thomas Tuchel, sein Chef, der ihn in der Champions League am Dienstag zur Strafe auf die Tribüne gesetzt hatte, war dann auch voll des Lobes: "Uns ist klar, dass wir keines unserer Ziele ohne Aubas Tore erreichen." Der Gepriesene selbst gab sich auch hinterher noch ganz demütig. "Ich habe einen Fehler gemacht und dem Trainer und meiner Mannschaft Sorry gesagt." Mit Erfolg. "Das sprengt natürlich jede Erwartungshaltung", konstatierte Tuchel. Nach dem ersten Treffer in der vierten Minute flitzte Aubameyang zu seinem Trainer und herzte ihn. "Eine sehr schöne Geste", befand Tuchel. "Er hat zu mir gesagt: Zwei Tore machst Du noch, und ich habe gesagt: "Okay, mache ich", berichtete Aubameyang. Es wurde einer mehr. "Ich will doch mein gutes Verhältnis zum Trainer nicht riskieren."
5. Wolfsburgs Logik verblüfft
Sie haben extra einen Mitarbeiter nach Berlin geschickt, um zu fragen, ob Pal Dardai nicht neuer Trainer werden wolle, der gerade mit der Hertha für Furore sorgt. Sie haben Ex-HSV'er Bruno Labbadia kontaktiert, um zu fragen, ob er nicht den VfL retten könne. Und dann geben sie dem Mann den Vertrag als Cheftrainer, für den sie händeringend eine Alternative gesucht haben. Und das nur, weil die Mannschaft - was löblich ist - keine "Trainervernichtsmaschine" sein möchte. Nichts gegen Valérien Ismaël. Aber was genau bedeutet das denn, bitte? Kaum werden Kandidaten gehandelt, die allesamt als etwas härter gelten, als der nette Franzose, gewinnen die Wölfe locker-lässig bei der Freiburger Heimmacht. Da stimmt doch offenbar etwas mit der Einstellung nicht. Sei's drum: Der Interimstrainer ist jetzt der Chef und alle sind glücklich. Ismaël sei "die beste Lösung", jubiliert Manager Klaus Allofs. "Diese Entscheidung haben wir aus voller Überzeugung getroffen. Wir haben von Anfang an betont, dass Valerién eine Chance bekommt und diese hat er in unseren Augen hervorragend genutzt." Vergessen sind demnach die Niederlagen in Darmstadt (peinlich) und gegen Leverkusen (dämlich). Ismaël verdient sich die Chance - und solange die Mannschaft ihn mag, kann's klappen.
6. Schalke spielt jetzt Weinzierl-Fußball
Wer noch vor anderthalb Monaten Zweifel hegte, ob Markus Weinzierl der richtige Mann für die Ruhrpott-Diva aus Gelsenkirchen ist, der darf diese nun endgültig als zerstreut ansehen. Nach dem verdienten 3:1 gegen Werder Bremen sind die Schalker seit neun Pflichtspielen ungeschlagen - und die Fans feiern ihre Saisonstart-Versager. Nationalspieler Max Meyer findet diese Serie ziemlich gut. Er sagt: "Sieben Siege in den vergangenen neun Spielen - das ist eine totale Steigerung im Vergleich zu vorher." Das ist völlig richtig. Denn noch am 25. September waren die Königsblauen - völlig unvorstellbar eigentlich in einer Liga, in der der HSV mitspielt - punktlos Letzter. "Wir haben eine tolle Serie, so wollen wir weitermachen. Wir haben jetzt Anschluss ans Mittelfeld, aber damit sind wir noch nicht zufrieden", sagt der Trainer - und er kann davon ausgehen, dass die Zukunft nicht viel schlechter wird. Denn wie die "WAZ", analysiert hat, stimmen nun Raumaufteilung, Tempowechsel, Pressing. Kurzum: Der FC Schalke spielt nun Weinzierl-Fußball - und mit dem war der Trainer bei seinen Ex-Arbeitgebern ziemlich erfolgreich.
Quelle: ntv.de