Let's rock it Mit "Rocksmith 2014" zum Gitarrenhelden
18.12.2013, 15:07 Uhr
Wer richtig gut Gitarre spielen will, der muss auch mit "Rocksmith 2014" lange üben.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Gitarre ist das stärkste Instrument in der Rock-Musik. Und wer sie spielen kann, ist ein Held. Nein, nicht im Sinne von "Guitar Hero", diesem bekloppten Bunte-Tasten-greif-Spiel. Mit "Rocksmith 2014" wird richtig musiziert - und das auch noch gewinnbringend.
Jahrelang stand die Klampfe im Ständer. Ab und an, wenn der Autor den Staub vom Korpus wischte, stimmte er das gute Stück und drosch sechs Akkorde und zwei Power-Riffs und stellte das Gerät dann wieder reumütig an seinen alten Platz. Von den leidlichen Griffkünsten und der mutmaßlichen Bundsicherheit war er schließlich weit entfernt. Umso prickelnder erschien der Gedanke, das Brett wieder regelmäßig in die Hand zu nehmen. Als das Gitarren-Lernprogramm "Rocksmith 2014" von Ubisoft in die Redaktion flatterte und die Frage im Raum stand, wer es denn wohl testen möchte, flog die Hand des Schreibers nach oben. Schließlich handelt es sich hierbei nicht um einen Fake wie "Guitar Hero" wo bunte Knöpfe auf dem Hals eines Plastikinstrumentes entsprechend der Vorgaben gedrückt werden müssen, sondern um echtes Gitarrenspiel, auf einer richtigen sechsseitigen Gitarre, einer elektrisch verstärken natürlich.
Die sollte man also schon mal zu Hause haben oder man kauft sich das Rocksmith 2014 Bundle, inklusive USB-Kabel mit Klinke und einer Epiphone Les Paul Jr. für 200 Euro. Kein schlechter Preis im Übrigen. Wer das Elektrogerät bereits sein Eigen nennt, dem reicht die Software mit USB-Kabel für 70 Euro (PC ab Windows Vista und Mac OS X). Für Konsolenspieler (Xbox 360 und PS3) kostet beides zwischen 65 und 80 Euro. So gerüstet, gelingt der Einstieg ganz schnell. Die Installation der Software geht fast von selbst. Lediglich ein Konto muss bei Ubisoft erstellt werden.
"Lerne einen Song"
Wer jetzt das Programm öffnet, wird nicht lange mit irgendwelchem Vorgeplänkel aufgehalten. Es gilt lediglich die Frage zu beantworten, in welchem Level man starten möchte und ob man das Lernprogramm in Richtung Lead-, Rhythmus-Gitarrist oder als Bassist eröffnen möchte. Bei Letztgenanntem sollte man selbstredend den vierseitigen Langhals zur Hand haben. Der Autor entschied sich, seiner musikalischen Biografie folgend, für den Rhythmus-Part. Diese Entscheidung sollte sich auch als richtig erweisen, denn das Programm lässt nichts anbrennen und fordert sofort auf: "Lerne einen Song". Und die Track-Liste liest sich gut: Def Leppard "Pour Some Sugar On Me", Pantera "Cemetery Gates", Ramones "Blitzkrieg Bop", R.E.M. "Losing My Religion", System Of A Down "Hypnotize" oder White Zombie "Thunder Kiss '65". Insgesamt stehen über 50 Titel zur Verfügung, die durch Ubisoft sukzessive erweitert werden.
Letztlich fiel die Entscheidung bei dem ersten Song auf "Machine head" von Bush. Noch bevor das Lied startet, wird die per USB-Kabel und Klinke direkt an den Rechner angeschlossene Gitarre gestimmt. Das geht problemlos, denn auf dem Monitor erscheint der Kopf des Instruments samt Stimmmechanik. Jeder Seite sind unterschiedliche Farben zugeordnet und selbst die Drehrichtung für Höhe und Tiefe wird optisch angezeigt. So wird selbst das Stimmen auf Dropped-D, wie sie bei vielen Rocksongs wegen der Powerchords erforderlich ist, zum Kinderspiel. Wenn das abgeschlossen ist, kann der Song gestartet werden. Die Software übernimmt auch die Einstellung des Klangbilds des Instruments und schaltet entsprechend der Vorgabe Effektgeräte wie Flanger, Verzerrer oder Delays dazu. Wer jetzt noch Kopfhörer an den Rechner anschließt und diese auf die Öhrchen schraubt, der hat einen exzellenten Klang und verursacht der Umwelt kein Unbehagen, wenn er mal daneben haut.
