Brahms achtstimmig vom Blatt Noten als MIDI vorspielen
13.06.2003, 09:48 UhrVom Blatt zu singen, ist für Sänger das Ergebnis langjähriger Übung. Die Software capella-scan dagegen benötigt dafür nicht mehr als zwei Mausklicks. Sie erkennt nicht nur eine einzelne Stimme, sondern ganze Partituren und spielt sie gleich nach dem Einscannen auch vor.
Das jetzt in der Version 5.0 erschienene Programm ruft einen an den PC angeschlossenen Scanner auf, der das aufgelegte Notenblatt als Bild im Bitmap-Format ablichtet. Anschließend zeigt capella-scan das Ergebnis an und beginnt mit einem Mausklick seine Arbeit: Die Software analysiert das optische Bild der Notenlinien, Schlüssel, Noten und Pausen, interpretiert ihre Bedeutung und markiert alle erkannten Zeichen mit verschiedenen Farben.
Erkennung von Originalen
Die Erkennungsrate hängt von der Qualität der Vorlage ab. Originalausgaben aus dem Notenverlag erkennt die Software zu 100 Prozent, Note für Note. Bei schlechten Kopien mit geringem Kontrast oder bei handschriftlichen Vorlagen ist das Ergebnis schlechter. Im Test mit den "Fest- und Gedenksprüchen" von Johannes Brahms, opus 109, zeigte capella-scan so gut wie keine Aussetzer und interpretierte alle acht Stimmen des Chorsatzes als ganzheitliches Werk.
Die neue Version erkennt auch Texte - hierzu wurde die OCR-Software Finereader integriert. Die Silben der Chorstimmen werden als einzelne Objekte betrachtet und mit der zugehörigen Note verankert. Text vor einer Zeile deutet die Software richtig als Stimmenbezeichnung: Soprano, Alto, Tenore und Basso. Erkennungsfehler bei Buchstaben mit einer leicht zu verwechselnden Form können mit der Hand schnell korrigiert werden. Mit der Änderung von Schriftart, -größe oder -stil kann dem Notenblatt ein neues Layout verpasst werden. So kann etwa der Text einzelner Stimmen besonders herausgehoben werden. Auch bei den Noten wird immer mal wieder eine Nachbearbeitung erforderlich. Nicht erkannte Noten, Pausen, Taktstriche, Triller oder andere musikalische Anweisungen werden mit der Maus von der grafischen Menüleiste abgepflückt und an der richtigen Stelle eingefügt.
Lautstärke, Tempo und Klangfarbe variabel
Sind die verschiedenen Arbeitsgänge absolviert - Einscannen, Erkennen, Nachbearbeiten -, legt die Software das Ergebnis in zwei Dateien ab: Die eine enthält den Notensatz im Capella-Format, die andere die Audio-Daten im MIDI-Format. Beim Vorspielen der eingescannten Musik lassen sich drei Parameter verändern: Lautstärke, Tempo und Klangfarbe. Für letztere kommen alle 127 MIDI-Instrumente zum Einsatz, vom Konzertflügel über Geige und Horn bis zum simulierten Chorklang, Brandung und Gewehrschuss.
Die Notensatz-Datei im Capella-Format lässt sich mit dem gleichnamigen Notensatz-Programm weiter bearbeiten. Das können dann auch musikalische Veränderungen sein wie das automatische Transponieren in eine andere Tonart. Die Demo-Version von Capella 2002 gehört zum Software-Paket dazu. Sie kann zeitlich unbegrenzt genutzt werden, die Ergebnisse der Bearbeitung aber nicht speichern.
Die Noten-Scan-Software für Windows (ab 95) kann bereits auf einem 486er PC mit 64 MB RAM eingesetzt werden. Für eine sinnvolle Verwendung ist darüber hinaus ein Flachbettscanner erforderlich (unterstützt werden auch Handscanner, die aber meist schlechtere Ergebnisse liefern). Alternativ können auch Noten verarbeitet werden, die als PDF-Datei geöffnet werden. Der Hersteller capella in Söhrewald vertreibt capella-scan zum Preis von 148 Euro.
Von Peter Zschunke, AP
Quelle: ntv.de