Technik

Zwangsversteigert für die Ewigkeit? Auch Google muss vergessen

3hdl5246.jpg2063602207158301165.jpg

(Foto: dpa)

Es gibt in Europa tatsächlich ein "Recht auf Vergessenwerden" im Netz. Google muss gegebenenfalls auf Antrag eines Betroffenen Suchergebnisse streichen, urteilt der Europäische Gerichtshof. Experten erwarten jetzt eine Klagewelle.

Der Europäische Gerichtshof hat die Rechte der Verbraucher im Internet überraschend gestärkt: Bürger können von Google verlangen, Links zu unangenehmen Dingen aus ihrer Vergangenheit nach längerer Zeit aus dem Netz verschwinden zu lassen, urteilten die Richter (Rechtssache C-131/12). Der Suchmaschinenbetreiber müsse die Verweise aus seiner Ergebnisliste entfernen, wenn die dort nachzulesenden Informationen das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz einer Person verletzen.

Es geht dabei um Links zu Webseiten, die bei der Suche nach einem Namen bei Google auftauchen. Etwa Seiten, die von Dritten veröffentlicht wurden, und sensible persönliche Daten zu einer Person enthalten. Google muss diese löschen, wenn seit der Veröffentlichung Jahre verstrichen sind oder die Informationen nicht mehr ihrem ursprünglichen Zweck entsprechen, wie etwa bei einer Zwangsversteigerung. Wie Rechtsanwalt Thomas Stadler auf "Internet Law" schreibt, kann Google auch bei Inhalten, die im Netz rechtmäßig veröffentlicht wurden, nicht länger davon ausgehen, dass auch die Indizierung für die Suche stets rechtmäßig ist. Der EuGH gehe nämlich davon aus, dass Informationen erst durch Google allgemein öffentlich verfügbar würden, die sonst nur eingeschränkt zugänglich seien.

Inhalte spielen keine Rolle

Laut Gericht hat der Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Löschung. Komme Google dem nicht nach, könne sich der Betroffene an die Datenschutzbehörden wenden. Ausnahmen sind laut Gericht nur bei Personen des öffentlichen Lebens erlaubt, bei denen es ein besonderes Interesse gebe. Geklagt hatte ein Spanier, dessen Grundstück vor mehr als 15 Jahren zwangsversteigert wurde. Die amtliche Bekanntmachung über die Pfändung wurde 1998 in einer spanischen Zeitung und im Internet veröffentlicht. Der Betroffene wandte sich dagegen, dass Google bei der Eingabe seines Namens einen Link zu diesen Informationen heute noch anzeigt und forderte, den alten Artikel zu löschen. Die Pfändung sei erledigt und verdiene keine Erwähnung mehr. Die Richter urteilten dabei nur über die Verweise, nicht aber über die Inhalte der Webseiten. Der Anspruch gelte auch dann, wenn diese rechtmäßig seien und die Informationen dort nicht gleichzeitig gelöscht würden.

Zur Begründung schreibt der EuGH, mit der Eingabe eines Namens bei einer Suchmaschine könne ein Nutzer "ein mehr oder weniger detailliertes Profil der gesuchten Personen erstellen". Dies sei ein Eingriff in die Rechte der Person. Die Ergebnisse seien nichts anderes als eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Das EU-Recht verlange daher einen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer und denen der betroffenen Person. "Wegen seiner potenziellen Schwere kann ein solcher Eingriff nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung der Daten gerechtfertigt werden", heißt es.

Google ist enttäuscht und überrascht

Experten gehen davon aus, dass Verbraucher Google nun mit einer Flut an Löschanfragen überschwemmen. "Diese Entscheidung ist nicht nur für Suchmaschinen enttäuschend, sondern auch für alle, die Inhalte online publizieren", sagte ein Google-Sprecher in Hamburg. Der Konzern sei sehr überrascht, dass das Urteil so stark von der vorherigen Einschätzung des Generalanwalts abweiche und dessen Warnungen unberücksichtigt lasse. "Wir benötigen nun Zeit, um die Auswirkungen zu analysieren."

Google hatte in dem Verfahren argumentiert, es sei laut EU-Datenschutzrichtlinie nicht verantwortlich dafür, dass personenbezogene Daten auf den jeweiligen Webseiten gemäß der Richtlinie verarbeitet werden. Es könne nicht einmal zwischen personenbezogenen und anderen Daten unterscheiden. Deshalb könne auch eine nationale Datenschutzbehörde die Suchmaschine nicht verpflichten, bestimmte Informationen aus ihrem Index zu entfernen.

Quelle: ntv.de, ghö/DJ/rts/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen