Geschichtsstunde "Assassin's Creed" Die Revolution in die Hand nehmen
28.11.2014, 20:36 Uhr
Arno springt, schleicht und kämpft sich durch das Paris des späten 18. Jahrhunderts.
(Foto: Ubisoft)
Die menschliche DNA enthält Erinnerungen - mit diesem Erzähltrick werden Spieler seit Jahren unter dem Namen "Assassin's Creed" in historische Schlüsselszenarien versetzt. Die Entwickler brüsten sich mit Geschichtstreue. Zugleich warnen sie.
Paris pulsiert. Die letzte Phase des 18. Jahrhunderts ist angebrochen. Es rumort in der Bevölkerung. Die Aristokratie und ihre vermeintlich gottgegebene Gesellschaftsordnung werden nicht mehr lange hingenommen. Die Französische Revolution ist im Gange und Arno ist mittendrin, hier, in der Hauptstadt an der Seine. Arno ist der Protagonist in "Assassin's Creed: Unity", dem neuesten Teil der populären Spieleserie.
Die Pariser Innenstadt ist in verschiedene Distrikte aufgeteilt, die alle nach dem Offene-Welt-Prinzip begehbar sind: Der Spieler schwingt sich schier mühelos durch Fenster, rutscht über Hindernisse hinweg oder unter ihnen hindurch, balanciert auf Dachkanten oder Wäscheleinen zwischen Häusern, um seine Aufträge zu erfüllen. Die Bewegungen und das Spiel sind flüssig, die Straßen belebt, die Stadt farbenfroh und hell. Die neue Konsolengeneration zeigt, was sie technisch ermöglichen kann.
Von den Kreuzzügen bis in die Karibik
Offene Welten sind nicht neu, "Grand Theft Auto", "Red Dead Redemption" und viele, viele MMORPGs funktionieren so. Nun wirbt auch "Assassin's Creed" damit. Unabhängig davon war die im Jahr 2007 gestartete Serie von Beginn an in geschichtlichen Schauplätzen zu Hause. Erst waren es die Kreuzzüge, dann die italienische Renaissance, später auch der US-amerikanische Bürgerkrieg oder zuletzt bei "Black Flag" die Zeit der karibischen Piraterie.
"Assassin's Creed" verknüpft diese unterschiedlichen Schauplätze über einen erzählerischen Trick: Der fiktive, internationale Konzern Abstergo Industries hat eine Maschine entwickelt, die Zeitreisen mit Hilfe menschlicher DNA ermöglicht. Diese "Triple Helix" kann Erinnerungen speichern, die an Nachkommen vererbt werden. Abstergo will durch die Zeitsprünge "die erste Technologie der Zivilisation" entdecken.
Vermutlich wird die Suche danach mindestens so lange dauern, wie Entwickler Ubisoft neue Teile der Serie erfolgreich an den Spieler bringt. Ist dies der Grund, warum dieses Element von Beginn an integriert wurde? Diese Frage beantwortet James Nadiger vom verantwortlichen Studio Montreal nicht direkt. "Es gibt unseren Geschichten einfach mehr Kontext und soll erklären, warum die Protagonisten wichtig sind", sagte der Skriptschreiber von "Assassin's Creed: Unity" n-tv.de.
Der Clou an dieser Metaerzählung ist: Selbst wenn es um die Fragen nach Ablegern der Serie geht. Danach, warum der x-te Teil herauskommt, der allerdings in einer völlig anderen Zeit spielt, wird die Bühne der Fiktion so niemals verlassen. Sie werden erzählerisch beantwortet. Das verleiht Authentizität. Seit Jahren ist "Assassin's Creed" eine Größe auf dem Spielemarkt. Inzwischen gibt es auch Romane, Comics, eine Monopoly-Version und sogar Kleidung aus dem Universum von Desmond und Co.
Vom Buch über den Film zum Spiel
Ubisoft sieht "Assassin's Creed" auch als einen Weg, Historisches erlebbar zu machen: "Ein großer Teil der Faszination wird von Geschichtstourismus getrieben", sagt Nadiger. Ist das in die Medienentwicklung einzuordnen? In eine zeitliche Abfolge von Büchern mit geschriebener Information, später zusätzlich mit Bildern und Fotos versehen, dann TV-Dokumentationen, seit einigen Jahren mit Re-enactment? Vorstellbar ist das. Spiele könnten mit Leichtigkeit eine Rolle bei geschichtlicher Nacherzählung, womöglich auch bei Bildung einnehmen.
Der Rundenstrategie-Dino "Civilization" etwa enthält eine Datenbank mit Informationen über Weltwunder, technische Entwicklungen und historische Ereignisse. Auch das neue "Assassin's Creed: Unity" hat ein solches Fundament - "mit echten historischen Angaben aus Geschichtsbüchern, was einen Teil der Attraktivität ausmacht", sagt Nadiger.
Tatsächlich fühlt es sich in der virtuellen Französischen Revolution des neuen Teils so an, als sei ein Teil der europäischen Geschichte in der Interaktivität angekommen. "Wir stellen gründliche historische Nachforschungen an und versuchen, sie entsprechend präzise zu reproduzieren", berichtet Nadiger. "Assassin's Creed: Unity" ist ein unterhaltsames, gutes Spiel, in dem Protagonist Arno Aufträge erledigt und an Orten herumstreift, die viele wohl nur von Worten aus Vorlesungssälen und Malereien kennen.
Bei aller Begeisterung über die eigene Arbeit tritt Spieleentwickler Nadiger irgendwann doch noch auf die Bremse. Für hundertprozentige Genauigkeit könne sein Team nicht garantieren: "Ich würde niemandem empfehlen, mit Assassin's Creed für die Schule zu lernen."
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Quelle: ntv.de