ICANN tagt in Bukarest Was passiert mit .org-Domains?
25.06.2002, 17:48 UhrDie Verwaltung der Internet-Adressen mit der Endung .org geht Ende des Jahres in neue Hände über. Die noch offene Entscheidung, wer das Dot-Org-Zentralregister künftig führt, liegt beim Internet-Verwaltungsgremium ICANN - kurz für "Internet Corporation for Assigned Names and Numbers". Die ICANN tagt bis Freitag in der rumänischen Hauptstadt Bukarest und sucht dabei auch einen Ausweg aus der eigenen Legitimitätskrise
Die vor allem für nichtkommerzielle Internet-Anbieter gedachten Dot-Org-Domains sind bisher von der amerikanischen Firma VeriSign verwaltet worden. Während der Vertrag für das Management der rund drei Millionen .org-Adressen Ende Dezember ausläuft, darf VeriSign das lukrative Geschäft mit den 30 Millionen Dot-Com-Domains noch bis zum Jahr 2007 betreiben.
Elf Anwärter
Zu den elf Bewerbern, die sich in Bukarest den 19 ICANN-Direktoren präsentieren wollen, gehört auch die Internet Society (ISOC). "Wir wollen Dot-Org weltweit und für jeden erschwinglich verbreiten", sagte Hans-Peter Dittler, Vorstandsmitglieder der ISOC in Deutschland.
Die 1991 gegründete Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Washington und Genf will für den Betrieb des Dot-Org-Registers eine eigene Non-Profit-Organisation gründen, die Public Interest Registry (PIR). Technischer Partner ist Afilias, der Betreiber der neuen Internet-Adressen mit der Endung .info. "Als weltweite Organisation bildet ISOC zusammen mit Afilias ein Team, das den Anforderungen von ICANN voll entspricht", erklärte Dittler. "Daher machen wir uns gute Hoffnungen, den Zuschlag zu erhalten." In Bukarest ist wohl noch keine Entscheidung zu erwarten. Dittler hofft auf einen Beschluss bis Ende August, damit Afilias genug Zeit für die technischen Vorbereitungen bleibt.
ISOC will die org-Adressen wie bisher allen Interessenten zur Verfügung stellen, dabei aber deutlicher als bisher den nichtkommerziellen Charakter betonen: "Dot-Org ist die Heimat von Non-Profit-Organisationen." Das kann sowohl das Internationale Komitee vom Roten Kreuz als auch die Dorfgemeinschaft in Bangladesch sein. Die bisherige Jahresgebühr von sechs US-Dollar (6,30 Euro) soll nach Angaben Dittlers zunächst beibehalten werden. Die Einnahmen sollen die Kosten des technischen Betriebs decken, mit Überschüssen könnten unter anderem Werbeaktionen für die größere Verbreitung von Dot-Org finanziert werden.
Weitere Kandidaten neben der ISOC sind unter anderem die US-Firma NeuStar, die bereits die neue Domain .biz verwaltet, und zwei Bewerber aus der Schweiz: SWITCH Swiss Academic and Research Network in Zürich sowie die britisch-australische Unity Registry mit Sitz in Genf.
Wie geht es weiter mit der ICANN?
Die ICANN debattiert in Bukarest auch wieder über zentrale Fragen ihrer internen Organisation. 1998 vom US-Wirtschaftsministerium eingesetzt, soll die ICANN vor allem die Internet-Adressen verwalten und entscheiden, welche Stellen für die Registrierung dieser immer nur ein einziges Mal zu vergebenen "Domains" verantwortlich sind. Langwierige Abstimmungsprozesse und schwerfällige Entscheidungsverfahren haben die ICANN zunehmend in die Kritik gebracht.
Fünf der 19 Direktoriumsmitglieder wurden im November 2000 nach einem umstrittenen Verfahren von den Internet-Nutzern gewählt - zu ihnen gehören der Amerikaner Karl Auerbach und der Deutsche Andy Müller-Maguhn, die beide wiederholt einen zu starken Einfluss wirtschaftlicher Interessen auf die ICANN kritisiert haben. Das Mandat der gewählten ICANN-Direktoren läuft im November dieses Jahres ab. Mitte März beschloss das Direktorium in Accra, künftig auf Wahlen zu verzichten und die Beteiligung der Internet-Nutzer in anderer Form sicherzustellen.
Nach einem Vorschlag von ICANN-Geschäftsführer Stuart Lynn sollen die Regierungen künftig größeren Einfluss auf die Nominierung der Direktoren bekommen - nach dem Vorbild der Internationalen Union für Telekommunikation (ITU), der 187 Mitgliedsstaaten angehören und die offenbar nur zu gerne die Aufgaben von ICANN mit übernehmen würde.
Der in Bukarest auf dem Tisch liegende Plan Lynns sieht auch eine Straffung der Entscheidungsverfahren vor, um ICANN mehr Effizienz zu verschaffen. "Unsere Entscheidungsprozesse brauchen mehr Zeit, als die Geschwindigkeit der Internet-Entwicklung erlaubt", kritisiert Lynn.
Sollte die Bukarester Sitzung wie so oft ohne klare Ergebnisse bleiben, steht der Fortbestand der Organisation in seiner jetzigen Form auf dem Spiel: Das Wirtschaftsministerium in Washington muss bis September entscheiden, ob es die Vereinbarung über die ICANN-Befugnisse erneuert oder eine Neufassung herbeiführt.
Peter Zschunke, AP
Quelle: ntv.de