Deprimierend und lehrreich
Und das passiert garantiert, wenn man nicht hundertprozentig spielsicher ist, denn die nun zu greifenden Seiten und Bünde rasen auf einer Art "Noten-Highway", entsprechend dem Tempo des Songs, auf den Guitarrista zu. Primär geht es an dieser Stelle selbst im Rhythmus-Bereich um Einzeltöne, die sich aber mit zunehmender Spielsicherheit in ganze Akkorde verwandeln. Leider bereitet das Programm einen nicht darauf vor, welcher Finger wohl den Einzelton greift, um anschließend den Fingersatz eines Akkordes zu bilden. Wurde man also am Anfang noch für seine Künste mit "Sehr gut gespielt" gelobt, gibt es in der nächsten Stufe dann nur noch ein "Hätte schlimmer sein können". Hier sollte man unbedingt den Riff-Repetitor bemühen, um den Schwierigkeitsgrad und die Geschwindigkeit ein wenig zu drosseln.
Deprimierend, aber auch lehrreich. Denn an dieser Stelle werden zwei Sachen deutlich: Zum einen tut es not, sich dem Programm mit einer realistischen Einschätzung seines Könnens zu nähern, andernfalls könnte man schnell enttäuscht werden, weil gerade bei "Lerne einen Song" die Sprünge bei den erwarteten Fortschritten durch die Software groß sind. Zum anderen sollte sich der Gitarrenfreund das Programm genau anschauen und versuchen, sich sein eigenes Lernprogramm zusammenzustellen, denn hier gibt Ubisoft keine Hilfestellungen.
Üben, üben, üben
Wichtig sind die Videotutorials, die man sich ansehen sollte, um Fertigkeiten wie das "Blending" oder "Slapping" zu repetieren oder Akkorde zu lernen. Hat man in den Einheiten nämlich hundertprozentige Fertigkeiten bewiesen, werden in den Songs die entsprechenden Fortschritte freigeschaltet. Ärgerlich ist, dass die Übungseinheit, die an das Tutorial gekoppelt ist, nicht unabhängig von dem Video abrufbar ist. So ist man bei jeder Wiederholung gezwungen, die gesamte Einheit von vorne zu durchlaufen. Was die Übung auszeichnet, ist der Umstand, dass sich das Programm hier dem Können anpasst. Für den, der zu oft falsch spielt, wird die Geschwindigkeit verringert, bis er das Griffbild sicher beherrscht. Um Bund- und Seitensicherheit zu verbessern, hat Ubisoft auch Übungen im Stil der alten Arcade-Spiele erfunden und unter "Guitarcade" abgelegt. Hier können Tonleitern, einfache Griff- und Seitenübungen gemacht werden, die mit entsprechenden Scores belohnt werden. Aber auch hier wird nichts über den Fingersatz beim Spiel verraten.
Echte Könner werden ihren Spaß im "Session-Modus" haben. Hier sucht man sich eine von über sechzig Begleit-Bands aus den Stilrichtungen Blues, Electronic, Punk, Metal oder Rock aus. Man kann sich auch selber eine Band mit vier Instrumenten zusammenstellen. Jetzt wählt man für seine Jamsession die entsprechende Notenskala und das Tempo aus und schon kann losgerockt werden. Wie sehr die Begleitband mitgeht, hängt immer von der Intensität des eigenen Spiels ab. Das wird in Form einer Fieberkurve am oberen Bildschirmrand visualisiert. Aber bevor hier etwas geht, sollte man schon reichlich geübt haben oder eben mehr können.
Fazit: "Rocksmith 2014" ist mit Abstand der beste virtuelle Gitarrenlehrer, der zurzeit auf dem Markt ist, kann aber gerade für Anfänger den Lehrer aus Fleisch und Blut nicht ersetzen. Wer allerdings schon etwas Vorahnung hat oder zu den besseren Spielern zählt, den wird das Programm begeistern. Selbst unter Windows glänzt es mit Stabilität und kurzen Ladezeiten. Allerdings, und auch das sei hier noch einmal deutlich gesagt, "Rocksmith 2014" ist kein Spiel à la "Guitar Hero". Vielmehr ist es Guitar und gar nicht Hero. Wer hier vorankommen will, der muss üben. Wieder und wieder. Nur das führt zum Erfolg.
Quelle: ntv.de