Fußball

Was ist da schon wieder los? Jetzt nervt der moderne Fußball sogar Anhänger von RB Leipzig

Proteste in Leipzig.

Proteste in Leipzig.

(Foto: AP)

RB Leipzig verliert in der Champions League gegen Real Madrid. Die Spanier haben einen guten Torhüter, Schiedsrichterglück und grundsätzlich einen besseren Kader. Im Stadion protestieren die Leipziger Fans und die DFL verkündet das Ende der Gespräche mit einem Investor. Alles hängt mit allem zusammen.

Im ehemaligen Leipziger Zentralstadion offenbarte sich am Dienstag die Absurdität der Gleichzeitigkeit der Dinge. Im Stadion, das schon lange den Namen des österreichischen Softdrink-Giganten Red Bull trägt, protestierten die Fans von RasenBallsport Leipzig, die, wie jeder weiß, eigentlich Red Bull Leipzig heißen wollten, mit einem "Still Not Loving UCL Reforms" gegen das neue Format der UEFA Champions League. Auf dem Rasen spielten sie gegen den Rekordsieger Real Madrid, der aber eigentlich längst in einer Super League spielen möchte.

Gleichzetig verkündete die DFL den Ausstieg eines möglichen Investors, Blackstone, für die beiden ersten Ligen des deutschen Fußballs. Der Grund dafür waren, so war zu hören, auch die Tennisball-Proteste der Fans, die den Fußball in den vergangenen Wochen in Atem gehalten hatten. An denen hatten sich die Leipziger Anhänger nicht beteiligt.

Wieso auch? Die Regeln im deutschen Fußball hat der Verein aus der Messestadt, so der feste Standpunkt der dieser Tage protestierenden Massen, ohnehin mit seinem Marsch in die obersten Ligen außer Kraft gesetzt. Unter dem Eindruck der neuen Kraft im deutschen Fußball waren andere Vereine weggebrochen. Der schon länger kriselnde HSV, der FC Schalke 04 und auch der zeitweise den Leipzigern mit einem Geldgeber nacheifernde Klub aus dem Berliner Westend, Hertha BSC, waren über die Jahre weggebrochen.

Leipzig fehlen stimmberechtigte Mitglieder zum Verein

Zu den laut Fans außer Kraft gesetzten Regeln gehört die 50+1-Regelung, die sicherstellen soll, dass Kapitalanleger nicht die Stimmenmehrheit in den ausgegliederten Kapitalgesellschaften der Profivereine übernehmen können. Ob diese Regelung immer noch Bestand hat, ist umstritten. Denn der Eigentümer von Hannover 96, Martin Kind, hat - offiziell bislang nicht bestätigt - bei der zweiten Abstimmung über den möglichen Einstieg eines Investors gegen die Interessen seines eigenen Vereins votiert. Die Lage in Hannover ist kompliziert. Die in Leipzig nicht.

In Leipzig gibt es keinen echten Verein und so gibt es auch keine stimmberechtigten Mitglieder, die sich gegen die Interessen des Geldgebers, Red Bull, stellen können. Das darf man doof finden oder nicht. Das Unternehmen aus Österreich ist eines von einer ständig wachsenden Anzahl von Unternehmungen, die weltweit zahlreiche Fußball-Klubs betreiben und die unter dem Begriff Multi-Club-Ownership subsumiert werden. Daraus resultieren Wettbewerbsvorteile, die andere Vereine nicht haben.

Das Private-Equity-Unternehmen Blackstone wiederum, wie auch der verbleibende potenzielle Investor CVC, arbeitet mit Geldern des saudischen Staatsfonds PIF, das den Fußball spätestens seit der Transferoffensive des Wüstenkönigsreichs in Atem hält. Dort besitzt der PIF vier Top-Vereine, auch sie sind also Teil der Multi-Club-Ownership-Szene. Sein Arm reicht bereits nach Europa, wo er sich in der enthemmten englischen Premier League den Traditionsklub Newcastle United angeeignet hat. Das kommt in Englands Norden, der Heimat der Geordies, überraschend gut an, wird sonst aber abgelehnt. Weil das Menschenrechtsverständnis des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman nicht unbedingt den Normen der westlichen Welt entspringt.

Zu groß für die eigenen Ligen

Überall in Europa sprießen in den vergangenen Jahren derartige Gebilde aus dem Boden. Saudi-Arabien, Abu Dhabi mit Manchester City oder der am katarischen Tropf hängende französische Hauptstadtklub Paris Saint-Germain, dazu die Investoren aus der Private-Equity-Branche in der Premier League oder in der italienischen Serie A sowie die revoltierenden Superklubs Barcelona und eben Real Madrid aus Spanien, die so groß geworden sind, dass sie in ihrer nationalen Liga eigentlich nichts mehr hält. Mit dem Investoren-Deal wollte oder will, denn CVC ist noch im Geschäft, die DFL schritthalten mit diesen Entwicklungen. Auch das ist umstritten. Doch darum geht es der DFL im Kern.

Als wäre das alles nicht schon kompliziert genug, war an diesem Dienstag in der Red-Bull-Arena das 0:1 von RB Leipzig gegen den Giganten aus der spanischen Hauptstadt, das mit Sicherheit auch durch eine absurde Fehlentscheidung des bosnischen Schiedsrichters Irfan Peljto und dem Nichteingreifen des niederländischen Videoschiedsrichters Pol van Boekel in den ersten Minuten des Spiels zustande kam, ein herber Rückschlag für die Qualifikationsträume des für viele im österreichischen Fuschl am See verorteten sächsischen Bundesligisten für die im Jahr 2025 anstehende Klub-Weltmeisterschaft der besten 32 Teams der existierenden Welt. Die wird in den USA ausgetragen. Sie soll der FIFA um ihren sich mindestens nach dem Friedensnobelpreis sehnenden Präsidenten Gianni Infantino Zugriff auf die besten Klubs des europäischen Kontinents gewähren - und natürlich den besten Klub der Welt finden. Sie wird, dafür braucht es keinen Propheten, ein Spektakel.

