Technik

USA ebnen Weg für Zweiklassen-Internet Nutzer werden zahlen - oder warten

(Foto: REUTERS)

Sollte die Netzneutralität wegfallen, ist es vorbei mit dem Traum des urdemokratischen Internet - schnelles Surfen gäbe es nur gegen Gebühr. Bleibt es bei der jetzt beschlossenen Regelung in den USA, ist das Zweiklassen-Netz bloß eine Frage der Zeit. Auch in Deutschland.

Die "Federal Communication Commission" ist in den Vereinigten Staaten die verantwortliche Behörde für sämtliche Kommunikationswege. Auch für das Internet. Nun hat sie bindende Regeln für dessen Nutzung verabschiedet - Stichwort Netzneutralität. Die Grundfrage lautet: Sollen alle Unternehmen, Menschen und ihre Daten gleich behandelt werden? Oder dürfen etwa die Videos eines Nutzers grundsätzlich die Überholspur benutzen, wenn er dafür zahlt - während der Rest auf der Datenautobahn wegen Überlastung im Stau steht?  Die Antwort der Regulierungsbehörde: Beides, ein bisschen.

Nutzen die Telekommunikationsunternehmen den entstandenen Spielraum, dürften das auch Nutzer in Deutschland zu spüren bekommen. Dann könnte es bald zugehen wie auf dem Telefonmarkt. Videos ohne Verzögerung übers Netz gucken? Hochauflösende Grafikdateien besonders fix zum Kunden schicken? Ja, aber gegen eine jeweilige Gebühr. Schnelle Datenübertragung, E-Mails erster Klasse, Urlaubsbilder bevorzugen? Bitte ein paar US-Dollar extra. Alle anderen sitzen vor dem Rechner und warten. Die Kapazität des Netzes ist endlich.

Sieg der Wirtschaft

Der FCC-Vorsitzende Julius Genachwoski.

Der FCC-Vorsitzende Julius Genachwoski.

(Foto: REUTERS)

Die Festschreibung der Regeln zur vermeintlichen Netzneutralität ist ein Sieg der US-Wirtschaft. Die reagierte naturgemäß positiv auf die Entscheidung. Auch der FCC-Vorsitzende Julius Genachowski bejubelte den Beschluss als einen, der die "Freiheit und Offenheit" des Netzes bewahre.

Das ist nicht richtig.

Erstens: Eine "unbegründete Diskriminierung" von Daten dürfe nicht stattfinden, heißt es. Aber was ist begründet, was nicht? Das können in Zukunft wohl nur Gerichtsverfahren klären. Vom Start weg soll etwa Fernsehen übers Internet von der Regelung ausgenommen sein, wenn auch unter Beobachtung. Zweitens wird die Bevorzugung bestimmter Datentypen nicht explizit verboten. Das öffnet Tür und Tor für Vermarktungsmodelle.

Künstliche Verknappung

Zudem unterscheidet die FCC zwischen verkabeltem Internet und solchem über Funk. Die Begründung, das mobile Netz befinde sich noch im Aufbau, ist der falsche Ansatz. Denn hohe Nachfrage führt früher oder später zum Ausbau der Kapazitäten. Durch eine künstliche Verknappung der Bandbreite spielt die Kommission den Betreibern in die Karten, die so weniger in ihre Infrastruktur investieren müssen. Und so die Entwicklung bremsen.

Für Deutschland wird die Regelung nicht nur eine Signal-, sondern auch anderweitige Wirkung haben. Das Internet ist global, und wenn Benutzer in den USA dafür zahlen, dass Provider ihre Video- oder Audiodateien bevorzugt behandeln, wird das international eine Kettenreaktion auslösen. Rechenzentren müssen ihren Betrieb umstellen, und alle Nichtzahler werden zu Web-Usern zweiter Klasse degradiert, weil eine kleine Minderheit bevorzugt behandelt wird. Auch gegenüber Nutzern aus Deutschland, immer wenn sie in den USA beheimatete Internetdienste nutzen.

Quelle: ntv.de

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