Technik

Bestandteil der Daseinsvorsorge? US-Behörde begräbt Netzneutralität

Die US-Aufsicht FCC mit Chef Tom Wheeler läutet das Ende der Netzneutralität ein.

Die US-Aufsicht FCC mit Chef Tom Wheeler läutet das Ende der Netzneutralität ein.

(Foto: Reuters)

Die Kritik ist gewaltig - doch sie beeindruckt die US-Behörde nicht. Mit knapper Mehrheit votiert die Aufsicht für ein Internet erster und zweiter Klasse. Doch entsprechende Provider-Pläne sollen streng kontrolliert werden. Zudem gibt es eine Hintertür.

Die US-Telekomaufsicht FCC zeigt sich unbeeindruckt von der massiven Kritik und stimmt für kostenpflichtige Überholspuren im Internet. Drei demokratische Mitglieder votierten für ein Netz der zwei Geschwindigkeiten, zwei republikanische dagegen. Dem Vorschlag zufolge können Internet-Provider in Zukunft ihren Kunden gegen Entgelt einen schnelleren und zuverlässigeren Datentransfer anbieten. Bevor die Regeln in Kraft treten, holt die Behörde allerdings noch Stellungnahmen von Betroffenen ein. Mehr als 100 Demonstranten protestierten bei der Aufsicht gegen die neue Regelung. Vier von ihnen wurden wegen Zwischenrufen aus dem Sitzungssaal befördert.

Kritiker sehen die FCC-Pläne als Bedrohung für die sogenannte Netzneutralität, also die Gleichbehandlung von Datenströmen im Internet. Sie befürchten, dass die digitalen Überholspuren der erste Schritt zu einem Zwei-Klassen-Internet mit schnellen Datenleitungen für Wohlhabende und langsamen Leitungen für den Rest sind. Außerdem sehen sie die Gefahr, dass Provider bestimmte Angebote blockieren oder die Datenübermittlung bewusst bremsen könnten.

Vorschlag mit Hintertür

FCC-Chef Tom Wheeler hatte die Sorgen als unbegründet zurückgewiesen. Die Internetanbieter müssen den Plänen der Regulierungsbehörde zufolge dafür sorgen, dass bei Premiumverbindungen der übrige Datenverkehr weiter mit einer "vernünftigen" Geschwindigkeit fließt. Die FCC will demnach jeden Deal genau überprüfen, damit niemand unfair benachteiligt wird. Die Behörde stand unter Zugzwang, nachdem US-Bundesgerichte die bisherigen Vorschriften für ein offenes Internet nach Klagen von Telekommunikationsunternehmen in Frage gestellt hatten.

Allerdings lässt der FCC-Vorschlag eine Hintertür für einen größeren Schutz des Prinzips der Netzneutralität offen: So will die Behörde prüfen, ob der Zugang zu Breitband-Internet ähnlich wie Wasser-, Strom- oder Telefonnetze als Teil der öffentlichen Grundversorgung eingestuft werden sollte. Damit hätte die FCC mehr Befugnisse zur Regulierung von Internetanbietern.

Internet-Giganten protestieren

Michael Weinberg von der Nichtregierungsorganisation Public Knowledge sagte, das Vorhaben sei "unzureichend, um ein wahrhaft offenes und neutrales Internet zu garantieren". Gabe Rottman von der Bürgerrechtsorganisation ACLU warnte, dass die Bürger der Macht großer Konzerne auf dem Markt für Breitband-Internet zunehmend "ausgeliefert" seien.

Zuvor hatten sich bereits 150 US-Technologiefirmen gegen die FCC-Pläne aufgelehnt. Unternehmen wie der Suchmaschinengigant Google, das soziale Netzwerk Facebook und der Onlinehändler Amazon drückten in einem offenen Brief die Befürchtung aus, dass die Internetprovider von ihnen eine Art "Steuer" für schnelle Datenleitungen erheben könnten. Außerdem sei ein "offenes und freies Internet" Voraussetzung für weitere Innovationen, hieß es.

Telekom-Firmen fürchten stärkere Regulierung

Dagegen fürchten die Telekommunikationsunternehmen mehr Regulierung. Sollte das Internet in den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge fallen, werde die FCC bei jeder großen Unternehmensentscheidung mitreden können, sagte Scott Cleland von der Lobbygruppe NetCompetition. Michael Powell vom Branchenverband National Cable and Telecommunications Association kündigte an, seine Organisation werde sich weiter "unerschütterlich" gegen das "Joch" von mehr staatlichen Regeln einsetzen.

Das Weiße Haus teilte mit, dass Präsident Barack Obama "Netzneutralität und ein offenes Internet" unterstütze. Die FCC sei aber eine unabhängige Behörde. "Wir werden ihren Vorschlag sorgfältig prüfen", sagte eilte Obamas Sprecher Jay Carney.

Quelle: ntv.de, jwu/AFP/rts

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