RB Leipzig verpasst wohl exklusives FIFA-Ticket

RB Leipzig könnte sich nach dieser Niederlage und dem wohl bevorstehenden Aus im Achtelfinale der Champions League diesem Zugriff der FIFA entziehen. Sie müssen in einer vor wenigen Monaten bekannt gegebenen Wertung sechs Punkte auf Borussia Dortmund aufholen, um Zugang zu den neuen Geldtöpfen zu bekommen. Für dieses exklusive Ticket zum neuen, alle vier Jahre ausgeschütteten Geldtopf der FIFA müssten sie gegen Real Madrid das Viertelfinale der UEFA Champions League erreichen und auf ein Ausscheiden der Dortmunder in deren Achtelfinale gegen PSV Eindhoven hoffen.

Daraus wird wohl eher nichts. Real Madrid hatte das Spiel am Ende aufgrund einer individuellen Meisterleistung von Brahim Díaz in der 49. Minute gewonnen und damit nur untermauert, was die Spanier dieser Tage in Leipzig nicht müde waren zu erzählen. Real Madrid gehört zu den Superklubs Europas, RB Leipzig nicht. Nur der FC Bayern kann sich in Deutschland mit diesem Titel rühmen.

Die richtige Saison, hatte Toni Kroos, der deutsche Mittelfeldspieler von Real Madrid, gesagt, beginne erst im Februar und somit eben mit der K.-o.-Phase der Champions League, gegen deren Reform nun die Leipziger Fans für kurze Zeit zumindest auf die Barrikaden gingen.

Denn die verspricht eine noch modernere Fußball-Welt. Ab der kommenden Saison sprudeln die Millionen der UEFA dann für 36 Klubs, vier mehr als bisher. Die Gruppenphase ist abgeschafft. Sie wird durch ein sogenanntes Schweizer Ligasystem ersetzt, in dem jeder Verein dann acht Spiele anstatt sechs haben wird. Am Ende scheiden nur die letzten zwölf Klubs aus, der Rest geht in die K.-o.-Phase. Die Europäische Fußball-Union wird ab der neuen Saison 2,467 Milliarden statt bisher 2,002 Milliarden Euro ausschütten. Trotz des größeren Teilnehmerfelds gibt es im Schnitt also mehr zu verdienen.

Noch mehr Geld als bisher für die Größten

Doch die, die sich nicht für den Wettbewerb qualifizieren, partizipieren daran weiter kaum. Der Qualifikant nimmt sich alles. Im nächsten Jahr allein über 18 Millionen Euro Antrittsprämie und bei ein wenig Erfolg sehr viel mehr. Der Einzug in die Champions League bedeutet für die Klubs eben nicht nur Prestige, sondern auch eine Menge Geld. Der renommierte englische Fußball-Finanz-Blog "The Swiss Ramble" listete im Dezember 2023 die Einnahmen der Teilnehmer der diesjährigen Gruppenphase auf.

Mit PSG (99 Millionen), Manchester City (96 Millionen), dem FC Bayern (95 Millionen) und Real Madrid (93 Millionen) kassierten demnach vier Klubs über 90 Millionen Euro für die sechs Spiele der Vorrunde. Die Summe setzt sich zusammen aus Start-, Sieg- und Koeffizientenprämie sowie dem Marktpool, der erst nach der Saison genau zu ermitteln ist. Aber auch Borussia Dortmund (79 Millionen) und eben RB Leipzig (67 Millionen) konnten sich beileibe nicht beklagen. Für Union Berlin, den vierten Bundesligisten, war der kurze Ausflug in die Königsklasse nicht ganz so ertragreich. Sie spielten nur 29 Millionen Euro ein und werden diesen Wettbewerb wohl auch zeitnah nicht mehr erreichen.

Proteste kommen aus tiefstem Herzen

Wer lang genug in der Champions League gespielt hat, kann in den nationalen Wettbewerben dominieren. Eine Krise der Bayern ist der Kampf um die Meisterschaft. Eine Krise von Borussia Dortmund ist der Kampf um die Champions League. Eine Krise von Werder Bremen kann den Abstieg bedeuten.

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Weniger Geld wird es mit dem neuen Format der Champions League nicht geben. Es wird mehr geben. Und es wird noch lange nicht das Ende sein, denn das Urteil des Europäischen Gerichtshof zur Super League im vergangenen Dezember ist noch längst nicht abschließend bewertet worden. Es bleibt bislang noch unklar, wem es zuträglich sein wird. Es ist auch vollkommen unklar, wer all das überhaupt noch nachvollziehen will und kann. Dabei könnte alles so einfach sein.

"Ich gönne es ihm", sagte RB-Trainer Rose auf das Traumtor von Real Madrids Brahim Díaz angesprochen. Es kam aus tiefstem Herzen. Aus dem kommen auch die Proteste der Fans. In der Bundesliga waren sie nun zumindest zum Teil erfolgreich. Der Fußball darüber, in Europa und in der Welt, ist längst an Interessen außerhalb des Einflusses der Fans, der Teilhaber des Fußballs, verloren. Noch ist die Bundesliga nicht verloren. Sie benötigt jedoch schleunigst eine Idee, wo in dieser absurden Welt des Fußballs sie sich verorten will. Und wer mit ihnen diesen Weg gehen will. Die Reviere sind markiert.

Quelle: ntv.de

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